Krakau - Zakopane - Poprad - Kezmarok - Stara Lesna
Streckenlänge |
Fahrzeit
|
Landschaft
|
Architektur
/ Kultur
|
283
Km
|
9
- 19 Uhr
|
|
|
Wieder lassen uns die Handwerker etwas länger
schlafen, sodass wir fast verschlafen und daher etwas zügiger frühstücken
müssen, denn heute warten wieder einige Streckenkilometern über
teilweise holprige Landstrassen, die ins Gebirge, genauer ins kleinste Hochgebirge
der Welt, in die Hohe Tatra führen. Nachdem die Koffer gepackt sind,
räumen wir die Wohnung auf und holen die Bikes ab, die die kurze Pause
im heftigen Regen offensichtlich gut überstanden haben. Den Schlüssel
noch hinterlegt, dann sind wir wieder auf der Strasse. Das schlechte Wetter hat sich verzogen, aber ich war gestern noch kurz in einem Internetcafé und wir wissen leider, dass eine grosse Schlechtwetterfront von Südosten im Anmarsch ist. Den nächsten Tagen soll sie dauerhaft regnerisches und kühles Wetter bescheren. Das stimmt nicht unbedingt froh und wir haben uns bereits beim Frühstück Gedanken gemacht, wie wir diesem Ereignis unter Umständen ausweichen können, bisher allerdings ohne konkrete Planungen. Abwarten heisst die Devise, noch ist es schön, von vereinzelten Wolkenfeldern abgesehen. Zakopane ist ein touristisches Zentrum und die Strasse (7), die dorthin führt, ist entsprechend gut, d.h. in unserem Fall bis Myslenice sogar vierspurig ausgebaut. Wir kommen schnell voran, steil geht es zwischendurch auf und ab über die Hügel der Podhale, jenes Gebietes zwischen Beskiden und Hoher Tatra , teilweise ist die Strecke sogar recht kurvig. Wenn nur der Verkehr nicht wäre. Die 7 ist eine der wenigen Verbindungen von Krakau in die Slowakei, deswegen sind viele Lkw unterwegs, die wir aber zügig überholen können. |
Myslenice passieren wir ohne Halt
und fahren auf der schönen, jetzt einspurigen Strecke weiter Richtung
Gebirge. Eine Menge polnischer Urlauber tut dasselbe, der Verkehr bleibt
recht lebhaft. Die Strassenführung verläuft eine Zeit lang über
einen Hügelkamm mit schöner und weiter Aussicht ins Vorgebirgsland,
das von saftigen Wiesen und schön gewellten Hügeln beherrscht
ist. Die Stadt Rabka-Zdroj umfahren wir ebenfalls ohne Halt, dort zweigt
zumindest der Schwerlastverkehr Richtung Slowakei ab, ohne dass allerdings
der sonstige Verkehr nennenswert abnimmt und gelangen über die 47
bis vor Zakopane. Aus der kurvigen Landstrasse ist jetzt eine mehr oder
weniger lange Gerade geworden, die sich bis Zakopane erstreckt. Links
und rechts Bäume, Felder und Wiesen und wir freuen uns unter zunehmend
dichteren Wolken im warmen und noch trockenen Wetter auf die Hohe Tatra.
Zu sehen ist bis jetzt nicht viel von ihr, Schuld hat die dichte Bewölkung,
die von Süden aufzieht.
|
Die Hügellandschaft der Podhale... |
...bis Zakopane |
Typisches Haus im Zakopane-Stil |
Gebirge in den Wolken: Die Hohe Tatra |
Einige Kilometer vor Zakopane sorgt
das Verkehrsaufkommen für einen langen Stau. Die Polen sind jedoch
artige Zeitgenossen und machen mit ihren Pkw Platz, sodass wir bequem
zwischen den Kolonnen hindurchfahren und uns nach Zakopane hineinschlängeln
können. Zuerst ist es trotz vorhandener Schilder etwas schwierig
ins Zentrum zu gelangen, da sich viel Volk im Ort tummelt und weiterhin
touristische Massen die Strassen verstopfen, schliesslich finden wir uns
zurecht und landen am Ziel. Der Ort, der seit Jahrzehnten ein Zentrum
des alpinen Sports, Sommers wie Winters ist, liegt langgestreckt im Grünen
unter Bäumen bis ins Gebirge hinauf, das hier steil und ohne Vorberge
aufragt. Auffällig sind die Kohorten von Zimmeranbietern, die ihre
Schilder am Strassenrand aufgestellt haben und auf Gäste warten.
