Zwölfter Tag:

Telc - Jindrichuv Hradec - Trebon - Budweis - Hluboka - Cesky Krumlov

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
185 Km
9 - 19 Uhr

Heute morgen scheint die Sonne von einem herrlich blauen Himmel herunter. Mich lockt der Teltscher Marktplatz immer noch und so packe ich geschwind die Maschine, bezahle bei der freundlichen Wirtin mein Zimmer und fahre auf den grandiosen Platz, der mich gestern so beeindruckt hat. Im strahlenden Sonnenlicht erscheinen die bunten Fassaden noch mal so schön. Nach einem kleinen Spaziergang suche ich ein Café, was sich als schwieriges Unterfangen herausstellt, da alle Lokale noch geschlossen haben. Allerdings beginnt man bereits Stühle und Tische unter die Arkaden zu tragen und nach einer kurzen Wartezeit kann ich einen Espresso mit Aussicht geniessen. Rainer kommt gut gefrühstückt hinzu und nach einer schönen Weile verlassen wir dieses architektonische Kleinod Richtung Westen auf der einzigen grösseren Verbindungsstrasse, der 23. Wir kurven durch die hügelige Landschaft, Wäldchen wechseln sich ab mit weiten Wiesen und Feldern. Im Norden verläuft die Böhmisch-Mährische Höhe (tschechisch Ceskomoravská vrchovina), die die Grenze zwischen Mähren und Böhmen darstellt und über die die Hauptwasserscheide zwischen Elbe und Donau verläuft. Wir sind nun also in Böhmen angekommen. Durch Studena fahren wir durch, vor Kunzak sehen wir erstmals ein grösseres Gewässer als Hinweis der kommenden Seenplatte Südböhmens, in die wir uns hineinbewegen. Der erste Halt des Tages erfolgt in Jindrichuv Hradec (dt. Neuhaus), ein hübsches böhmisches Städtchen, das heute morgen bereits einen quirligen und lebendigen Eindruck macht. Wir unternehmen eine kurze Besichtigung des von alten Bürgerhäusern gesäumten Marktplatzes, laufen hinunter zum See, an dem die Stadt liegt und werfen einen Blick in die bekannte Johanneskirche aus dem 13. Jahrhundert. Aus Zeitgründen können wir leider keinen Schlossbesuch machen.

Jindrichuv Hradec, Dreifaltigkeitssäule, Marktplatz

In der Altstadt
Jindrichuv Hradec ist eine alte Gründung der Wittigonen, jenes Herrschergeschlechts, das im 13. Jahrhundert die Geschicke Böhmens massgeblich bestimmte. Der deutsche Name Neuhaus leitete sich vom lateinischen Novum Castrum ab. So hiess die Stadt zu Römerzeiten und das deutet auf ihre lange Geschichte hin. Wer ein Faible für Historisches hat, ist in diesem Landstrich übrigens bestens aufgehoben, hier kann jeder Ort mit Kultur einer lange zurückliegenden Vergangenheit aufwarten. Und es sind gerade mal 15 Kilometer ins österreichische Waldviertel von hier aus.
Wir besteigen nach dem kurzen Besuch unsere Motorräder und begeben uns erneut auf die Landstrasse. 27 Kilometer und zahlreiche Seen, die links und rechts der Strasse liegen, weiter erreichen wir Trebon, ebenfalls ein bedeutender Ort Südböhmens. Hier ist das Zentrum der tschechischen Fischwirtschaft, zahlreiche Seen werden zur Fischzucht genutzt, um die Produkte anschliessend zu exportieren oder schmackhaft böhmisch zubereitet anzubieten.

Seenlandschaft nördlich von Trebon

Bronzefigur in Trebon
Bis ins Mittelalter reicht diese Tradition zurück und seit 1977 ist die Landschaft um Trebon Teil des UNESCO-Biosphärenschutzes.
Die Strasse ist gut ausgebaut, der Tag herrlich warm und zu flotter Fahrweise animierend, sodass wir einige Kilometer vor der Stadt grosses Glück haben, nicht in eine Radarfalle geraten zu sein, andere haben dieses Glück weniger und müssen sich herauswinken lassen. Sie war wirklich nicht auszumachen, perfekte Tarnung der tschechischen Rennleitung.
Im Gegensatz zu Telc hat Trebon deutlich mehr Touristen. Man erfährt dies sofort nach der Einfahrt in die wunderschöne Altstadt, es wimmelt von Besuchern aller Altersklassen und Kategorien: Mountain-Biker, die sich die herrliche Landschaft erfahren, Rentner aus Deutschland, Holland und den USA, hie und da auch jüngere Leute. Allerdings sind wir die einzigen Biker. Die Stadt macht einen sehr jugendlichen und frischen Eindruck, der Marktplatz ist wunderschön restauriert. Wir parkieren am Rand des Platzes, wie wir es immer machen. Das Auge des Gesetzes in Form eines kurzbehosten Polizisten ist leider wachsam und verweist uns freundlich aber bestimmt des Ortes, sodass wir auf einen offiziellen und bewachten Bezahlparkplatz ausweichen müssen.
Über einen Kanal des Svet (Welt) Sees, der in der Stadt liegt und in dem eine lustige Bronzefigur steht, gehen wir an den Marktplatz zurück. Berühmte Adelsgeschlechter beherrschten Trebon und hinterliessen ihre Kulturschätze: Die Rosenbergs, Schwarmbergs und Schwarzenbergs. Ihnen verdankt die Stadt ihr wunderschönes Schloss, zu dessen Besichtigung wir uns etwas Zeit nehmen.

