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Stuttgart - Bodensee - Wil - Rickenpass - Einsiedeln - Ibergeregg - Susten - Grimsel - Fiesch (VS)

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
512 Km
8 - 19 Uhr

Wo fährt man am besten hin, wenn man nur eine Woche zur Verfügung hat?
Dieser Frage mussten wir uns in diesem Jahr stellen. Wie immer sollte die Tour ein Mix aus faszinierender Landschaft und beeindruckenden Städten, aus kulinarischen Entdeckungen und kulturellen Höhepunkten werden, eine (Kul)Tour, wie wir sie in den vergangenen Jahren nun schon mehrfach celebriert hatten.
Die innerhalb unserer verfügbaren Zeitspanne möglichen Länder waren begrenzt, doch fiel die Wahl sehr leicht: Wieder einmal zog es uns nach Frankreich, in das Land, das meiner Ansicht nach vollendeten Bikerspass mit dem Genuss aller Sinne und der Verführung zu Kunst und Kultur aufs Trefflichste vereinigt. Als wir dann die Landkarte studierten, fokussierte sich unser Interesse auf einen Landstrich, der zwischen Rhône und Isère liegt, nördlich der Provençe und südlich von Lyon. Hier finden sich die Ausläufer der Alpen zum Rhônetal hin, der Landstrich heisst Drôme. Alsbald bemerkten wir, dass es kaum deutschsprachige Literatur über diese Region gibt und auch im Internet die Reiseberichte nur dürftig vertreten sind. Man wird schnell feststellen, dass die Drôme ein wenig bereistes Terrain ist: Im Westen verläuft die Route de Soleil zur Côte d'Azur, im Osten die Route Napoleon und verleitet den Reisenden zur achtlosen Vorbeifahrt, nur Wenige nehmen sich auf ihrem Weg in den Süden ein wenig Zeit, das wilde und idyllische Gebiet der Drôme zu besuchen.
Das soll uns ja nur recht sein, nur keinen Rummel. Heute, nach der Tour, kann ich mit Fug und Recht sagen: Die Drôme ist eine Reise wert, vielleicht auch zwei oder drei. Und sie ist ein Motorradparadies. Doch der Reihe nach!
Wie schon so oft werden wir unseren bekannten Stütpunkt im Wallis anfahren und von dort nach Frankreich in die Westalpen aufbrechen. Strecken, die wir einige Male gefahren sind, die jedes Mal erneut ihren besonderen Reiz hatten, werden wir erneut besuchen, sie sind trotz ihrer Bekanntheit alles andere als langweilig. Da wir zeitlich ziemlich beschränkt sind, hatten wir auch Autobahnstrecken zwecks schnellerer Überbrückung grösserer Strecken eingeplant, was wir nun zu Beginn der Tour in Angriff nehmen, der Schwarzwald, der die deutlich schönere Strecke an den Bodensee geboten hätte, ist zwar sehr schön zu fahren, aber er hätte uns zu viel Zeit gekostet. Nach einer kurzen Nacht, in der wir unser Wiedersehen etwas ausgiebiger gefeiert hatten, machen Rainer und meine Wenigkeit uns über die A81 zu einer erneuten Tour auf

Wieder Richtung Süden: Im Hegau, die Vulkane im Hintergrund

Am Rickenpass, im Hintergrund die Glarner Alpen
- wie jedes Jahr, eine liebgewonnene Tradition. Er hat seine Varadero vollgepackt, ich meine alte XJ, die ohne zu mucken auch diese Tour meistern wird. Die Tour ist auch in technischer Hinsicht ein Experiment: Meinen sonst im alltäglichen Gebrauch recht nützlichen PDA (Personal Digital Assistent) habe ich durch eine Bluetooth GPS-Maus ergänzt und mir Navigationssoftware gekauft, die uns zum ersten Mal routen wird. Gut im Armorcase, einem wasserdichten Gehäuse verstaut, werde ich sie nach der Grenze aktivieren und die am heimischen PC entworfene Route navigieren lassen. So stelle ich mir das jedenfalls vor, denn die ersten Versuche zu Hause waren immerhin recht erfolgversprechend gewesen.
Ob die Steckdose im 'Kofferraum' der XJ wasserdicht bleibt, kann ich bisher nur hoffen, da mir Erfahrungen bezüglich Regenfahrten mit dem Navi-Gerät bisher noch fehlen. Aber wer denkt heute an Regen? Es ist ein herrlicher Tag! Und wirklich: Bis gestern war es Wochen lang trübe und kalt und nun:
Strahlender Sonnenschein. Das Herz hüpft mir schon ein wenig freudig im Brustkasten, das muss ich zugeben. Und solange das noch so ist, werde ich Motorrad touren, hoffentlich hält es also noch lange vor, dieses Gefühl meine ich.
Nach den über Wochen anhaltenden grauen Regentagen geniessen wir die Sonne auch auf der faden Autobahn und sind schnell in Konstanz am Bodensee, wo uns bei einem leckeren Italiener ein verspätetes Frühstück mit reichlich Espresso doppio noch etwas aufhält, bevor wir nach Kreuzlingen in die Schweiz weiterfahren, Wil, Watwil und der Zürichsee sind die nächsten Wegpunkte. In der schönen schweizerischen Voralpenlandschaft durchfahren wir schmucke Städtchen, v.a. Wil ist unbedingt eine Besichtigung wert, und schöne Dörfer, die gewohnt schweizerdeutsch aufgeräumt sind auf der N 16. Hinter dem Ort Ricken überfahren wir den ersten und gleichnamigen Pass der Tour, den wir aber nicht ohne weiteres als solchen wahrnehmen, da er nicht besonders hoch ist und sich auch weder durch eine richte An- noch Abfahrt auszeichnet.

