Elfter Tag:

Banovce n. Bebravou - Trencin - Brünn - Trebic - Telc

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
357 Km
8 - 18 Uhr

Das Hotel ist nicht nur teuer für slowakische Verhältnisse, es bietet das Frühstück auch nur gegen Aufpreis an. Da wir uns kurz vor der schönen Stadt Trencin (Trentschin) befinden, lasse ich es ausfallen, in der Hoffnung, es in schöner Altstadtumgebung in Kürze nachholen zu können. Das Wetter ist recht sonnig geworden, Richtung Westen zeigt sich blauer Himmel, im Südosten dagegen ist es wolkenverhangen, grau und es sieht dort nach Regen aus. Unsere Entscheidung, dem schlechten Wetter nach Westen zu entkommen war also richtig.
Hungrig steige ich aufs Motorrad, die Strecke bis Trencin beträgt etwa 30 Kilometer, die sich auf der 50, die breit ausgebaut ist, bei wenig Verkehr schnell bewältigen lässt. Die Landschaft hat einen weitläufigen Charakter, die sanften Hügel der Strazov-Höhen diesseits und die der weissen Karpaten jenseits des Waagtales, in das wir nun erneut hineinfahren, erinnern an die Mittelgebirge zu Hause. Hinter dem Ort Hamre biegen wir rechts ab und kommen erst mal durch ein typisches Industriegebiet. Baumärkte, Supermärkte und weitere kleinere Firmen stehen aufgereiht. Eine breite Strasse führt vorbei an diesen Errungenschaften der modernen Zivilisation direkt in die Altstadt, die sich unterhalb der Burg befindet, die weithin sichtbar ihre bekannte Silhouette von dem markanten Felsen an der Waag, auf dem sie gebaut ist, in den Himmel reckt.

Trencin...

...berühmte Kulisse: Die Burg über dem Waagtal
An einer Kreuzung steht ein Schild, das die Weiterfahrt eigentlich klar und deutlich verhindern soll, darunter ist allerdings auf Slowakisch ein halber Roman angebracht, was die Länge der Ausführungen anbetrifft, deren Inhalt wir leider nicht verstehen, aber wie immer so auslegen, dass eine Durchfahrt erlaubt sei. Zudem lassen sich slowakische Automobilisten ebenfalls nicht abschrecken durchzufahren - und die sollten das Schild wohl lesen können. Nach einer Kurve erleben wir dann die Überraschung in Form einer Polizeikontrolle, alle Sünder, die das Verbotsschild missachtet hatten, werden angehalten. Ich will schon bremsen, sehe dann aber, dass der Polizist zwar unsere Motorräder interessiert mustert, seine Kelle aber unten lässt. Unkontrolliert schleichen wir uns an der Kontrollstelle vorbei und parken, als ob nichts gewesen wäre. In einem kleinen Restaurant frühstücken wir günstig Rühreier und Co. Das Städtchen ist recht nett, aber für einen erweiterten Rundgang oder gar einen Museumsbesuch reicht leider die Zeit nicht.

In der mährischen Slowakei, Sonnenblumenfelder
Wir überqueren die Waag, die sich als träge dahinfliessender, breiter Fluss präsentiert und folgen erst einer langen Geraden aus der Stadt hinaus nach Süden, bevor wir auf der Landstrasse Nr. 50/E50 nach Westen Richtung tschechische Grenze fahren. Die Beschilderung lässt anfänglich etwas zu wünschen übrig, aber nach der Hilfe eines freundlichen Tankwartes sind wir schliesslich auf der richtigen Route. Die Strasse ist gut ausgebaut und schwingt sich in weiten Kurven durch die Weissen Karpaten, ein waldiges Mittelgebirge, das sich über 800m ü. M. erhebt. Unterwegs treffen wir auf hilfsbereite Zeitgenossen, die uns lichthupend vor einer in Grenznähe aufgebauten Radarkontrolle warnen. Dankbar drosseln wir die Geschwindigkeit und gelangen nach einigen schönen Kurven und 25 Kilometern seit Trencin in einem letzten leichten Anstieg zur Grenze zwischen der Slowakei und Tschechien, die hinter dem Ort Holbova mitten in der grünen Hügellandschaft liegt. Der Herr Grenzer auf tschechischer Seite ist heute morgen offensichtlich mit dem falschen Fuss aufgestanden.
Eine andere Möglichkeit ist, er mag keine Motorradfahrer oder keine Deutschen oder beides. Jedenfalls kontrolliert er mürrisch unsere Papiere, auf unsere freundliche Begrüssung erfolgt keine Erwiderung. Wir verlassen rasch den unfreundlichen Ort und gelangen über die weiterhin breite und neu gebaute 50 in die mährische Slowakei. So heisst dieser tschechische Landstrich, denn die Bevölkerung spricht einen dem Slowakisch ähnlichen Dialekt. Unsere Route verläuft nun in westliche Richtung, die Karpaten haben wir hinter uns gelassen. Rechts der Strasse taucht eine schöne Stadt auf, deren Altstadt weithin sichtbar auf einem Hügel steht: Uhersky Brod, eine kurze Rundfahrt bestätigt den Reiseführer, es sind wenige Highlights rund um den Marktplatz, die eine längere Pause für uns nicht lohnen. Nach weiteren 20 Kilometern vorbei an Wiesen und Feldern stehen wir im Zentrum der ersten grösseren Siedlung, in Uherske Hradiste. Auch hier gibt es nicht besonders viel zu sehen: Eine alte Apotheke am Marktplatz, der Rathausturm, einige Renaissancebauten - das war's.

