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Zipser Runde: Tatranska Lomnica - Lomnitzer Spitze - Poprad - Levoca - Zipser Burg - Spisska Nova Ves

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
158 Km
12 - 19 Uhr


Die Gipfel am frühen Morgen
Eigentlich wollten wir heute ausschlafen. Eigentlich. Aber ich wache sehr früh auf, es ist erst sieben Uhr, als mein Blick zum Fenster hinaus den gestrigen Wetterbericht Lügen straft, denn die angekündigte Schlechtwetterfront kommt offensichtlich langsamer voran, als es prophezeit worden war. Wir können uns auch heute auf die Vorhersage des zipser Bauern verlassen, der lediglich von ein paar Tropfen am Nachmittag gesprochen hatte. Es ist zwar leicht bewölkt, aber weit entfernt von einem kalten Regenwetter. Zu unserer Freude zeigen sich die Gipfel der Tatra heute Morgen. Nun muss ich Rainers Verlangen nach einer Bergtour doch nachgeben, ich hatte eigentlich gehofft, darum herum zu kommen. Nach dem Frühstück, das reichlich aufgetischt wird und für jeden Geschmack etwas bietet, fahren wir den kurzen Weg von Stara Lesna nach Stary Smokovec, dem touristischen Hauptort der Hohen Tatra. Der Wald duftet herrlich, es ist ein wenig frisch und windig. In Stary Smokovec muss es eine Seilbahn geben.

Seilbahn auf die...

...Lomnitzer Spitze, Mittelstation im Nebel

Wir beginnen nach hinweisender Beschilderung Ausschau zu halten und ich suche die Berghänge nach den augenfälligen Installationen ab, vergeblich. Keine Bergbahn weit und breit. Ein hilfreicher Zeitgenosse weist uns darauf hin, dass die gesuchte Bahn in Tatranska Lomnica sei und auf die Lomnitzer Spitze hinaufführt. Als kehrt und zurück nach Tatranska Lomnica. Dort finden wir schnell die gesuchte Bahn. Es hat zwischenzeitlich ziemlich zugezogen und ich bin mir nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee ist, jetzt noch ins Hochgebirge zu spazieren, vor allem, wenn man sich so gut mit den lokalen Gegebenheiten auskennt, wie wir zwei. Aber ich sehe den enthusiastischen Blick meines Kompagnon, der förmlich darauf brennt, die Bergwelt aus nächster Nähe zu besichtigen und lasse mich breitschlagen, ein Ticket zu kaufen und den Hang mittels technischer Hilfe zu erklimmen. Die Bahn stammt aus österreichischer Produktion und führt auf eine Zwischenstation, die auf etwa 1900m Höhe liegt. Von dort kann man sommers herrliche Wanderungen unternehmen, im Winter skifahren, oder mit einer zweiten Gondelbahn weiter auf den Gipfel der Lomnitzer Spitze, auf 2632m gelangen. Wir sitzen zunächst in einer kleinen Gondel, die vier Personen fassen kann und schweben einige Meter über dem Grund über den Bergwald, später nach Erreichen der Baumgrenze über grasiges und hochgebirgiges Gelände. An der Zwischenstation erkennt man nur mit Mühe die umliegenden Berge, die Gipfel stecken in den Wolken. Die im alpinen Stil erbaute Hütte mit Humpftata-Musik ist schon älteren Datums und verlockt nicht für eine längere Pause. Wir überlegen kurz, um dann den Entschluss der Weiterfahrt zu fassen. Die Auffahrt auf den zweithöchsten Gipfel der Tatra ist streng kontingentiert: Man hat max. 30 Minuten Zeit sich oben umzusehen, dann muss man die Rückfahrt antreten. Die Dame an der Kasse meint auf Anfrage nur lakonisch, dass man an der Gipfelstation zwischendurch eine recht gute Sicht habe, aber man mit Nebel zu rechnen habe. Das ist offensichtlich schon von hier aus zu sehen. Wir betreten die Gondel aus schweizer Landen, die uns nach oben bringen soll. Angefüllt mit Touristen schwebt sie - in den Nebel hinein. Eine dicke Wolke hängt genau über dem Gipfel. Von der Auffahrt sehen wir leider nichts, obwohl es bei klarer Sicht ein Erlebnis sein muss: Die Bahn führt freischwebend ohne Zwischenmasten direkt an senkrechten Felsen entlang hinauf. Oben angekommen gehen wir noch einige Treppenstufen hinauf und um das höchstgelegene Observatorium der Slowakei herum, das hier v.a. zur Erforschung der Sonnenkorona dient, um endlich ins Freie hinauszutreten. Kalt ist es und windig. Und neblig. Von der sonst wohl beeindruckenden Kulisse der Tatragipfel ist nicht einer zu sehen. An einer Tafel orientieren wir uns und bekommen so einen Eindruck, was man hätte sehen können. Zwischendurch reisst die Wolkendecke immerhin kurz auf und gibt den Blick frei auf schrundige Felshänge, auf Schneefelder und die umliegenden Gipfel. Unmittelbar von der Lomnitzer Spitze fällt der Fels senkrecht in den Nebel hinab. Ein typisches Granitgebirge. Wir haben ja nur 30 Minuten Zeit und spähen hoffend in den Dunst, ein Österreicher, der ebenfalls mehr Sicht erwartet hat, kommentiert lautstark jede Wolkenlücke. Als die Lautsprecherstimme unsere Abfahrt ankündigt, haben wir immerhin einen Eindruck von den hochalpinen Verhältnissen dieses kleinsten Gebirges der Welt bekommen, sodass wir nicht gar so enttäuscht in den Nebel hinabschweben.


