Unterwallis:
Der nächste
Ort im Rhônetal ist Sierre (dt. Siders), das noch im letzten
Jahrhundert deutschsprachig war und wir können hier einen weiten
Blick auf das untere Rhônetal und die Weinbaugebiete werfen,
die sich an den Hängen hochziehen. Abgesehen von mondänen
Skiorten wie Crans-Montana oder Haute Nendaz warten lohnenswerte Besichtigungen
und Ausflüge auf uns. In Sierre beginnt der nächste
Abschnitt der Rhônetalautobahn für ganz Eilige. Wir bleiben
jedoch auf Landstrassen, die hier allerdings parallel zur Autobahn
verlaufen, es fällt also mithin nicht so ins Gewicht, welche
Strasse man nutzt. Bei Benutzung der Autobahn sollte man immer an
die obligatorische Vignette denken!
Hinter Sierre
talabwärts liegt ca. 20km entfernt Sion, die Kantonshauptstadt,
die samt ihrer Umgebung unbedingt für einen Besuch zu empfehlen
ist. Die Stadt ist keine Flussstadt, im Gegenteil, man hat sich über
Jahrhunderte vom Fluss entfernt auf Erhebungen vor den wiederkehrenden
Hochwassern geschützt. Von weit her erkennt man den Hügel
Tourbillon mit der Burgruine aus dem 13. Jahrhundert, dem ehemaligen
Sitz der Bischöfe von Sion. Der zweite prägnante Landschaftspunkt
ist der Valeria-Hügel mit seiner Kirche und dem Schloss. Sie
zählen zu den ältesten Baudenkmälern der Schweiz, römische
Säulen zieren die Ringmauer. In der Kirche steht die älteste
noch bespielbare Orgel der Welt aus dem Jahre 1390. Bei Ardon
mündet von Norden die Lizerne aus einer unglaublichen, durch
ein schmales Strässchen zu befahrenden Schlucht.
Von nun an prägen
gerade Linien die Landschaft, auch die Bäume stehen schweizerisch
akurat in Reih und Glied. Bedingt durch die vernichtenden Überschwemmungen
der Rhône wurden im letzten Jahrhundert, genauer 1863 - 1875,
grosse Eingriffe in die Landschaft unternommen. Neben der Rhônekanalisierung,
der Aufschüttung von Dämmen, wurde in einem gemeinsamen
eidgenössischen Kraftakt Schutzmassnahmen für die Bevölkerung
und die Landwirtschaft, mithin die Entwässerung einer ursprünglich
morastigen Landschaft betrieben, die diese Region zu der intensivst
genutzten Agrarfläche der Schweiz machten, der Hauptort dieser
Produktion ist Saxon, ein Örtchen kurz vor Martigny. Zu Glanzzeiten
beherbergte dieses Dorf sogar ein Kasino. Ein Bericht aus der Vorzeit
der Massnahmen lässt erahnen, wie die Bevölkerung des Rhônetals
unter ihrem Fluss zu leiden hatte:
"Wie vorteilhaft würde es sein, wenn die ganze Rhône-Ebene,
jetzt eine wahre Wüste von Wasserpfützen und Morast, in
ein anbaufähiges Land umgewandelt würde! Der Mangel und
die Unzulänglichkeit der Dämme setzt noch jetzt das bisschen
Ackerland alljährlich mehrmals der grössten Gefahr aus,
denn zur Zeit der grössten Hitze stürzen ausserordentliche
Wassermassen aus den Gletschern hervor, die Rhône schwillt an,
tritt aus dem Bett und bedeckt alles, was sie erreicht, mit Schlamm
und Sand".
Missernten waren dazumal eher die Regel, denn die Ausnahme. Heute
fährt man durch Obst- und Gemüseplantagen südwestwärts
talabwärts Richtung der alten Römerfestung Octodurus, heute
Martigny, der Fluss spielt nur noch einen Nebenrolle. Die Rhône
macht an diesem Ort einen scharfen Knick nach Nordwesten Richtung
Genfer See. Am Knick trennen sich die Wege Richtung Frankreich / Italien
und ins Waadtland. Pässe wie der Col
de la Forclaz und der Grosse
Sankt Bernhard sind wohl jedem bekannt. Richtung Westen kann
man von hier aus mit dem Zug über Le Chatelard nach Chamonix
fahren. Als Zuflüsse zur Rhône, die ab hier den Alpenhauptkamm
nordwärts durchbricht, sind die drei Arme der Drance von Bedeutung.
Aus dem Tal des Gr. St. Bernhard, dem Val d'Entremont kommt die Drance
d'Entremont, aus dem Val Ferret und dem Val des Bagnes die jeweils
gleichnamigen Flussarme, um bei Martigny in die Rhône zu münden.
Im Val des Bagnes, oberhalb des Weilers Fionnay steht ein weiterer
gigantischer Stausee, der Lac de Mauviosin. Über Martigny thronen
die Reste der Burg La Batiaz, ein kürzlich ausgegrabenes römisches
Forum lädt zur Besichtigung ein. Rhôneabwärts ändert
sich nun die Landschaft:
Die Rhône fliesst jetzt auf ihrem letzten Stück vor dem
Genfer See in einem breiten Bett. Das Rhônetal wird wieder enger,
die Berge rücken dichter heran, der Fluss wird von Auenwald umsäumt.
Wenige Kilometer hinter Martigny kommt von Westen durch eine beeindruckende
und begehbare Schlucht der Bergbach Trient herangeschossen, der dem
französischen Aiguilles-Rouges-Massiv entspringt. Wenig nördlich
hiervon stürzt der Pissevache-Wasserfall über die Felsen.
Das Tal wird zunehmend düster und enger, von Westen rücken
die Ausläufer der Dents du Midi, von Osten der Dent du Morcles
heran und bilden Höhenunterschiede von 2500m auf kurze Entfernung.
Bei St. Maurice, dem Ort des ersten Klosters nördlich der Alpen,
ist das Tal noch einen Steinwurf breit und bildet so das eigentliche
Tor zum Wallis. Hier wechselt die Strasse ins Waadtland auf das rechte
Ufer, linksufrig reicht der Kanton Wallis bis zum Genfer See, den
wir bei Villeneuve erreichen. Auf halber Strecke besteht noch die
Möglichkeit nach orografisch links Richtung Monthey und über
den Pas de Morgins nach Savoyen, Frankreich, abzuzweigen, eine sehr
schöne Strecke. Hier endet das Wallis und eine andere Geschichte
beginnt. Interessante Besichtigungen und Ausflüge vor der Rhônemündung
sollte man nicht versäumen!
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