Ustron - Wisla - Bielsko Biala - Pless - Oswiecim - Krakau
Streckenlänge |
Fahrzeit
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Landschaft
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Architektur
/ Kultur
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170
Km
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9
- 19 Uhr
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Heut' wird ein besonderer Tag, denn wir werden sehr unterschiedliche Dinge zu Gesicht bekommen. An das hochsommerliche Wetter haben wir uns zwischenzeitlich gewöhnt und wir frühstücken selbstverständlich im Freien in der warmen Morgensonne. |
Dieses
Wellness-Hotel-Sanatorium bietet neben dem unsrigen recht üppigen
Frühstück vor allem Hans Schmalkost. Auf den Tischen im Speisesaal
liegen winzige Portionen für die Herrschaften, die sich offensichtlich
an der Diät beteiligen. Wir müssen bar bezahlen, da man keine
Karten akzeptiert. Das passt zu dem in die Jahre gekommenen, wahrscheinlich
aus den fünfziger oder sechziger Jahren stammenden Hotel und der
Preis für die einfachen aber nicht schlechten Zimmer ist sehr günstig.
Entlang der Weichsel fahren wir nach Wisla, dort biegen wir nach links auf den Salmopolska-Pass ab, der auf 934m ansteigt und über Szczyrk (wie man das wohl ausspricht?) nach Bielsko-Biala oder dt. Bielitz führt. Anfangs ist die Passstrasse recht holprig. Wir überholen einen Bus, der im Schneckentempo die Passstrasse hinaufkriecht, dann haben wir freie Fahrt und schrauben uns über Serpentinen und enge Kurven auf die Passhöhe. Diese ist recht unspektakulär, einige Skilifte führen von Szczyrk herauf, aber man hat einen fantastischen Weitblick in die Beskiden. |
Blick vom Salmopolska-Pass |
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Die Abfahrt ist ungleich besser. Man
hat in Polen die Zufahrten zu den touristischen Zentren erneuert und so
gestaltet sich der Abstieg über eine Strasse ohne Löcher durch
weite Kurven recht vergnüglich. Szczyrk liegt langgestreckt im Tal,
der Ort misst mehrere Kilometer, links und rechts der Strasse befinden
sich Ferienhäuser, Hotels und Souvenirläden sowie Sportartikelshops
aller Art. Architektonische Besonderheiten fallen uns nicht ins Auge.
Bis Bielsko-Biala sind es noch 19 Kilometer. Die Strecke folgt dem anmutigen Tal der Zylica und trifft vor Bielitz auf die breite 69, die uns ins Zentrum der Stadt bringt. Wir haben zwischenzeitlich wieder Flachland erreicht und die Beskiden verlassen. Nachdem wir einen Parkplatz gefunden haben, setzen wir uns auf einen schönen Platz mit einem Brunnen und trinken eine Kleinigkeit. Frühmorgens ist hier noch nicht viel los. Bielitz war die östlichste Stadt des deutschen Kaiserreiches bis es im Vertrag von Versailles von Deutschland abgetrennt und Polen zugeschlagen wurde. Schon unglaublich, denke ich, wie weit Deutschland mal nach Osten gereicht hat! In Bielitz gibt es nicht viel anzuschauen und wir brechen bald Richtung Pszczyna / Pless auf. Eine vierspurige Stadtautobahn durch welliges Gelände mit Feldern und Wiesen lässt uns die 16 Kilometer schnell überwinden. |
Pless |
Pless entpuppt sich als wahres Schatzkästlein:
Ein weitläufiger und von schönen Renaissancefassaden gesäumter
Platz empfängt uns im Zentrum. Der Platz scheint Parkverbotszone
zu sein, wir parkieren daher in einer Seitenstrasse unter einem Schild,
auf dem wir etwas von 'Parkausweis für Rathausbedienstete zu entziffern
glauben, was uns aber nicht weiter stört, denn es ist auf polnisch
und wir haben den Ausländerbonus. Denken wir zumindest.
Ein am Platz gelegenes Restaurant ist unser Ziel, etwas zu essen unser Begehren. Es ist Mittag. Und es ist heiss. Auf der Speisekarte wird die Geschichte des Lokales berichtet, es ist eine Gründung aus der deutschen Kaiserzeit und war ein Spezialitätengeschäft, mehrere Besitzer sind aufgelistet, die damals die Inhaber waren, bevor es nun schön restauriert als polnisches Restaurant weiter existiert. Während wir schlesisch gut und reichlich essen, taucht die Polizei auf in Form zweier Herren, die mit Scootern unterwegs sind. |
Eine junge Dame parkt an der Strasse des Platzes.
