Elfter Tag:


 Bergell - Chiavenna - Menaggio - Lugano - Bellinzona - Nufenen - Obergoms (296 Km)


Die Gipfel des Bergell
Es empfängt uns strahlender Sonnennschein in unserem kleinen Hotel am Malojapass. Dieser besteht eigentlich nur aus einer Passhälfte, da es nur den Aufstieg von Chiavenna zur Oberengadiner Seenplatte gibt, die auf einer Hochebene liegt. Eine regelrechte Passhöhe mit Abfahrt fehlt auf der anderen Seite. Wir haben am gestrigen Abend bereits die Abfahrt von Maloja, das schon zu Bergell gehört, ins Val Bregaglia, so heisst das Bergell in der Landessprache, unternommen. Um uns herum stehen die hoch aufragenden Felsen der Bergellberge, die eine imposante Kulisse abgeben. Ein Paradies für Bergsteiger. Nachdem wir ein zünftiges Müesli gefrühstückt haben, zieht es uns wieder auf die Gass. Die Malojastrasse ist ist in schweizer Manier hervorragend ausgebaut und wir folgen ihr talwärts. Um uns herum steht dichter Bergwald, der in der Morgensonne duftet. Kaum Verkehr. Rechts der Strasse liegt hoch über dem Tal der berühmte Ort Soglio, Ausgangspunkt alpiner Touren und Kleinod der Dorfarchitektur. Wir können ihn aus Zeitgründen heute leider nicht besuchen. Über weite Serpentinen und Kurven führt uns der Weg nach Stampa und weiter auf gerader Strecke nach Castasegna zur Staatsgrenze, die wir ohne Zwischenfall passieren.

Naturtunnel aus Felsen vor....

....Castasegna

Bei Sta. Croce in der Lombardei rauscht ein imposanter Wasserfall zu Tal, den wir näher betrachten und wenige Kilometer später erreichen wir Chiavenna. Hier zweigt ein interessanter Pass in den Norden ab, der Splügen, der die Region mit dem Hinterrheintal in Graubünden verbindet. Wir folgen dem Merafluss in nun wieder dichterem Verkehr und kommen nach ca. 20km an einen kleinen See, den Lago di Mezzola, der eine direkte Verbindung zum Comersee hat, trotzdem als eigenständiges Gewässer gilt. Nach der Umrundung diese kleinen Sees sind wir am Lago di Como.


Wasserfall bei Sta. Croce

Ausgangs des Bergell Richtung Chiavenna

Von den oberitalienischen Seen gefällt mir dieser, zusammen mit dem Lago Maggiore am besten. Er ist bergig, aber nicht zu hoch, eingerahmt und grün gesäumt. Seine Wasser schimmern dunkel. Der Publikumsverkehr hält sich in Grenzen, kein Vergleich zum Gardasee. Schon Napoleon war begeistert, Adenauer kam hier regelmässig her und bis heute versammeln sich die Vetreter des mailänder Geldadels, die ihre Villen rund um den See gebaut haben. Trotzdem sind die Preise human geblieben, sieht man von Como einmal ab. Der See ist der drittgrösste der oberitalienischen Seen, Haussee von Mailand, sein Hauptort Como liegt am Südende der westlichen Zunge des Sees, an der Östlichen, dem Lago di Lecco, findet man den gleichnamigen Ort Lecco. Viele alte Villen und reichlich Parks kann man sehen, eingebettet in den bis dicht ans Wasser reichenden gebirgigen waldigen Saum. Uferwege gibt es kaum, dafür aber reichlich gut funktionierende Verbindungen zu Wasser. Die Uferstrasse führt über lange Strecken direkt am Wasser entlang und wenn man die wenigen Touristenorte im Norden, wie Domaso oder Dongo passiert hat, trifft man wieder vorwiegend auf Einheimische.


