Siebter Tag:

Krakau

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Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
     

Ohne Zeitdruck werden wir heute den Tag in der Stadt verbringen. Zuerst wird kräftig ausgeschlafen, die Strecke sitzt uns doch schon etwas in den Knochen und die Allerwertesten sind etwas durchgesessen vom vielen Fahren.
Wir hatten ja bereits gestern alles fürs Frühstück eingekauft und sitzen heute morgen entspannt um den Kaffeetisch in unserer hübschen kleinen Wohnung. Keine Hotelatmosphäre, nicht das ewig gleiche morgendliche Gehetze, stressfrei den Tag begehen ist das Motto.
Die Motorräder lassen wir stehen, wir brauchen nicht einen Meter zu fahren, da alle Highlights dieser schönen Stadt vor der Haustüre liegen. Den Besuch in Auschwitz gestern habe ich noch lange nicht verarbeitet und heute wollen wir ins jüdische Viertel gehen, mir ist schon wieder komisch zumute, wenn ich daran denke.
In Polen arbeitet man bis in den späten Abend, morgens dagegen scheinen sie dafür später anzufangen: Unsere Handwerker im Haus legen gerade los, als wir die Treppen nach unten zum Ausgang gehen, so bleiben wir unbehelligt.
Das erste Ziel, das wir uns ausgeguckt haben ist der Wawel, jene Burg, die einem Nationalheiligtum gleichkommt und zu der jeder 'echte' Pole einmal in seinem Leben gepilgert sein muss, um ein 'echter' Pole zu sein. Von unserem Quartier sind es gerade mal zehn Minuten, dann stehen wir am Aufgang zur Burg, die sich majestätisch auf einem Berg über die Stadt erhebt. In der Nacht hat es zugezogen und auch etwas geregnet, was nicht weiter störend ist, zur Zeit bleibt es trotz dichter Bewölkung trocken. Ausserdem haben wir uns mit Rainers Knirps bewaffnet, meiner liegt zu Hause, und sind für alle Eventualitäten gewappnet. Denken wir.

Ein kleiner Park neben unserem Quartier

Der Wawel, die imposante Krakauer Burg am Ufer der Weichsel

Im Innenbereich der weitläufigen Anlage

Die Kathedrale auf der Burg
An der Kasse, an der man seinen Obolus für die verschiedenen Ausstellungen bezahlen muss, stehen schon eine Menge Leute. Man lässt hier nur ein bestimmtes Kontingent hinein, der Besuch der Ausstellungen ist auch an bestimmte Zeiten gebunden, das verhindert ein Überquellen der Burganlage, was sehr zu begrüssen ist. Wir kommen noch mit der nächsten Fuhre hinein und begeben uns zu den angegebenen Räumen. Die Ausstellungen der Herrschaftsräume und der Schatz- und Waffenkammer im eigentlichen Königschloss haben wir uns ausgesucht. Die Burg hat, wie es sich von aussen erahnen liess, gigantische Ausmasse: Auf unserem Weg passieren wir das Denkmal eines Nationalhelden, Tadeusz Kosciuszko, der mit seinem Bauernheer 1794 vergeblich die Teilung Polens zu verhindern suchte.
Die Ausstellungen selbst werden zu einem Spaziergang durch die europäische Kultur, herrliche Skulpturen, Bilder und Teppiche aus Flandern, aus Italien, Frankreich und Deutschland demonstrieren die europäische Kunstentwicklung durch die Jahrhunderte. Grosse Meister sind zu bewundern, eine Pracht ohnegleichen. Hier wohnten die Könige Polens. In der Schatz- und Waffenkammer sieht man wunderschöne Exponate seit der Zeit des Deutschritterordens, kostbare Gefässe aus Königsberg und vieles mehr. Leider ist fotografieren streng untersagt.