Der Marktplatz von Trebon

Im Schloss

Alleenstrasse in Südböhmen
Mittlerweile ist es Mittag geworden und uns plagt ein kleiner Hunger. Was liegt näher, als im böhmischen Fischparadies unter sommerlicher Sonne eine schmackhafte Fischsuppe zu verzehren? Gesagt, getan. Nach dem Mahle verlassen wir die Stadt auf kleinen Strässchen in den Norden zum Rozmberksee, der etwas ausserhalb der Stadt liegt. Er ist nach dem allgegenwärtigen südböhmischen Adelsgeschlecht der Rosenbergs benannt und ist im 16. Jahrhundert durch den berühmten Deichbauer Jakub Krcin angelegt worden. 750000 Kubikmeter Erde wurden damals aufgeschüttet, für das 16. Jahrhundert eine gewaltige Leistung.
Entlang der Gewässer führen kleine Alleenstrassen, die abwechselnd recht kurvig und vergnüglich zu fahren sind. Die Hügel senken sich alsbald ins Tal der Moldau hinab, des tschechischen Stromes schlechthin. Wir erreichen leider wieder unter dichten Wolken gegen frühen Nachmittag den verträumten Ort Hluboka nad Vltavou mit dem Schloss Hluboka, ein Stammschloss derer von Schwarzenberg, das etwa 6 Kilometer nördlich von Budweis entfernt liegt.
Am Fusse eines Hügels liegt die Ortschaft, darüber erhebt sich auf dem Berg das Schloss. Es hat eine lange Geschichte und wurde zuletzt im 19. Jahrhundert von den letzten Besitzern, den Schwarzenbergs, im Tudorstil umgebaut, man meint wirklich, in einem englischen Schloss zu sein und unverkennbar ist Windsor das Vorbild. Um hinein zu gelangen muss man zunächst einige Meter den Berg hinauf gehen. Wir parken am Aufgang zum Hügel und laufen das kurze letzte Stück. Oben empfängt uns ein prächtiger englischer Park. Der Eingang zum Schloss ist verziert mit allerlei Jagdtrophäen, die sich auch in grosser Zahl im Schloss selbst finden. Die früheren Besitzer - das Schloss wurde 1948 enteignet - müssen berüchtigte Jäger und Sammler gewesen sein. Mir gefällt sowas ja nicht besonders, trotzdem ist es recht imposant. Inschriften auf deutsch an den Mauern des Innenhofes verweisen auf die weiteren Besitzungen der Adelsfamilie in Krumau etc.

Schloss Hluboka

Der Marktplatz von Budweis
Auf unserer Tour haben wir unzählige alte Gemäuer besichtigt, dieses Schloss soll nun unsere letzte Begehung werden. An der Kasse melden wir uns zur deutschen Führung an, die wenig später von einer sehr jungen Lady angeführt wird. Sie erzählt die Geschichte des Schlosses eher gelangweilt und ich fühle mich nach kurzer Zeit ebenfalls etwas müde und ausgelaugt. Die Inneneinrichtung des Hauses ist mit dunklen Holztafeln, die sicher sehr kostbar sind und anderen, nicht weniger teuren Gegenständen, Gemälden, Tapisserien etc. ausgestattet. Sehr düster wirkt das alles. Ich werde daher nicht unbedingt wacher. Einzig die Bibliothek mit ihren zahlreichen Büchern kann mich vorübergehend etwas munterer machen. Wir entziffern noch einige deutsche Lebensweisheiten, mit denen die Wände verziert sind und sind froh, als wir endlich wieder draussen sind. Unterhalb des Schlosses genehmigen wir uns in einem kleinen Restaurant einen Imbiss.