Die Herren in ihren blauen Uniformen beginnen ein Strafmandat zu schreiben
und als die Besitzerin des Wagens auftaucht, wechseln ein paar Scheine den
Besitzer und nach einigen Worten hin und her steigt sie mit säuerlichem
Gesicht ein und fährt weg. Ich kaue schon etwas angestrengt, da ich
die gleiche Prozedur bei unseren Bikes befürchte, aber hier scheinen
wir wirklich den Fremdenbonus zu haben, denn sie lassen unsere Motorräder
und uns unbehelligt. In unmittelbarer Nähe des Platzes steht das alte Schloss der Familie Hochberg-Fürstenstein. 1914-18 soll es der Gefechtsstand Kaiser Wilhelm II. gewesen sein, er war allerdings zu diesem Zwecke nie dort. Heute ist es ein Museum. Es enthält alle Originalmöbel und Einrichtungsgegenstände, Kunstwerke etc. aus der Zeit vor der Vertreibung und Enteignung seiner früheren Besitzer. Dorthin lenken wir unsere Schritte. |
84 Hektar Schlosspark in Pless |
Zuerst Eintritt bezahlen, dann aus Bodenbelagschutzgründen noch Filzpantoffeln über die Motorradstiefel gestülpt und schon betreten wir das Schloss, das zum 'Europäischen Kulturerbe' gehört. Welche Pracht. Sie haben schon nicht schlecht gelebt, die Adligen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Räume sind hell, freundlich und sehr gut erhalten, ebenso die ausgestellten Gegenstände. Der Spiegelsaal , der gleichzeitg als Konzertsaal diente mit seinen kostbaren Glasobjekten und Kristalleuchtern und einem wertvollen alten Flügel, an dem Georg Philipp Telemann während seiner Aufenthalte in Pless Konzerte gab, hat es mir besonders angetan und ich will unbedingt fotografieren. Doch das ist verboten, also halte ich einer charmanten jungen Dame vom Personal den Foto hin und schaue sie mit treuherzigem Blick an. Sie lacht, nimmt demonstrativ eine Hand vor die Augen und dreht sich weg, ich kann Fotos machen. Sehr nett. Wenn man da an die teilweise recht muffigen Aufsichten zu Hause denkt, ein richtig netter Kontrast. |
Schloss Pless... |
...prächtiger Konzertsaal |
Wir verlassen das Gelände, nicht ohne vorher noch einen Blick in den weitläufigen Park mit See geworfen zu haben und fahren über Landstrassen, die durch Wald und unter Alleen entlangführen nach Oswiecim. Dieses Ortsschild tauchte erstmals in Pless auf und es sind etwa 15 Kilometer bis dahin. Da wir neben der Hauptstrasse auf einer etwas holprigen Nebenstrecke mit ungezählten Löchern fahren, dauert es ein wenig länger, bis Auschwitz - so heisst diese Kleinstadt auf deutsch - erreicht ist. Ein flaues Gefühl in der Magengegend begleitet mich bei der Stadteinfahrt, denn nun erwartet uns das Kontrastprogramm zu dem vorher Gesehenen. Wir hatten lange überlegt , ob wir den Weg nach Auschwitz-Birkenau, das nur unwesentlich von unserer ursprünglich geplanten Route entfernt lag, nehmen sollten: - Einerseits sind wir keine politischen Tagträumer
oder geschichtslose Konsumenten, die in den Tag hineinleben ohne sich
um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu scheren. Steht nicht dieser
Ort für einen tiefen Absturz in menschliche Verirrung, für den
grausamsten Aspekt deutscher Geschichte mit einer an das Unvorstellbare
grenzenden Brutalität? Hier ist das Böse nicht banal, sondern
ungeheuerlich und übermächtig zu Tage getreten, hier würden
wir mit der Geschichte unseres Landes konfrontiert werden. Wenn auch nicht
ausschliesslich von Deutschen und ohne Wissen des belogenen Volkes, so
doch in dessen missbrauchtem Namen, wurden Millionen bürokratisch
korrekt und perfekt organisiert in den Tod geschickt und eine individuelle
Barbarei begangen, die keinen Namen hat. Auschwitz wurde zum Synonym für
das Unaussprechliche, ein Ort, nur gebaut zur technischen Ausrottung von
Menschen. Es macht auch keinen Sinn für mich, die Millionen Opfer
des Genozids an den Armeniern, Indianern, die stalinistischen Mordbrennereien
oder die der chinesischen Kulturrevolution als Beispiele der Verbrechen
anderer Diktaturen zur Relativierung der Nazigräuel anzuführen.