Kloster Einsiedeln

Einsiedeln....

...reich und gediegen

Es handelt sich um eine breite schweizer Landstrasse, die in einer lieblichen, hügeligen Landschaft verläuft, weite Blicke auf die jenseits des Walen- und Zürichsee aufragenden Alpengipfel zulässt und aufgrund der näher rückenden Freizeitzentren rund um den Zürichsee auch leider einigen Verkehr zu bieten hat. Gott sei Dank ist Wochenende und es sind keine Lkw unterwegs, dafür jede Menge Pkw, kein Wunder, das erste schöne Wochenende.....
Links der Strasse fällt der Blick immer wieder auf die Glarner und Urner Gipfel, die trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit noch einigen Schnee tragen. Kein Wunder nach dem Schietwetter der letzen Wochen. Während der Abfahrt nach Rapperswil beginnt der Ärger mit der Navigation: Eigentlich wollte ich zum Einfahren der alpinen Genüsse über das Sattelegg nach Einsiedeln und bemerke zu spät, dass die Software uns gerade an diesem Pass vorbei lotst und auf einen Umweg, der allerdings schneller zu fahren ist, nach dem Ort Einsiedeln führt. Dort steht bekanntermassen ein berühmtes Kloster, das Rainer noch nicht kennt und das ich ihm zeigen wollte, allerdings wollte ich diese Zwischenstation andersrum anfahren. Nun, macht nichts, wir kommen auch so hin und ich merke erst später, dass wie so oft auch hier der Fehler nicht im, sondern vor dem Computer sass, ich hatte bei der Strassenauswahl und dem Geschwindigkeitsprofil im Navigationsprogramm einen Fehler gemacht. Da ich die Gegend hier wie meine Westentasche kenne, stelle ich das Navi ab. Bisher hat es mich nur halbwegs überzeugt.

Von Einsiedeln kann man die langweilige N 8 bis Schwyz nehmen, man sollte aber besser über das Ibergeregg ins Zentrum des bekannten Urkantons fahren, der der Schweiz den Namen gab. Diesen Weg schlagen wir ein, nachdem wir der Klosterkirche mit der schwarzen Madonna einen ausgiebigen Besuch abgestattet haben. Entlang des Sihlsees, ein Stausee etwas abseits von Einsiedeln, verläuft die Strasse kurvig, überquert den See auf einer Brücke um sich anschliessend gen Unteriberg und Oberiberg und schliesslich über viele kleine Kurven durch Bergwald zum Ibergeregg emporzuschwingen. Hier oben geht man der Almwirtschaft nach und für Biker können die in die Strasse eingelassenen Kuhgitter v.a. bei Nässe richtige Rutschfallen werden. Heute ist es trocken und wir erreichen unbeschadet die Passhöhe. Man hat einen herrlichen Blick auf den Vierwaldstättersee. Eine Restauration gibt es auch und da uns der Magen knurrt, gönnen wir uns eine Suppe - und den Ausblick. Dieser wird gen Süden durch dichte und dunkle Wolken getrübt, die sich um das Gotthardmassiv aufgebaut haben.
Noch kurviger und steiler als die Auffahrt gestaltet sich die Abfahrt vom Ibergeregg nach Schwyz hinunter. Wieder diese Kuhgitter! Ganz schön rutschig.
Wir durchfahren Schwyz, Brunnen, folgen der Axenstrasse entlang des Vierwaldstätter-See und gelangen weiter über die breite Strasse, die hier die Autobahn ersetzt und schwer am Transitverkehr zu leiden hat, parallel zur Gotthardautobahn ins wilde Reusstal. Im See spiegelt sich die untergehende Sonne und bildet einen schönen Kontrast zu den fast schwarz da liegenden Fluten. Hinter Amsteg wird die Strasse enger und kurvig und wir schrauben uns nach Wassen hinauf, - sehen Emils berühmte 'Chirche von Wassen' - und halten zu einem Tankstopp zu den sehr moderaten schweizer Benzinpreisen. Samstag Abend, weit und breit ist keine Menschenseele unterwegs, man fühlt sich direkt einsam, was allerdings kein Schaden ist, im Gegenteil. Das Wetter hat am Gotthardmassiv gehörig zugezogen und es bläst ein rauher, kalter Wind. Gut, dass wir uns für die folgenden Passaufstiege gut eingepackt haben.


