Zehnter Tag:

Stara Lesna - Liptovsky Mikulas - Brezno - Banska Bystrica - Zvolen - Banska Stiavnica - Banovce n. Bebravou

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
335 Km
8 - 21 Uhr

Heute morgen sieht es tatsächlich trübe aus beim Blick hinaus. Von der Hohen Tatra ist nichts mehr zu sehen, tief hängen die Wolken ins Tal herab. Wir frühstücken reichlich, denn nun soll es wieder gen Westen gehen, weit in den Südwesten genauer. Das Weinbaugebiet Südmährens ist unser angepeiltes Ziel heute. Nach einem kurzen Abschied besteigen wir die bepackten Moppeds und fahren wenige Kilometer nördlich wieder am Campingplatz vorbei zur 'Strasse der Freiheit'. So heisst die Verbindung am Fusse des Gebirges in West-Ost-Richtung wegen der Kämpfe gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Sie ist schön ausgebaut und hat von wenigen Serpentinen und kurzen Steilstücken abgesehen hauptsächlich langgezogene Kurven auf neuem Belag zu bieten. Wir sind gerade auf dieses schöne Strässchen eingebogen, als es zu regnen beginnt.

Der Himmel fällt uns auf den Kopf...

...da hilft nur ein Taucheranzug
Ich hatte in der Hoffnung auf besseres Wetter bis jetzt trotzig die Regenkleidung verweigert und muss nun umsteigen, was mitten im Wald auf dem glitschigem Untergrund gar nicht so einfach ist. Nun können wir trocken im Regen weiterfahren. Ausser uns ist niemand unterwegs. Sie haben Recht, bei diesem Wetter geht man nur gezwungenermassen vor die Türe. Es ist ekelhaft, nasskalt und es regnet ununterbrochen. Am Ausgang der Hohen Tatra bei Pribylina erhaschen wir einen kurzen Blick auf den Krivan, den heiligen Berg der Tatra.