Es ist sicherlich überhaupt kein Problem, hier ein günstiges
Quartier zu finden, wenn man ohne ein vorgebuchtes solches in Zakopane
auftaucht.
|
Wir sind im kleinsten Hochgebirge der Welt angekommen, zu unserer Enttäuschung sind die Berge leider nur unvollständig zu sehen, die tiefhängenden Wolken behindern weiterhin die Aussicht. Wie eine unbezwingbare Festungsmauer riegelt die Hohe Tatra das Land nach Süden ab. Der Hausberg von Zakopane, der Rysy, ist mit 2499m der höchste Gipfel Polens, nur Lomnica (2632m) und Gerlach (2655m) in der Slowakei sind noch höher. Nach einer kleinen Rundtour ist es Zeit für das Mittagessen und wir steuern ein kleines polnisches Terrassenlokal an. Man spricht kein deutsch, aber so viel englisch, um in Erfahrungen zu bringen, dass es zu Mittag nur ein Speise, eine Suppe gibt - und wie könnte es auch anders sein, eine Sauerkrautsuppe! Die mundet ausgezeichnet. Während wir essen fallen die Wolken regelrecht über die Berge herunter und ich besteige sicherheitshalber meinen Regenkombi. Wenn nur diese Gummizüge nicht wären, die es fast unmöglich machen, unfallfrei in das Teil einzusteigen! Aber immerhin dicht war er. |
Nördlich von Zakopane in der Hohen Tatra |
Ein Vater nähert sich mit seinem Sohne, ich
tanze auf einem Bein und schaffe es schliesslich in die Regenverkleidung
hinein, als Vater und Sohn stehen bleiben und auf polnisch miteinander
parlieren, was in dieser Gegend nicht verwundert. Der Sohnemann zeigt
mit dem Finger auf mein Topcase, auf dem ein D-Schild prangt und fragt
den Vater offensichtlich nach der Bedeutung dieses Zeichens. Dieser verharrt
einen Moment schweigend um seinen Spross dann laut und bestimmt aufzuklären:
'...D....Danmark!' sagt er. 'Aah, D...Danmark' wiederholt der Kleine und
zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Konversation trollen sie sich. Wir sind
also Dänen. Warum nicht? Nur dänisch können diese Dänen
nicht, eine nette Episode, ich muss schmunzeln.
|
Die Route ist eine Nebenstrecke zur Hauptstrasse 961, die zur slowakischen Grenze in die Zips verläuft. Kaum befahren, kurvig und steil den Berg hinauf ansteigend. Allerdings hat der Belag auch polnische Nebenstreckenqualität, Löcher, Risse und Bitumenschmierereien. Trotzdem geniessen wir die Auffahrt durch den herrlichen Bergwald. Nach etlichen Kilometern befinden wir uns auf einer Hangtraverse und kurze Zeit später auf der Hauptstrasse 960, auf die wir unmittelbar vor der polnisch-slowakischen Grenze treffen. Es sind nur noch wenige Kurven und Serpentinen den Berg hinunter und erneut stehen wir in einem Stau. Na sowas, denke ich, das ist ja wie in alten Zeiten, was ist denn seit dem EU-Beitritt passiert? Dann stellt sich heraus, dass auf polnischer Seite wohl eine Veranstaltung an der Grenze stattfindet, ein Polizist kommt auf uns zu und fragt, ob wir in die Slowakei wollen und schickt uns am Stau vorbei. Die Grenze bei Tatranska Javorina ist ein kleiner Posten. Die Grenzer sind dafür um so wichtiger. |
Auf Nebenstrassen zur Grenze |
Hohe Tatra, in der Zips, Slowakei |
Ich muss den Helm abnehmen, damit
der Beamte mein Gesicht genau studieren und meine Identität mit der
des Passbildes vergleichen kann. Er muss viel Phantasie haben, denn das
Bild ist uralt. Aber er nickt, also bin ich's wohl und darf einreisen.
Eine schöne Strecke erwartet uns, die Strassen sind in der armen
Slowakei gleich um einige Klassen besser, als in Polen. Sanft schwingen
sich die Kurven durchs Gebirge, es duftet nach Harz - und es beginnt zu
tröpfeln. War wohl richtig, die Idee mit dem Regenzeug, allerdings
hört es ein paar Meter weiter bereits wieder auf. Unterhalb einiger
schöner Serpentinen treffen wir auf das erste Dorf und halten an.