Wassen im Kanton Uri, ein Tankstopp...

...und Richtung Sustenpass

Die 'Chirche' von Wassen

Die Urner Auffahrt zum Pass
In Wassen folgen wir den Wegweisern zum Susten. Schon nach den ersten Serpentinen des Passes wird es zunehmend kühler, im weiteren Passverlauf dann richtig eiseskalt. Der Pass ist trotz der breiten Strasse, die hinauf führt, interessant zu fahren. Er verläuft durch eine immer wilder werdende Felslandschaft, bis er auf m nach einem Scheiteltunnel seinen Kulminationspunkt erreicht. Es ist Abend, als wir besagten Scheitel erreichen. Hier droben liegt noch jede Menge Schnee, es bläst ein scharfer Wind, und - ja es ist bibbrig kalt. Trotz Funktionsunterwäsche und gefütterten Jacken kriecht die Kälte in uns hinein. Ich war schon mehrere Jahre nicht mehr hier und bin einigermassen erstaunt, wie der unterhalb der Passhöhe gelegene Steingletscher an Grösse verliert. Das Gletschersterben in den Alpen hat schon bedenkliche Ausmasse erreicht.
Nur schnell hinunter nach Innertkirchen, man erfriert ja hier oben. Die Abfahrt ist auch an diesem Pass attraktiver, als die Auffahrt. Ins Berner Oberland führen zahlreiche Serpentinen, enge Passagen und Kurven.

Susten, Passhöhe mit viel Schnee im Juni

Das Sustenhorn mit Steingletscher in dichten Wolken

Die Passabfahrt...

...auf Berner Seite

Bei Innertkirchen am Fusse des Passes
Je weiter wir Richtung Haslital absteigen, um so angenehmer werden die Temperaturen und grüner wird die Landschaft auch wieder. Wir halten uns nicht lange auf im unteren Haslital, sondern biegen in Innertkirchen links ab auf den Grimselpass, dessen Scheitelpunkt wir nach einer Herde Schafe auf der Strasse sowie zahlreichen Kurven, Galerien und Tunnels im wilden Abschluss des Haslitales an der Grenze zum Kanton Wallis erreichen. Der See auf der Passhöhe, der Totensee, ist noch mit einer dicken Eisschicht bedeckt, und genauso kalt ist es. Daher flüchten wir im Abendlicht schnell hinab nach Gletsch und folgen anschliessend der breiten oberwalliser Strasse durch duftenden Bergwald ins zunehmend wärmer werdende Tal der jungen Rhône, die hier Rotten heisst. Das Goms, so bezeichnet man den Landstrich, mit seinen zahlreichen Dörfern empfängt uns wieder mit schönerem Wetter, was für morgen hoffen lässt, und nach einem schönen Abendessen mit spassiger holländischer und ostgotischer Bedienung sowie gesalzenen schweizer Preisen, holen wir uns an einer Coop-Tankstelle mit angeschlossenem Lebensmittelladen noch ein Fläschchen Rotwein, den wir in unserer Hütte zu trinken gedenken.

Die eisbedeckte Grimselpasshöhe

...

Blick auf das Bettmerhorn aus dem Schlafzimmer!
Der Wein hat allerdings gewaltig Kork und taugt nur noch zum wegschütten, schade. So bleibt uns nichts mehr weiter übrig, als uns müde in die Federn unseres Stützpunktes, der schon oft Zwischenstation unserer Alpentouren war, fallen zu lassen und alsbald tief und fest zu schlafen.


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