Der Krivan im Nebel

Liptovsky Mikulas

Blick zum Liptauer Stausee, im Hintergrund kaum zu erkennen die Berge der Niederen Tatra
Wir kommen ins weite Waagtal / Váhtal. Der bekannte Fluss, der donauwärts fliesst trennt die Gebirgszüge der Hohen von denen der Niederen Tatra. Bevor wir in die Berge der Niederen Tatra hinauffahren werden, wollen wir dem Hauptort der Region, Liptovsky Mikulas (dt. Liptauer St. Niklaus) einen Besuch abstatten. Aufgrund des fallenden Regens wird es ein kurzer. Ein Blick noch auf den Liptauer Stausee, der bei schönem Wetter sicher seine Reize hat und allerlei Bade- und Sportaktivitäten zulässt, dann beratschlagen wir die weitere Route. Eigentlich sollte jetzt ein Besuch der südlich gelegenen und beeindruckenden Höhlen im Dämanova-Tal folgen, doch wir haben keine Lust, uns durch Matsch und Morast zu Fuss in voller Montur im bergigen Gelände zu quälen und fassen den Entschluss zur Weiterfahrt. Diese führt uns 16 Kilometer im Waagtal zurück bis Liptovsky Hradok, dort zweigt die einzige Passstrasse über die Niedere Tatra ins Grantal nach Süden ab. Es regnet weiter ununterbrochen und je höher wir bei Maluzina auf den Certovica der 72 folgend in dieses Gebirge auffahren, umso kälter wird es.
In Liptovsky Hradok entsteht übrigens der oben erwähnte und wichtigste Fluss der Slowakei, die Waag (Váh), durch den Zusammenfluss von Weisser Waag (Biely Váh) und Schwarzer Waag (Cierny Váh). Sie fliesst Richtung Westen durch den großen Liptauer Stausee, vorbei am alten Ružomberok (Rosenberg) zur Industrieregion und Stadt Martin. Nach dem Durchbruch bei Strecno in der Kleinen Fatra wendet sich der Fluss bei Žilina (Sillein) in südwestliche Richtung, passiert die weithin sichtbare Burg von Trencín (Trentschin) und nähert sich südwärts ab Nové Mesto nad Váhom (Neustadt an der Waag) und dem Kurort Pieštany (Pistyan) der Donauebene bei der Universitätsstadt Trnava (Tyrnau). Als Kleine Donau (Waag-Donau) nimmt sie von links die Neutra auf und mündet bei Komárno (Komorn) in die Donau. Da die Waag die halbe Slowakei durchfließt, war sie schon früh ein wichtiger Wasserweg. Im Unterlauf ist sie schiffbar, aber auch der rasche Oberlauf wurde zum Holz-Flössen genutzt. Regulierungspläne bestanden schon Jahrhunderte, wurden aber erst um 1890 verwirklicht. Die Wehre und Reservoirs im Waagtal dienen dem Hochwasserschutz, der Landwirtschaft, Schifffahrt und Energiegewinnung.
Für uns wird es Zeit einen heissen Tee zu nehmen, es ist schauerlich kalt und das Schild eines Restaurants am Passaufgang zum Certovica-Pass re
ttet unsere klammen Extremitäten vor weiterer Auskühlung. Man spricht auch hier kein englisch, dafür aber leidlich deutsch. Wir bekommen ohne Verständigungsprobleme für ein paar Cent etwas Warmes zu trinken und eine Suppe.
Die Passstrasse ist trotz des Wetters im unteren Teil schön zu fahren, ringsum stehen die höchsten Gipfel dieses Mittelgebirges, das mit dem Dumbier über zweitausend Meter hoch ist. Leider sehen wir nicht viel und leider können wir auch die schönen Kurven im oberen Teil der Strecke nicht artgemäss nehmen, der Nebel und der Regen behindern die Sicht doch gehörig und der Belag ist glitschig. Als Vorteil erweist sich lediglich der fehlende Verkehr, sodass wir nicht gischtgeduscht hinter Lkw her fahren müssen.
Einige kleine Dörfer und einsam stehende Häuser passieren wir in der triefenden Landschaft und als nach etwa 30 Kilometern die Passhöhe bei Sedlo Certovica auf etwa 1450m erreicht ist, finden wir sie von Wolken umgeben und die Sicht bei nahe null. Es herrscht wenig Betrieb und auch das Restaurant auf der Passhöhe scheint recht leer zu sein. Über ein paar Serpentinen unmittelbar unterhalb des Passüberganges fahren wir ohne Pause eine ebenso schöne Abfahrt durch Mischwald hinunter ins Tal der Gran (Hron), die Strecke ist der Auffahrt vergleichbar. Bei schönem Wetter muss sie ein absoluter Genuss sein.

Die Berge der Niederen Tatra

Auf dem Certovicapass
Vor dem Erreichen des tief eingeschnittenen Tales sehen wir eine Abzweigung, die links nach Brezno führt, einem kleinen Städtchen, das wir besuchen wollen. Es sind etwa 10 Kilometer über ein kleines Strässchen, das am Berghang verläuft. Brezno selbst hat einen kleinen schönen Marktplatz, der uns im strömenden Regen allerdings nicht zu einer Pause verleiten kann. Entlang der Hron / Gran fahren wir weiter westwärts, das Tal ist streckenweise ganz romantisch von steilen Felshängen eingezwängt, die Strasse ist breit und recht kurvig. Allerdings kämpfen wir mit dem erheblich zugenommenen Verkehr und werden regelrecht geduscht von den durch hohe Gischtfontänen pflügenden Lkw. Es scheint die Hauptverkehrsroute zu sein, diese Verbindung (66) aus dem Osten über Brezno nach Banska Bystrica. Tiefes Wasser findet sich auch auf der Strasse: Wasserlachen, manchmal ganze Seen behindern die Pkw, die wir überholen müssen um voranzukommen. Im weiter werdenden Flusstal mit schönen Burgen neben der Strasse erreichen wir die 'Metropole' der Mittelslowakei, wie sie sich selbst etwas überheblich nennt. Banska Bystrica (dt. Neusohl) ist ein quirliges kleines Städtchen.
Die Region lebte einst sehr gut vom Abbau diverser Edelmetalle, Gold, Silber und Kupfer. Die Vorräte sind erschöpft und man lockt nun Touristen an, die die Vielzahl der angehäuften Kunstschätze des ehemals reichen Landstrichs besichtigen. Die Lage der Kleinstadt ist gekennzeichnet durch die verschiedenen Gebirgszüge, die hier aufeinandertreffen: Im Norden steht die Hohe Fatra, im Nordosten die Niedere Tatra, im Südosten beginnt das Slowakische Erzgebirge und im Süden die weniger bekannten Erhebungen um die Bergbaustädtchen wie Banska Stiavnica. Man ist sehr stolz auf seine Geschichte hier und wir steuern den Hauptplatz, den Namestie SNP an. Er trägt den Namen des slowakischen Nationalaufstandes 1944 im Namen, ein Hinweis für geschichtsbewusste Einwohner.