Menaggio am Comersee

Lugano: Der Luganersee

Wir nehmen die westliche Uferstrasse und fahren am Wasser entlang. In Santa Maria machen wir auf der Piazza ein kleines Päuschen und können mit Seeblick das quirlige Leben auf dem Platz beobachten, ein reges Kommen und Gehen spielt sich vor unseren Augen ab. Weiter südlich liegt ein etwas grösserer Ort: Menaggio. Hier schlendern wir durch die Gassen und essen in einer kleinen Trattoria etwas zu Mittag. Weiter südlich liegt Como mit seiner wunderschönen Altstadt, ein Zentrum der Seidenverarbeitung, wovon auch die Modestadt Mailand profitiert hat. Wir haben den Comersee schon zu früheren Zeiten besucht und können neben Como v.a. Lecco und Bellagio, das gegenüber von Menaggio liegt, wärmstens zur Besichtigung empfehlen. Nach der Mittagssiesta fahren wir auf einer kleinen Strasse Richtung Schweiz an den Luganersee, der mit seinem östlichen Ausläufer in der Nachbarschaft von Menaggio liegt. Eine schöne Uferstrasse geleitet uns den See entlang bis nach etwa 30km die Schweizer Grenze kommt. Wenige Kilometer hinter der Grenzstation erreichen wir Lugano und machen nur eine kleine Rundfahrt in mittäglicher Hitze, um dann nordwärts ins Tessin hineinzufahren. Der Lago Lugano selbst ist wunderschön, v.a. die italienischen Abschnitte Richtung Varese sind ein Highlight, die Stadt Lugano aber, abgesehen vom Zentrum, ist nicht besonders aufregend, was sowohl Architektur als auch Besichtigenswertes anbelangt. Über den Monte Ceneri (554m) fahren wir eine breite, autobahnähnliche Strasse ins Tal des Ticino, der vom Gotthard kommend in den Lago Maggiore fliesst, diesen am Südende wieder verlässt, um in die Poebene weiterzufliessen, wo er schliesslich in den Po mündet. Von der Abfahrt des Ceneri hat man eine grossartigen Blick auf den Lago Maggiore und das Ticinotal bis Bellinzona, dem Hauptort des Kanton Tessin. Dorthin wollen wir.


Abfahrt vom Monte Ceneri: Das Tal des Ticino

Die Burg über Bellinzona

Bellinzona empfängt uns mit einer Gluthitze und wir stehen schon im Schweiss, als wir den Stadtrundgang antreten. Die Stadt ist Hauptstadt des schweizerischen Kantons Tessin, hat 17000 Einwohner, liegt an der Gotthardbahn und stellt den Kultur- und Verkehrsmittelpunkt der italienischen Schweiz dar. Im Stadtbild findet man Kirchen mit bedeutenden Fresken. Auf deutsch heisst sie Bellenz. Ende des 6.Jahrhunderts erstmals erwähnt, stand die Stadt bis Ausgangs des 13.Jahrhunderts unter der Herrschaft der Bischöfe von Como, kam später in den Besitz der Herzöge von Mailand und stand von 1500 bis 1798 unter der Herrschaft der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden, deren Zwingburgen (UNESCO-Weltkulturerbe) die Stadt überragen, die über Jahrhunderte strategisch wichtig waren zur Beherrschung der Handelsströme über den San Bernadino und den Gotthard. Die Stadt präsentiert sich als lombardischer Ort mit italienischem Flair, man erkennt jedoch die schweizer Einflüsse an der Gediegenheit, Sauberkeit und an den Öffnungszeiten.
Nach unserem Besuch fahren wir den Ticino talaufwärts Richtung Gotthard ins Valle Leventina, lassen die Abzweigung auf den Bernadino, der ins Rheintal nach Chur führt, rechts liegen und kommen auf gut ausgebauter Strasse nach 20Km in Biasca an, einem kleinen, netten Städtchen, von wo aus der Weg auf den Lukmanier ins Val Blenio nach Disentis im Vorderrheintal abgeht.