Der Wawel

Auf einem Plateau am Ufer der Weichsel steht Polens berühmteste Burg. Ein steiler Anstieg führt an der Kathedrale vorbei in den weitläufigen Burghof. Das Herzstück des Wawel ist das Königschloss. Im 11. Jahrhundert hatte Boleslaw I. seine Königsresidenz bauen lassen. Sie durchlief den architektonischen Umbau über die Gotik (Kazimierz III.) zur Renaissance (Zygmunt I.). Der Innenhof ist von schönen Arkaden gesäumt, die Fassaden sind mit Fresken geschmückt. Ein Besuch der Innenräume ist ein Gang durch die Geschichte Polens. Die Schatzkammer birgt die erhaltenen Insignien wie das Krönungsschwert und viele Goldobjekte aus Europa, v.a. Deutschland. In der Waffenkammer findet sich eine Sammlung aus 1000 Hieb- und Stichwaffen, Henkerbeile, Schilde, aber auch Musketen, Gewehre und Kanonen. In den Herrschaftsräumen stehen italienische Möbel, Meissner Figuren, hängen Gemälde europäischer Meister und sage und schreibe 136 grosse Wandteppiche aus Arras und Brüssel. Der schönste Raum des Schlosses ist der prächtige Audienzraum, in dem die Gesandten Europas empfangen wurden. Man versuchte, sie mit Prunk zu beeindrucken, was offensichtlich gelungen sein muss. Die Bemalungen stammen von Hans Dürer, einem Bruder Albrecht Dürers.
Die gotische Kathedrale auf dem Wawel beherbergt neben der Sigismundkapelle von Berecci Gräber berühmter Polen wie Marschall Pilsudski und Könige Polens. Veit Stoss, der berühmte nürnberger Bildhauer, meisselte hier einen Sarkophag.
Ein Gang auf den Sigismundturm eröffnet den Blick über die ganze Stadt, hier oben hängt Polens grösste Glocke, die aus Nürnberg stammt und deren Berührung Glück bringen soll. Ihr Klang soll 50 Kilometer weit zu hören sein, sie wiegt 11 Tonnen.


Blick vom Sigismundturm auf die Stadt

Die grösste Glocke Polens stammt aus Nürnberg
Nach den Prachträumen besichtigen wir die Kathedrale und steigen auf den Sigismundturm, der einen schönen Ausblick über die ganze Stadt bietet. Die Glocke des nürnberger Meisters, die hier oben hängt ist wahrlich imposant.
Wir nehmen diese Eindrücke mit und verlassen die Burg, die an der Altstadt liegt, um uns ins Gewühl zu stürzen. Die Stadt wirkt äusserst lebendig, man sieht sehr viele junge Leute, kein Wunder, Krakau ist auch eine alte Universitätsstadt, die Hochschule wurde bereits 1364 gegründet.
Unser Gang führt den Königsweg entlang durch die Stadt, über die Kanonicza Richtung Marktplatz, es soll die schönste Strasse Krakaus sein. Schön restaurierte und gut erhaltene Häuser stehen links und rechts, farbige Renaissancefassaden. Am Collegium juridicum, der Peter-und-Paul-Kirche sowie der prächtigen Barockkirche St. Andreas schlendern wir gemächlich vorbei, allerdings nicht ohne in die Kirchen zu blicken: Üppige Malereien, u.a. von Dankwart, eine grandiose Orgel und weitere Kostbarkeiten bekommen wir zu Gesicht. Auffällig ist dem Besucher sofort, dass die Kirchen in Polen keine musealen Schaustücke sind, sondern Orte des Gebetes, Orte gelebter tiefer Religiosität, die dieses Volk auszeichnet. Nie vorher habe ich so viele junge Menschen in den Bänken knien oder vor dem Beichtstuhl warten sehen.
Trotz der dichter werdenden Wolkendecke bleibt es warm und unser Rundgang ein Vergnügen. Man sieht allerlei tanzende Gruppen, Kleinkunst, viele kleine Läden und Stände, quirliges Leben allenthalben.

Krakau....

Kleinkunst,...

...Spezialrikscha und gotischer Rathausturm
Besonders gefällt mir, dass die Innenstadt für den Verkehr gesperrt ist. Nur Pferdekutschen und Elektromobile dürfen fahren. Letztere kann man sich mieten und die Stadt lautlos erkunden. Wir lassen uns treiben und gelangen auf den grossen Platz, stehen vor den berühmten Tuchhallen, in denen heute eine Menge Souvenirshops sind, die viel Publikum anlocken und beschliessen uns das Treiben von einem Bistrosessel aus zu Gemüte zu führen und etwas zu trinken. Über uns fängt plötzlich eine sauber geblasene Trompete an ein Lied zu intonieren. Mittendrin bricht der Bläser ab, es ist wieder still. Das war der Trompeter, der zum Gedenken an den Hunnensturm auf Europa hier stündlich sein Stück vom hohen Turm der Marienkirche bläst. Damals waren die Hunnen auf die Stadt vorgerückt und der Trompeter blies Alarm. Er wurde jedoch von einem hunnischen Pfeil durchbohrt und sank sterbend zu Boden, sein Signal blieb unvollendet. Dies wird nachgestellt indem die Hejnal-Melodie stündlich geblasen wird.
Nach der kleinen Pause gehen wir in diese wunderschöne Kirche. Sie hat zwei unterschiedlich hohe Türme, einer mit Golddach und es gibt mehrere Erklärungsversionen, warum das so ist, Legenden ranken sich um dieses Bauwerk. Innen finden wir wieder viele betende Menschen vor, ich fühle mich irgendwie als Störenfried, wie ich so als Tourist in den heiligen Ort hereinplatze.
Aber er bietet Unglaubliches: Der Hochaltar von Veit Stoss, geschnitzt aus Holz, ist der Grösste der Welt, 11 Meter breit ist und golden schimmert er. Wir setzen uns schweigend vorne hin und bestaunen dieses Kunstwerk.