Banska Bystrica, Namestie SNP...

...quirliger Hauptort der Mittelslowakei
Unmittelbar gegenüber der ältesten Kirche der Stadt, der Marienkirche, finden wir einen trockenen Platz unter einem überdachten Toreingang, an dessen bemalten Wänden Tische eines Restaurants stehen mit Blick auf den autofreien Platz. Dort essen wir zu Mittag. Der Betrieb auf dem sonst sehr belebten Platz hält sich in Grenzen. Während des Essens lugen wir nach draussen, in der Hoffnung, dass der Regen etwas nachlässt. Aber leider denkt Petrus nicht daran, die Schleusen des Himmels zu schliessen und so bleibt es bei einem kurzen Besuch dieser Stadt, ein schneller Rundgang über den Platz noch, dann sind wir wieder auf der Strasse.

Zvolen
Auf der mehrspurig ausgebauten Autobahn 66 Richtung Süden nach Zvolen (dt. Altsohl) im Grantal werden wir erneut triefnass. Äusserlich zwar nur, denn die Regenkleidung bleibt dicht, dennoch bereitet das Fahren kein Vergnügen. Zvolen hat ebenfalls einen schönen Hauptplatz mit einem grossen Brunnen, der den herabfallenden Wassern sein eigenes mit Überdruck entgegensprudelt. Auch hier machen wir nur einen kurzen Rundgang.
Nachdem mir ein Slowake in reinstem slowakisch mit rudernden Gesten den Weg zu unserem nächsten Ziel erklärt hat und ich es tatsächlich verstanden habe, folgen wir erneut dem Flusslauf der Gran, die hier einen scharfen Knick in westlicher Richtung vollzieht, über die Autobahn 50 Richtung Ziar nad Hronom bis Hronska Dubrava, es sind nur wenige Kilometer. Nun geht es auf einer kleinen Landstrasse (525) in südlicher Richtung. Obwohl die Wolken sehr tief hängen hat es aufgehört zu regnen!

Banska Stiavnica...