Levoca, Leutschau

Der Pranger für untreue Ehefrauen
Wieder im Tal angekommen, ist es auch schon Mittag geworden. Es beginnt zu tröpfeln. Unsere kleine Rundfahrt durch die Zips kann beginnen. Zuerst fahren wir Richtung Poprad, wo die Sonne wieder das Regiment hat und es sehr heiss wird. Das Wolkenwetter beschränkt sich auf die Berge. Wir passieren Poprad in östlicher Richtung Presov zu. Die Strasse (18) ist breit, der Belag gut und wir passen uns der schnellen Fahrweise der Slowaken an. Der Weg führt durch kleine zipser Dörfer wie Horka oder Spissky Strvtok (Donnersmark), rechts und links liegen ausgedehnte Felder und Wiesen. Hinter Spissky Strvtok steht rechts der Strasse die berühmte Ladislaus-Kirche, die die bedeutendsten gotischen Werke der Zips enthält. Auch äusserlich ist das Bauwerk schön anzusehen in dieser sanften Landschaft. Nach etwa 30 Kilometern seit Poprad und einem weiteren Anstieg im Hügelgelände des Hornad halte ich den Atem an: Vor uns in einer Senke liegt ein Städtchen wie gemalt: Levoca oder Leutschau, wie es auf deutsch heisst, der ehemalige Hauptort der Zips. Königin der Zips wurde die Stadt auch genannt und man erkennt bereits bei der Anfahrt, dass dieses Bezeichnung ihre Berechtigung hat. Ein paar langgezogenen Kurven sind es noch, dann fahren wir an einer alten Stadtmauer entlang und durch ein Stadttor auf den Hauptplatz, der nach dem berühmtesten Künstler von Levoca, nach Meister Paul benannt ist. Wir parken, wo wir ein freies Plätzchen sehen, auf einem illegalen, dafür kostenfreien Platz und starten eine kleine Besichtigungstour. In Levoca sind alle sehenswerten Bauwerke unmittelbar um den Meister-Paul-Platz angelegt, was die Dauer des Rundgangs wesentlich verkürzt. Wir sehen das prächtige Rathaus mit seinen Arkaden und die den Platz beherrschende Pfarrkirche St. Jakob. Sie birgt in ihrem Innern Höhepunkte gotischer Kunst, nicht nur für Levoca, sondern für die ganze Slowakei. Mit 18,62m ist der Hauptaltar des hl. Jakob übrigens der höchste erhaltene gotische Altar der Welt. Meister Paul schuf dieses Kunstwerk, das bis heute golden schimmert und glänzt. Ergänzt wir das Ensemble des Platzes durch prächtige Bürgerhäuser, die jedes für sich eine Geschichte zu erzählen weiss von bürgerlichem Reichtum, Unabhängigkeit und Stolz. Häuser im Stil der Renaissance und des Empire mit gut erhaltenen Sgraffitti. Man hat auch den Pranger, einen Eisenkäfig für untreue Gattinnen, die hier zu früheren Zeiten ausgestellt wurden, erhalten, was ich amüsiert betrachte. Ein kleines Restaurant am Platz kredenzt uns ein Mittagessen, dann verlassen wir das Städtchen Richtung Zipser Burg. Es sind noch 16 Kilometer auf der 18 nach Osten bis dahin. Schon von weitem, genauer von dem Ort Spisska Kapitula aus, erkennt man die Reste dieser früher das Land beherrschenden Burg, die hoch auf einem Travertinfelsen die Gegend überragt. Es sind gewaltige Ausmasse, die die Ruine vermittelt. Rechts der Strasse liegt unterhalb der Burg der malerische Ort Spisska Podhradie (Kirchdrauf). Wir biegen den Schildern folgend zur Burg hin ab und nach einem kleinen Anstieg stehen wir an der Ruine. Man hat einen herrlichen Blick auf das umgebende Land, das sich weit überblicken lässt. Da die Burg ein kultureller Anziehungspunkt ist, findet sich allerhand Volk hier oben.