Uherske Hradiste

Mährische Burg vor Brünn
Da die 50 ohnehin durch die Stadt führt und wir dringend tschechisches Geld benötigen können wir hier das Angenehme eines Spaziergangs mit dem Nützlichen der Geldabholung verbinden, bevor wir erneut westwärts ziehen. 70 Kilometer sind es noch bis zu unserem nächsten Halt, und da nach der Überquerung des Flusses Morava in Uherske Hradiste der Lkw-Verkehr doch deutlich zugenommen hat und einige Baustellen die Fahrt mehrfach unterbrechen, zieht sich die Strecke etwas in die Länge. Die Strasse verläuft in weiten Kurven durch die bewaldeten Hügel Südmährens, die vor Brünn in flaches Land übergehen. Gelegentlich sieht man Relikte der Habsburger Monarchie in Form von Burgen und Schlössern rings umher. Vor Brünn werden wir auf die Autobahn geleitet. Da das Wetter uns mit seinen Regenwolken zwischenzeitlich leider wieder überholt hat, legen wir eine kurze Pause an einer Autobahnraststätte ein, trinken eine Cola und beratschlagen den weiteren Fortgang des Tages.
Die Raststätte befindet sich in unmittelbarer Nähe des Ortes Slavkov u Brna, das im Deutschen Austerlitz heisst. Ein Denkmal und eine Ausstellung im Barockschloss erinnern an die Dreikaiserschlacht, die hier 1805 zwischen Napoleon sowie den Verbündeten Österreichern und Russen stattfand. Die vereinigten russisch-österreichischen Verbände wurden vernichtend von einem deutlich kleineren französischen Heer geschlagen und Napoleon hatte freien Zugriff auf die Besitzungen der Donaumonarchie.
Brünn ist eine grössere Stadt, entsprechend sind die Zufahrtstrassen breit und bevölkert. Vorbei an den üblichen wenig attraktiven Vorstädten lassen wir das Zentrum erst mal abseits liegen und folgen der 43 nach Norden in die wieder hügelig werdende Landschaft des Mährischen Karstes. So heisst die nur 100 qkm grosse, aber dafür um so wildere Landschaft nördlich von Brünn: Tiefe Schluchten, wilde Felsen aus Sandstein und ein ausgedehntes Höhlensystem erwarten den Besucher in diesem Naturschutz- und Wanderparadies.

Im Mährischen Karst
Bei Lipuvka verlassen wir die Hauptstrasse 43 und folgen der Beschilderung Richtung Blansko. Nach einer langen Geraden führen enge Kurven in einen dichten Wald hinab. Unten angekommen zeigt ein Schild zur Macocha-Schlucht (Propast Macocha) unserem Ziel. Entlang eines kleinen Flusstales ist eine kurvige Strasse gebaut, die nach einem steilen Anstieg zu einem Parkplatz führt, von dem aus man eine kleine Wanderung zu dem besagten Abgrund unternehmen kann. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Eingang zur Punkevni-Höhle. Hier besteht die Möglichkeit, eine sehr interessante unterirdische Bootsfahrt am Fusse der Schlucht entlang zu machen. Wer beide Punkte miteinander verbinden will, kann dies auch bequem mit einer Seilbahn tun.
Uns steht der Sinn nach einer kleinen Pause, bevor wir den Rückweg nach Brünn in die Altstadt antreten. Noch ist es trocken, der Himmel im Osten sieht aber aus, als wolle er demnächst sein Wasser loswerden.

Brünn: Kulisse mit St.-Peter-und-Paul

In der Altstadt
Die Altstadt mit ihrem geschäftigen Leben und den gediegenen Bürgerhäusern besichtigen wir nur kurz und beeilen uns, weiter nach Westen zu kommen, da dort das Wetter stabiler scheint. Zuerst müssen wir jedoch durch den Brünner Feierabendverkehr. Nach längerem Staugefahre kommen wir wieder in die Peripherie der Stadt, dort auf die Autobahn, die wir bereits nach 15 Kilometern bei Kyvalka wieder verlassen und schliesslich auf eine wenig befahrene Landstrasse (Nr. 23), die uns durch eine schöne hügelige Landschaft und durch Dörfer zur Kleinstadt Trebic (dt. Trebitsch) führt.