Mitten im Nationalpark Hohe Tatra klärt uns ein Schild am Strassenrand
über die Dimensionen dieses Schutzgebietes auf und als wir eben wieder
aufsteigen wollen, kommt ein von der harten Arbeit eines Bergbauern gebeugtes
Männlein zu uns und redet uns sogleich in fehlerfreiem Deutsch an,
das Übliche, woher wir kommen und wohin wir wollen etc.
|
Wir sind überrascht, aber der Mann klärt uns auf, dass hier in der Zips alle früher deutsch als zweite Muttersprache gelernt hätten, die Gegend sei schliesslich mal Teil der Donaumonarchie gewesen. Wir plaudern etwas mit ihm und versuchen, ihm seine über Jahrzehnte angeeigneten Wettererfahrungen in dieser Region zu entlocken und eine Prognose für die kommenden Tage zu erhalten, sozusagen aus erster Hand. Insgeheim hoffe ich, dass er der Ankündigung der grossen Schlechtwetterfront der offiziellen Meteorologie widerspricht. Nu, sagt er, es wird mal so und mal so sein, morgens schön und nachmittags bewölkt, aber wenig Regen. Wie wir es gerade erleben sei das Wetter oft hier, ergänzt er. Das beruhigt mich etwas und wir verabschieden uns und brechen auf Richtung Tatranska Kotlina. Die 67 ist breit, der Belag erneuert und so können wir etwas schneller fahren. Sie führt in einem Bogen um die östlichen Ausläufer der Hohen Tatra herum. Hinter Tatranska Kotlina biegen wir rechts ab nach Westen und gelangen auf der 537 wieder ins Gebirge, oder sagen wir besser an den südlichen Fuss der Hohen Tatra. Dort entlang verläuft diese Strasse nämlich, sie trägt den Beinamen 'Strasse der Freiheit' . Die Orte wie Tatranska Kotlina oder Tatranska Lomnica hier auf slowakischer Seite sind alle sehr touristisch, man sieht viele Hotels und auch hier eine grosse Anzahl von Leuten, die an der Strasse mit Schildern Zimmer vermieten, viele Schilder sind auf deutsch das ist anders als in Polen. |
Die 'Strasse der Freiheit' am Fusse der Hohen Tatra |
Der Blick bei Stara Lesna auf das Gebirge in Wolken |
Nach der Durchfahrt durch Tatranska Lomnica folgen wir der Beschilderung Richtung Stary Smokovec, dem Hauptort der slowakischen Tatra, das direkt am Fusse des Gebirgsmassivs liegt und wie der Ort Tatranska Lomnica am Fusse des Lomnica (2632m) angenehm in die Landschaft integriert wirkt. Man hat keine all zu grosse Bausünden begangen und die hohen Bäume verdecken was unschön. Neben der Strasse verlaufen die Bahngleise der Tatrabahn, einer Meterspurbahn, die die Orte hier untereinander verbindet, mit sehr modernen Zügen übrigens. Zwischen Stary Smokovec und Tatranska Lomnica sehen wir ein Schild: Stara Lesna, unser heutiges Ziel wird da signalisiert. Also biegen wir ab und nach einer schönen kurvigen Fahrt durch den Wald, vorbei an einem grösseren Campingplatz, stehen wir in dem kleinen Dorf, in dem wir unser Quartier reserviert hatten. |
Poprad |
Das stellt sich als eine sehr moderne
Pension heraus, die ebenso angenehme Zimmer hat, wir hatten ein Appartement
mit zwei Schlafzimmern bestellt, welches wir nun beziehen.