Zwischen Biasca und Airolo, das Ticinotal

Südflanke des Gotthardpasses

Nufenen: Einfahrt ins Val Bedretto
Anfänglich war das Tal des Ticino breit, nun verengt es sich zunehmend, die Berge rücken dichter zusammen. Von der parallel verlaufenden Autobahn ist wenig zu sehen, dafür kann man die ingenieurstechnische Leistung der Gotthardbahn bewundern. Wir kommen höher ins Tal und erreichen Airolo, den nördlichsten Ort der Levantina. Hier gehts via Gotthardautobahn durch den Tunnel oder über den Gotthardpass, dessen neue Streckenführung ebenfalls ausgebaut ist wie eine Autobahn, nach Göschenen im Kanton Uri, ins Reusstal und an den Vierwaldstättersee, oder alternativ nach Osten auf den Nufenen, der ins Wallis führt. Wir nehmen diesen Weg ins Val Bedretto. Anfänglich führt die schweizertypisch gut ausgebaute Strasse am Talgrund in langen Geraden und wenigen, langgezogenen Kurven durch Wiesen, auf denen das Vieh grast, in den Bergwald. Hier werde ich abrupt von einem in tarnfarbenenem Outfit steckenden, mit bemaltem Gesicht versehenen und aus dem Gebüsch springenden Soldaten angehalten.

Er hat sein automatisches Gewehr im Anschlag. Bevor ich mir Gedanken machen kann, was hier wohl los ist, kommen seine Kollegen in gleicher Bemalung ebenfalls und queren die Strasse. Aha, ein improvisierter Fussgängerüberweg, etwas martialisch, aber militärisch. Die Kolonne, die Übergang fordert, nimmt kein Ende. Als sich eine Lücke auftut, lässt mich mein Bewacher mit dem Gewehr im Anschlag, nach Rücksprache mit seinem Teniente gnädig fahren, wenn ich mich spute. Gesagt, getan, und so musste ich am Nufenen nicht übernachten, denn wer weiss, wieviele da noch gekommen wären? Überhaupt, die Schweiz und ihre Armee, ein Kapitel für sich. V.a. im Herbst, wenn Panzer die Strassen kreuzen, da habe ich schon was erlebt! Aber schliesslich befinde ich mich hier mitten in der Alpenreduite, jenen geheimnisvollen unterirdischen Bunkersystemen, die bis St. Maurice an den Genfersee reichen sollen. So wurde noch 1996 in Airolo eine der grössten europäischen Kasernen eingeweiht.
Der weitere Weg auf den Nufenen ist schnell erzählt: Nachdem man einige Wäldchen durchfährt, erreicht man die Baumgrenze und schraubt sich über einige Serpentinen ins felsige Gelände der Passhöhe. Die liegt auf 2478m, der Nufenen ist der höchste innerschweizer Pass. Aber was für ein Panorama: Vor uns stellen sich die Gipfel der Berner Alpen in Reihe auf: Finsteraarhorn, Schreckhorn, Lauteraarhorn und die anderen schneebedeckten Zacken und Grate. Nach Südwesten sieht man das Grieshorn mit dem Gletscher. Im Süden liegt das Massiv der Cristallina, einem der höchsten Berge des Tessin. Wir machen Pause und trinken eine Kleinigkeit mit Blick auf dieses Naturschauspiel.


Aufstieg zu Passhöhe von Osten

Die Passhöhe mit Blick auf die Berner Alpen

Gewaltige Felsformationen während....

....der Passabfahrt nach Ulrichen / Wallis

Die Abendsonne taucht die Landschaft in ein Lichtmeer, das wir noch eine Weile auf uns wirken lassen, um dann die Abfahrt zu beginnen. Anfänglich kommen scharfe Serpentinen und es geht unter drohend wirkenden Felswänden zu Tal. Hier kann man zum Griesgletscher spazieren, wenn man Zeit und Muse hat. Unterhalb der Serpentinen folgen lange, wenig kurvige Geraden, die bis zum Bergwald anhalten, in den wir eintauchen und, umgeben von Arven und Lärchen, die letzten Serpentinen nach Ulrichen nehmen. Ein schöner Pass, der Nufenen!
Ursprünglich wollten wir ja ganz woanders sein, aber das Wetter hatte uns einen bösen Streich gespielt und so kehren wir erneut ein in unser Domizil im Wallis. Am Abend essen wir in einem soliden oberwalliser Restaurant. Die Wetterneuigkeiten, die wir hören, erfreuen uns ganz und gar nicht: Es soll ab Morgen bereits wieder schlecht werden und sogar regnen. Nein, darauf haben wir überhaupt keine Lust, nicht schon wieder. Aber noch ist es ja nicht soweit, draussen ist strahlendes Abendwetter, vielleicht haben wir Glück.



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