Die Marienkirche

Im Inneren: Der Hochaltar von V. Stoss

Am Markt: Die berühmten Tuchhallen...

...Trachtenbetrieb im Inneren

Der Rynek
Am Himmel ziehen mehr und mehr dunkle Wolken auf. Wir sind gerade wieder aus der Kirche draussen, als die ersten dicken Tropfen fallen. Dann giesst es, ein warmer Sommerregen. Mensch und Tier flüchten sich in trockene Plätzchen, auch wir suchen Schutz in einem Lokal. Da es sich gerade anbietet, essen wir eine grössere Kleinigkeit und wundern uns, dass auch hier am Hauptplatz der Stadt die Preise recht günstig sind. Als der Guss vorüber ist, wagen wir erneut den Fortgang der Stadtbesichtigung. Am gotischen Rathausturm vorbei führt der Spaziergang zur Weichsel hinunter, dem fast mystischen Fluss Polens. Hier ist ebenfalls viel los: Skater, Radfahrer und Jogger bevölkern die Uferpromenade. Über dem Wawel zieht es erneut zusammen und als wir uns bereits auf dem Heimweg befinden, giesst es erneut in Strömen. Nur Bäume bieten etwas Schutz, den wir in Anspruch nehmen müssen, denn Rainers Mitbringsel, das ein Schirm sein sollte, klappt auseinander, dergestalt, dass der Griff sich verabschiedet, einfach abfällt und damit das ganze Regenschutzmittel untauglich macht.
Nach langem Warten lässt der Regen etwas nach, wir sind trotzdem patschnass bis zur Unterkunft. Kein Problem, unsere Wohnung ist schliesslich trocken und warm, nur schnell umgezogen und weiter geht's nach Kazimierz ins jüdische Viertel, das nur einen Katzensprung entfernt liegt.
Es ist schon wieder Abend geworden. Der Gang durch das alte Kazimierz, das religiöses Zentrum, Wohnstatt und Ghetto zugleich war, ist heute ein Aufeinandertreffen der Vergangenheit mit der Gegenwart. Steven Spielberg drehte hier 'Schindlers Liste', seitdem wurde das Viertel neu entdeckt, kräftig restauriert und es zieht der Wohlstand ein. Viele Kneipen, moderne Hotels und Schickimicki-Läden stehen friedlich nebeneinander. Dazwischen sieht man Baulücken, morsche Häuser und eine fast ländliche Idylle, die einen lebendigen Kontrast zum städtischen Getriebe darstellt.
Wir verlaufen uns erst mal. Wieder mal. Aber das ist nicht so schlimm, denn nun haben wir um so mehr Gelegenheit uns umzuschauen, die kleinen lebendigen Plätze - und die vielen Synagogen, die hier für ein wiedererstandenes jüdisches Leben stehen, das allerdings seine frühere Blüte nie mehr erreichen wird - gefallen uns sehr. Aus einigen Kneipen dröhnt Jazz- und Rockmusik, live, laut und voll Drive.
Das 'Alef', ein jüdisches Restaurant, das wir suchen, befindet sich am Hauptplatz von Kazimierz, nach einigem Hin und Her ist es gefunden und wir können uns zum Abendessen niedersetzen.
Schon bereue ich den Entschluss hierher zu gehen. Im Vorraum sitzen einige ältere Juden, die sicher den Naziwahn noch erlebt haben, oder zumindest die Hälfte der eigenen Familie verloren haben. So denke ich jedenfalls. Und mir wird wieder unbehaglich. Blicke, die mich treffen interpretiere ich als abschätzig. Rainer wird bald wahnsinnig wegen dieses meines Neurotikertums, aber ich kann's nun mal nicht ändern. Das koschere Essen ist gut, die Bedienung freundlich-distanziert und irgendwann ist es Gott sei Dank vorbei. Wir bezahlen. Draussen tobt der Bär, die Kneipen und Plätze sind voll junger Leute, kein Wunder samstagabends. Ein nettes Lokal, ebenfalls berstend voll, nimmt uns auf und bei heissen Diskussionen und einigen Gläschen Rotwein geht dieser denkwürdige Tag zur Neige, der für Rainer nach einem weiteren erfolglosen Schlafversuch in meiner Gegenwart erneut im Badezimmer endet.

