Dreizehnter Tag:

Krumau - Klet - Lipno-See - Prachnitz - Regensburg

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
345 Km
9 - 18 Uhr

Das Wetter scheint sich erneut unsicher zu sein, ob es nun endlich dauerhaft schön wird oder weiterhin mit Regenwolken einen unbestimmten Mix bieten will. V.a. im Osten ist es dicht bewölkt, gegen Westen ist es aber klarer und nur wenige Wolken kündigen evtl. Regen an. Allerdings ist es genau das Bild der letzten Tage, eine stabile Hochdruckzone hat Tschechien bisher entgegen der Vorhersage nicht erreicht. Wir sind guter Hoffnung, dass wir heute trotzdem trocken bleiben. Im Garten unserer Pension frühstücken wir gemütlich, holen die Bikes aus ihrem sicheren Unterstand und machen uns ohne Hektik auf den Weg zurück nach Krumau. Unser Ziel sind die kleinen Strässchen des Blansky les, des Blansky Waldes, der sich mit seinen Hügeln aus dem Budweiser Becken nordwestlich von Krumau bis auf 1083m erhebt.
Die gesamte Region ist ein Naturschutzgebiet, das von wenigen kleinen Strassen mit ebensowenig Verkehr durchzogen wird. Es macht wieder richtig Spass die schmalen Kurven zu durchfahren. Hoppla, fast hätte es eine Katastrophe gegeben, zum Glück erkenne ich den Rollsplitt noch rechtzeitig und kann abbremsen. Ab jetzt fahre ich deutlich aufmerksamer und gucke nicht mehr so sehr in der Gegend herum. Diese ist sehr schön, kleine Weiler wie Holubov durchfahren wir und gelangen schliesslich in Krasetin an den Fuss des Klet, der höchsten Erhebung dieses Naturparks. Von dort oben soll man eine gigantische Aussicht haben. Ein Sessellift im Design der Fünfziger Jahre, der nur jede halbe Stunde in Betrieb genommen wird, fährt uns knapp über den Baumwipfeln schwebend lautlos hinauf. Es herrscht kein Gedränge, keine Massen, die sich den Berg hinauf drängen, einige Spaziergänger und Wanderer und wir, das sind die Einzigen Störenfriede dieses beschaulichen Naturparadieses.
Auf dem Gipfel steht ein KuK-Aussichtsturm, der im 19. Jahrhundert von einem Herrn Schöninger erbaute 'Josephs-Thurm', den wir nach einem kleinen Obolus erklimmen können, eine wacklige Holztreppe führt hinauf und wir geniessen den herrlichen Weitblick, der bei klarem Wetter Ausblicke bis zu den Alpen zulässt. Heute ist es leider wieder verhangen, trotzdem bekommen wir einen Eindruck der Landschaft, Cesky Krumlov liegt uns quasi zu Füssen, Budweis sehen wir ebenfalls und der Bayerische Wald grüsst im Westen. Unterhalb des Gipfels steht ein Observatorium, das noch immer in Betrieb ist. Wir setzen uns auf einen grossen Felsen und schauen noch etwas in die Lande.

Sessellift auf den Klet

Strässchen im Blansky Wald

Auf 1083m, der weite Blick ins Land

Der Lipno-Stausee bei Cerna Posumavi
Inzwischen wurde der Sessellift wieder angestellt und wir begeben uns auf den gemächlichen Abstieg. Über kleine Strässchen finden wir zurück auf die 159 und fahren in die Hügel des Sumava, des südlichen Böhmerwaldes hinein. Wenig Verkehr, trotz der Nähe zu Deutschland, eine wunderbare Landschaft und auflockernde Bewölkung heben die Stimmung. Unmittelbar nachdem wir über einen Hügel kommen liegt ein grosser See im Blickfeld: Der Lipno See, ein riesiger Stausee, der 1950-59 erbaut wurde und grösste Süsswasserreserve von Tschechien ist. Er ist 42 Km lang und stellenweise bis zu 16 Km breit. Alle möglichen Freizeitaktivitäten werden angeboten, kleine Bungalows und Campingplätze dominieren das Übernachtungsangebot, es gibt nur wenige Hotels, denn diese grenznahe Touristenregion ist noch wenig entwickelt.
Es sollen 30 Fischarten im See leben, was liegt also näher, als jetzt zur Mittagsstunde ein Päuschen in einem böhmischen Lokal zu machen und einen schönen Fisch zu verdrücken?

Im südlichen Böhmerwald
Direkt am See, unter einem deutschsprachigen Plakat, das für die Skisaison wirbt, finden wir ein nettes Gartenlokal und bestellen unser Mittagessen, man spricht bekanntermassen gut deutsch und so gibt es keine Verständigungsprobleme. Wieder kommt eine riesige Portion, wiederum bezahlen wir einen fast lächerlichen Preis dafür.
Die Weiterfahrt führt uns über schmale Strässchen entlang des Sees und durch schönen Mischwald, über steile Abfahrten und Anstiege bis Prachatice (Prachnitz), das wir bei zwischenzeitlich strahlendem Sommerwetter erreichen. An der alten und gut erhaltenen Stadtmauer schnell geparkt, dann machen wir uns zum letzten Mal in Tschechien zu einem Rundgang durch eine schön restaurierte Altstadt mit prächtigen Fassaden auf, die über und über geschmückt sind mit Malereien und altdeutschen sowie lateinischen Inschriften.
Mich beschleicht ein merkwürdiges Gefühl: Wenige Kilometer von hier ist die deutsche Grenze und wir stehen hier vor den Zeugen der deutschen Vergangenheit des Ortes, die 1945 jäh endete.