Krumau an der Moldau, rechts das Schloss
Es ist mit Abstand das Schlechteste ist, was wir auf der gesamten Tour vorgesetzt bekamen, richtiger Nepp.
Erst der Fahrtwind auf der kurzen Strecke nach Budweis an der Moldau belebt mich wieder etwas. Die Innenstadt besichtigen wir im Schnelldurchlauf, Budweis hat einen hübschen Marktplatz, der immerhin der Grösste des Landes und streng viereckig geschnitten ist. Daneben ist der Schwarze Turm ein imposantes Bauwerk. Unmittelbar abseits des Platzes macht die Stadt allerdings nicht besonders viel her und da wir noch etwas fahren wollen, entschliessen wir uns zur Weiterfahrt ohne eine weitere Pause. Das berühmte Budweiser Bier wird man wohl auch ausserhalb der Stadt bekommen.
Über die 3 verlassen wir Budweis in südlicher Richtung. Die hässlichen Vororte passieren wir im Feierabendverkehr, bevor es auf der 39 wieder etwas ruhiger wird.
Die Landschaft wird von waldigen Hügeln dominiert, die rechts der Strasse zum Blansky Wald, einem Naturschutzgebiet gehören. Wenig Kurven vor und viele Wolken über uns, so bewältigen wir die 24 Kilometer zu unserem heutigen Tagesziel, Cesky Krumlov oder Krumau zu deutsch, der mittelalterlichen Perle an der jungen Moldau. Auf der Suche nach einem Quartier umrunden wir die autofreie Altstadt mehrfach und bekommen von den Hügeln herab einen beeindruckenden Vorgeschmack von der Schönheit des Ortes, der an einem Mäander des Flusses unterhalb einer gewaltigen Burg- und Schlossanlage liegt. Da wir weder einen Parkplatz noch eine Unterkunft finden, kurven wir aus der Stadt Richtung Lipno-See wieder hinaus. Schon nach wenigen Kilometern sehen wir einen alten Gutshof, der zu einer Pension umgebaut wurde und bekommen tatsächlich die letzten zwei Zimmer.

Bemaltes Stadttor
Der Chef des Anwesens spricht perfekt deutsch und erzählt uns sogleich die Geschichte des Hauses und wie schwierig es ist, Touristen ins Land zu bekommen, da die Unterkünfte hier für deutsche Reisebüros nicht den gewünschten Standard hätten. So komme kein Geld ins Land und deswegen könne man sich auch Investitionen zur Hebung des Standards nicht leisten, der Standard bliebe unverändert undsoweiter. Ich bin recht zufrieden mit meinem einfachen Zimmer und nach einer warmen Dusche besteigen wir die Bikes und fahren zurück nach Krumau zu einer fantastischen Stadtbesichtigung. Erhaltenes Mittelalter, wohin das Auge blickt und über allem thront die gewaltige Schlossanlage der Schwarzenbergs.
Unterhalb dieser parken wir und betreten die Altstadt durch das überbaute Stadttor. Meine Herrn, ich bin beeindruckt! Ausser uns sind zahlreiche Touristen aus aller Welt zu Gange. Auffällig ist, dass es sich zumeist um sehr junge Leute handelt, wir sehen viele Rucksackträger, die sich hier am Flair des Ortes ergötzen. In den Gassen der Altstadt, die man über eine schöne Holzbrücke erreicht, haben sich Kunsthandwerker aufgebaut, die ihre Kunst öffentlich zelebrieren. Auf der Moldau sieht man viele Kanuten fahren, die allerdings am zentralen Wehr vom schäumenden Wasser regelmässig aus ihren Booten ins kalte Nass expediert werden, sehr zum Vergnügen einer nicht unbeträchtlichen Zuschauermenge, die jeden unfreiwilligen Ausstieg mit grossem Beifall quittiert.

Gang durch die überbaute 'Stadtmauer'...

...vorbei an einem 'Freiluftschmied'...
Wir lassen uns durch die Gassen treiben, blicken in kleine Lädchen hinein, die alle möglichen Gegenstände feilbieten und geniessen den Abend. Ein ums andre Mal muss ich verzückt ein Foto von den windschiefen oder wunderbar geschmückten und bemalten Fassaden machen.
Nachdem wir das Renaissancerathaus und den Marktplatz passiert haben, erklimmen wir den der Burg gegenüberliegenden Berg mit der Jesuitenresidenz, verweilen etwas und blicken auf die Burg. Der Abendhimmel ist etwas freundlicher geworden und es herrscht eine friedliche sommerliche Stimmung. An der Moldau trinken wir noch eine Cola, bevor wir den Rundgang beschliessen und die Stadt durch das alte Budweiser Tor wieder verlassen.

Das Schloss von der Moldau gesehen

Bemalte Fassade in der Altstadt

In den Gassen von Krumau

Mehrere Moldauarme durchziehen die Stadt
Unser Wirt lässt uns in seinem abschliessbaren Garten parken. Das sei besser so, denn vor wenigen Tagen seien am Lipno-See einige Bikes und Autos geklaut worden. Wir bedanken uns artig und bestellen auf der Terrasse des Restaurants zum letzten Mal ein deftiges böhmisches Abendessen.


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