Krakau und Kazimierz

(polnisch Kraków) ist die Hauptstadt der Woiwodschaft Kleinpolen an der Weichsel und ist mit 740500 Einwohnern die drittgrösste Stadt Polens. Die Stadt ist kirchliches Zentrum und katholischer Erzbischofssitz.
Krakau ist grösstes polnisches Kultur- und nach Warschau zweitgrösstes polnisches Wissenschaftszentrum, seine Jagiellonische Universität wurde 1364 gegründet. Daneben verfügt die Stadt über eine Technische Universität, mehrere Akademien u.a. Hochschulen, Forschungsinstitute und eine Zweigstelle der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Das kulturelle Angebot umfasst weiter die Jagiellonische Bibliothek, ein Goethe-Institut, etwa 30 grössere Museen und Theater. Ein botanischer und zoologischer Garten, Druckereien, Maschinenbau, elektrotechnische, pharmazeutische, Textil-, Lebensmittel- und andere Industrie vervollständigen das Bild der Stadt. Im hässlichen Stadtteil Nowa Huta steht grosses und bekanntes Hüttenwerk. Krakau ist ein Verkehrsknotenpunkt mit Weichselhafen und Flughafen.

Stadtbild: In der Altstadt (UNESCO-Weltkulturerbe) stehen bedeutende Bauten: Am Alten Markt u.a. die bekannten Tuchhallen (14., 16. und 19. Jahrhundert), die gotische Marienkirche (Bauzeit 1226 bis 15. Jahrhundert mit dem weltbekannten Altar von V.Stoss, 1477-89) und die kleine romanische Kirche Sankt Adalbert. Auf dem Burgberg (Wawel, ehemalige königliche Residenz) ist besonders das Schloss (Renaissanceneubau 1502-36) und der Dom, der 1320-64 gebaut und später mit den bedeutenden Kapellenanbauten des 15. und 16. Jahrhunderts, wie der Sigismundkapelle erweitert wurde, hervorzuheben. Der Wawel war Krönungs- und Grabstätte der polnischen Könige und enthält u.a. das Grabmal König Kasimirs IV. von V.Stoss. Zu den bemerkenswerten modernen Bauten der Stadt gehört das Zentrum für japanische Kunst von Isozaki Arata, 1994 eröffnet.

Geschichte: Das um 965 erstmals als Handelsplatz erwähnte Krakau wurde 1000 Bischofssitz und 1138 durch Boleslaw III. testamentarisch zum Sitz des Seniors der polnischen Teilfürsten bestimmt. 1241 wurde die Stadt von Mongolen zerstört. 1257 nach Magdeburger Stadtrecht neu gegründet, trat Krakau 1430 der Hanse bei. 1320-1764 war Krakau Krönungsstadt der polnischen Könige, bis 1596 (Verlegung des polnischen Hofes nach Warschau) auch Hauptstadt Polens. 1795 fiel es mit der 3. Teilung Polens an Österreich und gehörte 1809-15 zum Herzogtum Warschau, durch den Wiener Kongress wurde Krakau 1815 zum neutralen Freistaat ('Republik') erhoben unter den Schutzmächten Österreich und Russland. Nach der Niederschlagung eines nationalpolnischen Aufstandes wurde es 1846 an Österreich angeschlossen und kam nach dem Ersten Weltkrieg wieder zu Polen, im Zweiten Weltkrieg 1939-44 war die Stadt Verwaltungssitz des Generalgouvernements.