Trebic, Marktplatz, Haus Nr. 53
Der Stadtkern entpuppt sich als ein langgestreckter Platz mit schönen kleinen Häusern, die dicht aneinander gebaut sind. Blickfang und Hauptattraktion ist die Basilika, die neben dem Renaissanceschloss und etwas abseits des Platzes über dem Flüsschen Jihlavka steht. Wir parkieren vor dem schönsten Haus des Platzes, dem 'Haus Nr. 53'. Es gehörte einem italienischen Kaufmann und hat eine herrlich verzierte Renaissancefassade. Trebic war recht wohlhabend, wie man sehen kann, es hatte eine der grössten jüdischen Gemeinden Mährens vor 1945, zwei Synagogen künden hiervon, eine wird heute als Kirche genutzt, die Andere wird restauriert.
Da wir heute noch nicht so richtig gegessen haben, kehren wir ins Nachbarhaus ein und bestellen eine Leberknödelsuppe. Immerhin sind wir in Mähren und Knödel gehören hierher, das ist sonnenklar. So klar ist dann die Suppe leider auch, dünn und wässerig, fade und fett. Bis heute weiss ich nicht, war sie von Maggi oder Knorr oder sonstvonwem. Wenigstens wärmt das Gebräu.
Neben uns sitzt eine Gruppe hübsch zurechtgemachter und nett anzuschauender Teenies, die sich genötigt sehen auf uns 'harte Motorradjungens' einen besonders lässigen Eindruck machen zu müssen, was leicht gekünstelt wirkt. Aufreizend geschwenkte Hinterteile, verstohlene Blicke, Getuschel und Gekicher. Ich verstecke mich hinter meiner Sonnenbrille und muss fortwährend in mich hineingrinsen, es ist halt so schön, so jung zu sein...
Als wir das Etablissement verlassen werden wir weiter cool beäugt und ich mache genau den Fehler, den es zu vermeiden galt, der aber für einen äusserst männlichen Abgang sorgt: Ich gebe Gas und schiesse mit heulendem Motor über den Platz davon. Tja, wenn der Gockel mit einem durchgeht...
Erneut geht es an Wiesen und Feldern vorbei die 23 Richtung Westen. Nette kleine Dörfer und Waldstücke unterbrechen die weitläufige Hügellandschaft Südmährens. Es ist bereits Abend und die Wolken haben uns wieder. Am Horizont im Westen zeigt sich ein schön-dramatisches Naturschauspiel aus sich hochtürmenden Kumuluswolken, niedergehenden Regenschleiern und der Sonne, ein Bild wie von Turner. Als der Wegweiser noch 5 Kilometer bis Telc anzeigt, beginnt es leicht zu regnen und wir beschleunigen, um noch einigermassen trocken anzukommen, was auch gelingt. An der einzigen Tankstelle des Ortes fragen wir wieder einmal nach dem Weg zur Unterkunft und ein kleiner Bub mit Fahrrad bietet sich als Lotse an. So fuhr an jenem denkwürdigen Tag eine merkwürdige Prozession durch Telc: Vorneweg ein Knabe auf dem Fahrrad und hintendrein Motorräder im Kriechgang. Zur Belohnung plündere ich meinen Koffer und er bekommt die letzte grosse Packung Haribo-Goldbären geschenkt über die er sich richtig freut, er winkt uns noch zu und weg ist er. Wir sind ebenfalls froh, endlich am Ziel zu sein und beziehen unser Quartier, zwei Zimmer in einer Privatunterkunft, sauber, einfach aber unschlagbar günstig. Nach einer Dusche schlendern wir durch ein gut erhaltenes schönes Stadttor in die Altstadt hinein. Um die Stadt liegt ein wunderbarer, stiller See in der Abenddämmerung und über ihm steigen zwei Regenbogen auf, ein zauberhaftes Bild. Es hat aufgehört zu regnen und es herrscht eine eigenartige, ruhige Stimmung, vielleicht liegt es auch am fehlenden Publikumsverkehr, es ist ziemlich leer. Als wir um die Ecke in den Marktplatz einbiegen, verschlägt es mir die Sprache.

Telc, Stadtrand mit See

Turm mit Stadttor

Telc, Marktplatz...

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Idyllisch gelegene böhmische Wirtschaft
Unmittelbar hinter dem Stadttor stehen wir mitten in einem architektonischen Highlight: Der vollständig erhaltene und unglaublich schön restaurierte, von Arkaden gesäumte Marktplatz von Telc im Farbenspiel des Abendlichtes. Man kann sich an den Details gar nicht satt sehen, ein Haus ist schöner als das andere! Ich falle von einer Ohnmacht in die nächste. Nach mehreren Rundgängen und einigen Besichtigungen, gehen wir in eine besonders gemütlich aussehende Gartenwirtschaft direkt an der alten Stadtmauer und bekommen riesige Portionen der wieder gewohnt schmackhaft böhmisch-mährischen Küche kredenzt. Ausserdem müssen wir den berühmten Becherovka Kräuterschnaps - ursprünglich hiess er mal Becher und stammte von einem Karlsbader Apotheker - probieren, dessen Wirkung auf dem sehr spät erfolgten Nachhauseweg deutlich spürbar wird.


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