Damit sollen sich die Betroffenen, Täter wie Opfer, auseinandersetzen,
Auschwitz soll uns Deutschen zur Mahnung dienen. |
Der Eingang zum ehemaligen Vernichtungslager |
Schon bei der Anfahrt habe ich die Bilder im Kopf: Die vollgestopften Ghettos hier im Osten, Menschen auspeitschende SS, die Männer, Frauen und Kinder wie Vieh vor sich her treibt, Reiterspiele mit Todgeweihten veranstaltend. Viehwagons berstend voll Menschenleiber, nackte Frauen und Kinder vor der Erschiessung am Rande von Massengräbern, die sie sich selbst schaufeln mussten, verhungernde und um Brot bettelnde Kinder - all das unsagbare Leid. Die Strasse führt durch Auschwitz (Oswiecim), ein Ort ohne besondere Ausstrahlung. Wir sehen bald das erste Schild 'Museum Auschwitz', dem wir folgen. Meine innere Spannung steigt nun merklich an. Wir gehen nun auf einen Rundgang, der sich mir tief ins Gedächtnis eingraben wird - und ich denke, es war richtig hierher zu kommen. |
Hochspannungszaun, die Lagergrenze |
Leere Zyklon-B-Behälter |
Die Stimmung ist nachdenklich, ja gedrückt, als
wir über die 44 nach Osten aufbrechen. Die Autobahn, die parallel etwas
nördlich zu unserer Route verläuft, lassen wir unberücksichtigt
und nehmen stattdessen die Strecke über Zator. Im Norden braut sich
ein Gewitter zusammen und wir hoffen, dass das Wetter noch hält bis
Krakau, 65 Kilometer sind es bis dahin. Die Natur bietet schöne Hügel,
Felder Wiesen und kleine Wäldchen, so recht freuen will ich mich aber
nicht. Ich kaue noch schwer an dem, was ich in Auschwitz sehen musste. Der Strassenbelag ist dazu passend abschnittsweise ziemlich erbärmlich, einmal schwimmen wir regelrecht in aufgeweichtem Bitumen, ohne dass glücklicherweise etwas passiert. Die durchfahrenen Orte sind ohne Highlights, polnische Dörfer, die vorwiegend von Landwirtschaft leben und so vergehen die Kilometer und die Zeit bis Krakau, währenddessen jeder mit sich selbst beschäftigt ist. |
Bis zum Stadtrand von Krakau hat das
Wetter gehalten, es ist sogar noch heisser geworden jetzt am späten
Nachmittag. Wir wählen die Nummer, die wir mit dem Vermieter einer
kleinen Wohnung im Zentrum, die wir vorgebucht haben, vereinbart hatten.
Er verabredet sich mit uns und wenig später stehen wir in der Altstadt
vor einem frischrenovierten schönen Haus und werden von einer perfekt
französisch sprechenden jungen Dame in Empfang genommen. Die Wohnung
liegt im Hinterhaus, das gerade renoviert wir. Hämmernde Handwerker
und staubige Treppen geleiten zu einer schönen Wohnung hinauf, die
entgegen der Beschreibung kein zweites Schlafzimmer hat, was mich bezüglich
der lauten Schlafweise meines Kompagnon Schlimmes für die Nächte
befürchten lässt. Als wir abgepackt haben, gehen wir einkaufen.
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Krakau |
Ein kleiner Krämerladen um
die Ecke hat alles was wir benötigen und wie immer mit Händen
und Füssen heftig gestikulierend bekommen wir einige Grundnahrunsmittel
und Getränke etc. So ausgestattet mit den Dingen des täglichen
Bedarfs, machen wir uns auf zu einer ersten Erkundung Krakaus. Die Wohnung
liegt inmitten der Altstadt, das jüdische Viertel Kasimierz beginnt
über der Strasse, was will man mehr?
Dem Rat unserer Vermieterin folgend, parken wir die Bikes noch schnell für stolze 5.- Euro pro Tag an einem bewachten Parkplatz in der Nachbarschaft. Es sind nur wenige Schritte und wir stehen erstmals am Fusse der Krakauer Burg, des Wawel. Beeindruckend. Beeindruckend sind auch die weiteren Ansichten der Stadt, die wir bis zum Marktplatz begehen. Die berühmten Tuchhallen haben schon geschlossen, es ist jetzt später Abend, und wir setzen uns erst an den grossen Platz, um etwas zu trinken, später gehen wir in ein russisches Restaurant, das wie ein Wohnzimmer mit viel Plüsch und Nippes eingerichtet ist. Eine junge Frau spielt melancholische Weisen auf dem Klavier und ich esse dazu, wieder aufgrund eines Missverständnisses bei der Bestellung, zwei verschiedene Suppentöpfe hintereinander, die aber sehr lecker sind. Spät in der Nacht sind wir per Pedes schnell daheim, wir wohnen ja mitten im Zentrum, die Handwerker sind ebenfalls bei sich zu Hause und wir gehen müde zu Bett. Nach kurzer Zeit ist Rainer dann ausgezogen und hat es sich im Badezimmer so bequem wie eben möglich gemacht, mein penetrantes Sägen sei der Grund gewesen behauptet er am nächsten Morgen. Und da kann ich wohl nicht widersprechen. |