Prachnitz, Stadttor

Wunderschöner Marktplatz...
Es ist keine tote Kultur und die Distanz zum betrachteten Objekt fehlt, stelle ich fest. Wie gesagt, nur wenige Kilometer von hier ist diese Kultur heute zu Hause, sie wurde nach der Vertreibung verdrängt und kommt als Erbe langsam ins Bewusstsein der jetzt Ansässigen zurück. Ein beiderseitiges, befremdendes Faktum, das wir immer wieder antrafen und das uns die gesamte Reise über begleitet hat. Bleibt zu hoffen, dass die Völker, die aufgrund ihrer gegenseitigen Unfähigkeit bezüglich Verständnis und Toleranz, eine blutige Spur in der Geschichte hinterlassen haben, diese furchtbaren Ereignisse der Vergangenheit überwinden und eine gemeinsame Zukunft entwickeln, die m.E. nur im Bewusstsein des gemeinsamen kulturellen Erbes möglich sein wird.
Doch genug davon, wir steuern ein Eiscafé an und setzen uns in die Sonne. Der Platz lebt richtig, man sieht allerdings keine Touristen und das wundert mich gehörig, bei dieser schönen Umgebung ganz in Grenznähe.

...mit beeindruckenden Fassadenmalereien

Haus im Böhmerwald nahe der Moldauquelle
Nach einem kleinen Spaziergang kehren wir zu den Bikes zurück und setzen unsere Fahrt fort. Das Wetter ist nun wieder richtig sommerlich heiss und auf der Fahrt über kleine Strässchen zur Grenze treffen wir hie und da auf Motorradkollegen, die den Tag für einen Ausflug aus dem Bayerischen herüber nutzen. Bei Kubova Hut überqueren wir die junge Moldau, die wenige Kilometer von hier aus zwei Quellflüsschen entsteht. Über die breite und verkehrsreiche Strasse Nr. 4 kommt langsam die deutsche Grenze näher. An der letzten Tankstelle in Tschechien lassen wir die Tanks bis zum Anschlag vollaufen, denn der nächste Tankstopp wird wieder deutlich teurer werden und am späten Nachmittag stehen wir an der Grenze und wechseln von Böhmen nach Bayern, vom Böhmerwald in den Bayerischen Wald. Der Beamte auf deutscher Seite hat heute einen guten Tag und winkt uns durch. Nach wenigen Kilometern auf der B14 erreichen wir das hübsche Städtchen Freyung. Von hier aus führt uns die B 533 westwärts entlang der Berge und Hügel des Mittelgebirges unter spätnachmittäglicher Sonne.
In Grafenau erwischt uns nur Dank einer scharfen Bremsung die unter Tarnnetzen versteckete Radarfalle nicht. In diesem Städtchen steht übrigens ein Schnupftabakmuseum, das wohl Einzige seiner Art. Dahinter folgt die sanfte Abfahrt hinunter ins Donautal auf der teilweise recht kurvigen Bundesstrasse. Bei Hengersberg verlassen wir diese, fahren auf die BAB A3 auf und geben Richtung Regensburg noch einmal richtig Gas.

Regensburg an der Donau

Innenstadt

Ich war erstaunt während unserer Fahrt durch die ehemaligen Ostblockländer, wie viel sich seit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems verändert hat, wie viel Wohlstand und neue Infrastruktur sich entwickeln konnte in der kurzen Zeit. Doch wenn man nach Deutschland zurückkehrt, muss man feststellen, dass dieses Land noch immer in einer anderen Liga spielt: Alles wirkt einen Tick gediegener und teurer, der Reichtum ist allenthalben abzulesen.
Und es befällt mich eine gewisse Wehmut, dass diese Tour nun zu Ende geht, nach den vielen Begegnungen mit gastfreundlichen und zuvorkommenden Menschen, nach all den schönen Erlebnissen kann ich mich einer gewissen Traurigkeit nicht erwehren. Andererseits erwartet mich zu Hause die Beste aller besseren Hälften...

Es folgt ein herrlicher Hochsommerabend in Regensburg, der herausgeputzten bayerischen Universitäts-, Residenz- und Bischofsstadt an der Donau. Wir besichtigen die Innenstadt, die voller Leben ist, und fallen nach einem gediegenen bayerischen Essen erschöpft in die Kojen.
Am späten Abend hatte unsere bayrische Wirtin noch versucht, mir, einem Schwaben, die Serviermöglichkeiten von Leberspätzle zu erklären (in Bayern kennt man sie nur als Suppeneinlage) und liess sich auch nicht aus erster Hand über die kulinarischen Variationen und zahlreichen Versionen belehren. Dessen ungeachtet servierte sie uns einen hausgemachten Enzian. Ich lehnte dankend ab, da ich keine rechte Lust auf den scharfen Schnaps verspürte und sie zog von dannen. Ich glaube, ich hatte sie beleidigt, - nein, es war wirklich keine Retourkutsche für die Spätzle, ich schwöre...
Am nächsten Morgen triumphierte sie letztendlich doch, als sie unsere erschreckten Gesichter bei der Präsentation der Hotelrechnung wahrnahm. Diese Preise waren wir einfach nicht mehr gewohnt...


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