...Bergbaustädtchen auf Hügeln
Die Strasse ist kurvig, das Gelände hügelig bis mittelgebirgig und es macht wieder richtig Spass durch die Kurven zu schwingen. Kozelnik und Dolina heissen die verschlafenen Orte, die wir passieren, bevor wir nach etwa 20 Kilometern auf der verschlungenen Landstrasse und nach einem letzten Anstieg in eine tiefe Senke einfahren, in der die Stadt Banska Stiavnica (dt. Schemnitz) liegt. Die Stadt ist verteilt auf Hügel, die wie kleine Vulkankegel verstreut liegen, jeder dieser Erhebungen hat ein Bauwerk auf seiner Spitze zu bieten. Kein Wunder, die Gegend ist die vulkanreichste der Karpaten, was die Konfiguration der Berge erklärt. Das Zentrum mit seiner den Hang hinaufführenden Hauptstrasse (ul. A. Kmet'a) ist gepflastert und enthält neben dem eher schlichten Rathaus die barocke Katharinenkirche, die städtische Galerie, die in mehreren mit deutschen Sgraffitti bemalten Renaissancehäusern untergebracht ist, das Fritz-Haus, das den Vorstand der Bergbauakademie, die hier bereits 1770 gegründet wurde, beherbergte und den Kammerhof, eine Zweigstelle des Bergbaumuseums. Ansonsten liegen die Schätze des nur für den Bergbau konzipierten Städtchens weit verstreut über die umliegenden Hügel. Banska Stiavnica heisst aufgrund der Gesteinsvorkommen auch das 'Mekka der Mineralien'. Besichtigenswert sind das Alte und Neue Schloss, die man auf umliegenden Hügeln errichtet hat. Im Alten Schloss warten eine Pfeifensammlung und die Ausstellung über den Beginn des Bergbaus, im neuen, das aus der Zeit der Renaissance stammt und gegen den Türkensturm als Festung gebaut wurde, gedenkt man dieser Zeit mit wechselnden Ausstellungen. Komplettiert wird das kulturelle Angebot durch ein Bergbaufreilichtmuseum an der Strasse nach Levice.
Für uns stellt sich nun die Frage, wie wir den Tag fortzusetzen gedenken. Da es bereits früher Abend ist, beschliessen wir uns nach einem Quartier umzusehen. Eine Pension auf einem Hügel sieht von aussen recht nett aus, die Zimmer sind jedoch von äusserst schlechter Qualität und dafür einfach zu teuer. Auf der weiteren Suche nehme ich mutig am nördlichen Stadtrand einen Abzweig nach links in westliche Richtung auf ein schmales Strässchen mitten hinein in die waldige Hügellandschaft. Kurvig, steil bergab über Serpentinen, dann wieder hinauf, so verläuft die Strecke und wir holen das Fahrvergnügen nach, das uns heute bisher verwehrt geblieben war. Immer tiefer hinein gelangen wir ins Stiavnicke vrchy, das Schemnitzer Gebirge. Kleine Dörfer liegen am Weg, aber weit und breit keine Pension oder ein Hotel. Über Havrania Skala, Hodrusa-Hamre und Dolne Hamre kommen wir zur nächsten grösseren Ortschaft, nach Zarnovica. Ein paar Kilometerchen noch... es ist zu schön, um jetzt gerade aufzuhören. Wir überqueren erneut die Gran, die munter dahinfliesst...

Stiavnicke vrchy

Hügellandschaft des Vtacnik
...und folgen einem kleinen kurvigen Strässchen nach Nordwesten ins Vtacnik, ein Mittelgebirgszug, der bis auf 1345m ansteigt. Es bleibt trocken und es ist angenehm warm, wir geniessen die Fahrt durch die endende Mittel- und beginnende Westslowakei, um uns her Felder, Wiesen und Wälder. Zwischendurch, von Anhöhen aus, hat man einen wunderbaren Blick in die Ferne. Vor Partizanske treffen wir wieder auf eine breite Strasse (64). Die Stadt selbst bietet keine besonderen Highlights, deswegen fahren wir in nördlicher Richtung bis Hradiste, um uns her liegen jetzt v.a. weite Felder, die Berge haben sich auf in die Distanz zurückgezogen. Als wir bei einbrechender Dunkelheit nach Banovce nad Bebravou einfahren und ein Schild 'Hotel' sehen, biegen wir kurzerhand ab und beziehen Quartier. Man merkt an den Preisen, dass wir uns langsam wieder dem Westen nähern, dennoch ist es gemessen an deutschen Vorstellungen noch recht günstig.
Das Wetter macht mir Sorgen, eine massige Schlechtwetterfront liegt über uns bis tief in den Süden, dennoch gibt es einen Lichtblick, denn von Westen nähert sich ein ausgedehntes Hochdruckgebiet. Während des Abendessens in einem benachbarten kleinen Restaurant, das nebenbei gesagt nicht besonders überzeugt, besprechen wir die meteorologische Situation und kommen zum Ergebnis, unsere geplante Route umzuändern und dem schönen Wetter entgegen zu fahren. Im Fernsehen des Lokals läuft ein deutscher Sender, obwohl hier kein Mensch diese Sprache versteht oder spricht, es muss wohl schick sein, anders kann ich mir das nicht erklären.
Morgen geht es also gen Westen, einen Tag eher als geplant.


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