Das jüdische Viertel von Krakau: Kazimierz

Besichtigenswert sind in Kazimierz:
  • Synagogen: Hohe Synagoge (1563), Alte Synagoge (1500), Isaak-Synagoge (Barock), Remuh-Synagoge (Renaissance)
  • Museum jüdischer Kultur
  • Ethnographisches Museum
  • Ghettomuseum

Besuchenswert sind Festivals jüdischer Musik, Klezmermusik und jiddische Lieder, eine besondere Adresse ist das Café Ariel. Hier gibt es Jazz, Klezmer und Rock, rauschende Abende voller Lebensfreude.

Kazimierz wurde als eigenständige Stadt 1335 von König Kazimierz III. vor den Toren Krakaus gegründet. Es verfügte über viele Privilegien und anfangs lebten Christen und Juden einträchtig nebeneinander. Zwei Kirchen und Synagogen standen für die freie Glaubensausübung der verschiedenen Gruppen. Im 15. Jahrhundert kehrte der Zwist ein: Man neidete den Juden ihren Erfolg bei Geldgeschäften und gab ihnen die Schuld für alle möglichen Schicksalsschläge, wie Morde oder Brände und dergleichen. 1485 wurde es den Juden per Stadtratsbeschluss untersagt, weiterhin Handel zu treiben, Ziel war es sie zu vertreiben. 1494 kam es zu ersten Pogromen, anschliessend wurden die Juden zwangsumgesiedelt in ein eigenes Viertel in Kazimierz. Dort lebten sie fortan, eine Mauer trennte sie von den Christen. Trotzdem sie im Ghetto lebten, genossen sie weiterhin den Schutz des polnischen Königs, eine polnische Paradoxie. Viel jüdische Flüchtlinge aus ganz Europa suchten Schutz hinter den Mauern von Kazimierz, das sich zu einem der blühendsten Zentren jüdischer Kultur entwickelte. Grosse Gelehrte wirkten hier, die bis heute gültige Texte und Regeln begründet haben, z.B. Israel Isserle Auerbach. Im 17. Jahrhundert erlebte die Gemeinde einen Niedergang, der erst im frühen 19. Jahrhundert gebremst wurde. Unter Habsburger Herrschaft wurden die Mauern niedergerissen, wurde es den Juden erlaubt, sich in ganz Krakau niederzulassen, was die Reicheren unter ihnen in die wohlhabenden Gegenden der Stadt trieb. In Kazimierz verblieben die Ärmsten der Armen und die Orthodoxen, die die Nähe ihrer Synagogen suchten. 69000 Juden lebten in Krakau, als die Deutsche Wehrmacht 1939 einmarschierte. Damit begann die systematische Verfolgung und nach der Wannseekonferenz die Ausrottung von Kindern, Frauen und Männern.
Krakau wurde Sitz des sog. Generalgouverneurs Polen, Hans Frank. Er befahl, alle Juden auszusiedeln und sie im Ghetto im Stadtteil Podgorze einzupferchen. Am 20. März 1941 schlossen sich die Pforten hinter den Eingesperrten, begannen Marter und Erschiessungen in grossem Stil. Am 14. März 1943 wurde das Ghetto aufgelöst, im Lager Plaszow wurde ein letztes Mal selektiert: Kinder, Alte und Schwache gingen ins Gas nach Auschwitz, die Arbeitsfähigen wurden in die angrenzenden Rüstungsbetriebe verfrachtet und oft bis in den Tod geschunden.

Der wackere Apotheker Tadeusz Pankiewicz lebte als Pole bis zum Schluss im Ghetto. Er beschreibt dessen Ende:

'...Am Zgoda-Platz sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld - Tausende Pakete, verlassene Gepäckstücke, hier und da spielen Kleinkinder auf dem vom Blut nassen Asphalt. Die SS-Männer nehmen Kinder auf ihre Arme. Manchmal führt ein Deutscher mehrere Kinder an den Händchen zu diesem schrecklichen Hof. Die anderen schieben Kinderwagen, in denen Kinderchen schlafen. Bald danach hört man Salven aus Maschinengewehren....'

Unter den Deutschen, die wussten, was sich mit den Juden im Osten zutrug, gab es einige Aufrechte, einige, die sich dem Wahn des Hitlerpöbels entzogen und im Namen der Menschlichkeit Widerstand leisteten. Einer von ihnen war Oskar Schindler. Er hatte in Krakau eine Emailwarenfabrik und rettete seine 'Schindlerjuden' vor der Vernichtung. 1994 drehte Steven Spielberg 'Schindlers Liste' in Kazimierz. Als er kam, lebten noch 150 Juden in der Stadt.


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