Der Tag ist noch jung und abseits des Gebirges ist das Wetter trocken und sehr warm, die Sonne hat sich wieder durchgekämpft, sodass wir noch einen Ausflug in die Zips, dem Land der Zipser Sachsen, die bis zu ihrer Vertreibung hier ansässig waren, unternehmen. Poprad (Deutschendorf) liegt nur ungefähr 12 Kilometer entfernt, dahin fahren wir zunächst. Es wird in einen älteren und einen neuen Teil untergliedert wovon der Ältere bezüglich Bausubstanz und Geschichte eindeutig der von mir Favorisierte ist. Wir gelangen über ein kleines Strässchen von Stara Lesna dorthin. Verschlafenes Dorf, denke ich, eine kümmerliche Eisdiele mit ein paar Stühlen davor, die alle belegt sind. Aber schöne Fassaden, frisch restauriert, glänzen in der Sonne. Auf einem grossen Dorfplatz und unter hohen Bäumen neben einem KuK-Denkmal setzen wir uns eine kurze Zeit in die Sonne und geniessen den beschaulichen Ort mit seiner ruhigen Atmosphäre. So ganz anders, als die quirligen Touristenzentren, richtig ausgestorben wirkt das Nest. Nach der kleinen Pause, in der Rainer noch ein Eis verdrückt hat, nehmen wir den Weg ins moderne Poprad, das etwas abseits liegt. In der Fussgängerzone bemerken wir ebenfalls eine gewisse Leere, alle Geschäfte haben geschlossen. Richtig, heute ist Sonntag, das haben wir ganz vergessen. Man verliert sein Zeitgefühl auf so einer Reise. Geldautomaten haben jedoch immer offen und wir versorgen uns mit ein paar slowakischen Kronen. |
Poprad |
Das Rathaus in Kezmarok, ehem. Käsmark |
Nachdem die Innenstadt von Poprad nicht viel hergibt, lenken wir unsere Bikes wieder hinaus Richtung Kezmarok, dem früheren Käsmark, das ein Hauptort der Zips war. Eine lange gerade Strasse verbindet Poprad mit Kezmarok, wir fahren daher etwas schneller, es ist schliesslich Sonntag, da werden keine Radarfallen aufgebaut sein. Die Strecke passt sich dem leicht gewellten Gelände bestens an, wir passieren einige Dörfer und links von uns steht das Gebirge, dessen Gipfel zeitweise durch die Wolken hervorlugen. Unbehelligt von den Herren der Rennleitung erreichen wir nach 15 Kilometern das kleine schmucke Städtchen. Ein schöner Marktplatz mit seinem bekannten und markanten südländischen Rathaus empfängt uns. Ebenso ein schönes Eiscafé mit deutscher Karte und Selbstbedienung. Selbst junge Leute sprechen hier mehr deutsch als englisch, was uns natürlich entgegenkommt. |
Café am Marktplatz |
Burganlage in Käsmark |
Wir schlendern die Hauptstrasse entlang zur Burg.
Auf dem Weg begegnet uns erstmalig eine Kultur, die ihre grossen Probleme
mit der Einheimischen hat und umgekehrt, die seit Jahrhunderten ihre angestammten
Gesetze und Rituale, ihr eigenes Recht und ihre Lebensart pflegt und nicht
gewillt ist, sich in die Gesellschaft der Slowaken zu integrieren, wir treffen
auf Roma. Sie leben oftmals in verfallenen Hütten, die in ebensolchen
Dörfern stehen, meist ohne Strom und fliessend Wasser. In unserem Falle
haben sich einige Familien in Käsmark niedergelassen oder wurden hier
angesiedelt. Schon zu sozialistischen Zeiten versuchte der Staat mit Zwangsmassnahmen
vergeblich, diese Bevölkerungsgruppe, die hauptsächlich in der
Ostslowakei zu Hause ist, ansässig zu machen. Hübsche Kinder,
schöne Mädchen und Frauen sind sie, die wir da sehen und die farbigen
Gewänder unterstreichen die Anmut der Trägerinnen. Später
werden wir dann noch öfter auf richtige Elendsbeispiele stossen. Die
Roma sind die eigentlichen Verlierer der Marktwirtschaft, ohne Beruf, ohne
Schulbildung im herkömmlichen Sinne, ist die Arbeitslosigkeit und die
Armut programmiert. Einzig mit ihrer Kunst, mit ihren handwerklichen Fertigkeiten
der Stoffweberei und Korbflechterei, mit der Musik und dem Tanz, wo sie
geradezu geniale Meister haben, können sie unter dem Druck des globalisierten
Kapitalismus nur schwerlich überleben. In die Burg, die Teil der ehemaligen Stadtmauer und befestigte ungarische Grenzfestung aus KuK-Zeiten war, können wir noch einen Blick werfen, dann wird geschlossen. Es ist wieder Abend geworden. In die untergehende Sonne hinein fahren wir zurück ins Quartier. Im benachbarten Restaurant werden wir sehr zuvorkommend von einem perfekt deutsch sprechenden Ungarn betreut, der uns lokale Spezialitäten empfiehlt, die sehr lecker sind. An den Preisen merken wir, dass dieses Land noch arm ist. Weil wir es nicht glauben mögen, erkundigen wir uns sicherheitshalber nochmals nach dem aktuellen Wechselkurs, aber der Betrag, den wir gerechnet haben, stimmt. Es ist schon beinahe beschämend, wie wenig wir für die üppige Zeche berappen müssen. Für unser Appartement gilt übrigens das Gleiche. |