Die mächtige Zipserburg ragt weithin sichtbar...

...von einem Felsen auf
Nach einer kurzen Besichtigung von Mauerresten fahren wir auf kleinen Nebenstrassen südwärts. Bystrany und Spissky Hrusov heissen die Dörfer, die wir auf kurviger und schmaler Strasse durchfahren auf unserem Weg zum nächsten Ziel, Spisska Nova Ves, einem weiteren Hauptort der Zips. Dort angelangt setzen wir uns in ein Eiscafé am Hauptplatz und geniessen die Sonne. Die Stadt liegt am Ufer des Flüsschens Hornad am nördlichen Rand des slowakischen Paradieses. Es ist eine lebhafte kleine Bezirksstadt, die ausser dem Rathausplatz, an dem wir sitzen mit den umgebenden Bauwerken nicht viel zu bieten hat für das Auge. Beeindruckend ist die gotische Pfarrkirche mit ihrem grossen Turm und das klassizistische Rathaus. Wir wollen weiter auf kleinen Strassen das slowakische Paradies erkunden und brechen wieder in südliche Richtung auf. Die kleine Strasse windet sich kurvenreich durch die Felder, kleine Wäldchen wechseln mit Wiesen. Wir kommen in immer einsamere Gegenden, treffen auf kleine Dörfer mit schmucken Häuschen und freundlich winkende Einheimische.

Strässchen südlich der Zipser Burg im slowakischen Paradies

In der Ferne die Berge der Niederen Tatra

Unparadiesisch: Ein Romadorf

Spisska Nova Ves...
Als wir einen Hügel überfahren eröffnet sich der Blick auf ein jämmerliches Dorf aus zusammengestückelten Hütten, ein Romadorf, das die Armut der Bewohner unmittelbar ausdrückt: Keine asphaltierten Wege, nicht mal Schotter nur blanke Erde. Von aussen lässt es sich schwer feststellen, aber die fehlende Infrastruktur legt den Schluss nahe, dass die elektrische Versorgung den Weg hierher noch nicht gefunden hat. Weder gibt es eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, noch einen Einkaufsladen etc. Wir treffen auf einen Slowaken, der mit seinem Mountainbike unterwegs ist und nach einem Blick auf meine Strassenmaschine meint, ich sollte besser umkehren, da hinter dem Romadorf nur noch lehmige Löcher auf uns warten und ich wohl stecken bleiben würde. Rainer fährt als Kundschafter vor und kommt bald mit der Bestätigung bezüglich des Strassenzustandes zurück, sodass wir umkehren und bessere Strassen suchen, die sich Richtung Westen auch finden lassen.
Gegen Abend sind wir in Poprad zurück, in einem Kaufland-Einkaufszentrum erstehe ich eine Regionalkarte. Die Auslagen sind wie in jedem Supermarkt üppig und umfassend, auffallend finde ich die vielen deutschen Produkte, die hier für wenig Geld billig verkauft werden. Bald darauf treffen wir wieder in Stara Lesna ein. Das gute slowakische Restaurant in der Nachbarschaft verwöhnt uns nur kurz, da sich eine Gruppe angetrunkener Jugendlicher am Nebentisch breit macht und nachdem mehrfach das Wort 'Nazi' fällt, - wobei ich nicht weiss, ob sich das auf uns bezieht -, ziehen wir es vor, unbehelligt den Abend in der Pension zu verbringen und verlassen das Etablissement.
Der Abend wird tatsächlich sehr nett, denn über Satelliten-TV, mit dem das Appartement ausgestattet ist, können wir Herrn Bienzle aus Stuttgart bei seinen Ermittlungen beobachten, dazu gestatten wir uns einen feinen Roten aus der Slowakei, vergleichbar einem guten Ahrwein. Nach dem Tatort haben wir dann die nötige Bettschwere und versinken in einen verdienten Schlaf.

...schöne Fassaden rund um den Hauptplatz
Der Wetterbericht des hiesigen Fernsehens verheisst nichts Gutes für morgen, das schlechte Wetter soll nun endlich über uns hereinbrechen, ich kann es kaum erwarten.


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