Dritter Tag:

Görlitz - Zgorzelec - Szklarska Poreba - Jelenia Gora - Karpacz - Swidnica - Breslau

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
288 Km
9 - 19 Uhr

Heute Morgen blinzele ich verschlafen aus dem Fenster, das Wetter hält, was es gestern Abend versprach: Strahlender Himmel. Wir treffen uns zum Frühstück und nachdem die Zimmer bezahlt, sehr moderate Preise muss man sagen, und die Bikes wieder bepackt sind, geht es nochmals nach Görlitz hinein. Wieder parken wir am Marktplatz und setzen uns am Rathaus zu einem Espresso in ein nettes Café. Wie gestern erscheint der grosse Platz wie ausgestorben. Aber heute ist doch Montag, wenn ich mich nicht irre? Es bleibt leider recht leer. Da ich noch eine Erledigung zu machen habe, suchen wir das örtliche Einkaufszentrum auf und treffen dort immerhin auf regen Publikumsverkehr. Ist also doch nicht ganz entvölkert, die Stadt. Obwohl die Leere in den Häusern und auf den Plätzen schon auffällt.
Durch Görlitz führt der Weg zur Stadtbrücke, die die Grenze nach Polen überquert. Trotz EU-Mitgliedschaft gestaltet sich unser Grenzübertritt nicht anders, als beim letzten Mal: Personenkontrolle auf polnischer Seite. Danach dürfen wir einreisen und fahren die ersten Meter auf polnischem Boden. An der ersten Kreuzung verfahren wir uns bereits, das kann ja trotz Karte und Roadbook heiter werden. Die Beschilderung hält nicht, was ich mir versprochen hatte und so kommen wir zwar ungefähr in die richtige Richtung aus Zgorzelec, wie Görlitz auf polnischer Seite heisst, heraus, landen allerdings auf einer Hauptstrasse, die ich vermeiden wollte. Die Strecke führt nach Luban, es ist die Nr. 30, und da kaum Verkehr, v.a. kein Lkw-Verkehr, herrscht, fahren wir erst mal weiter. Überhaupt ist die Strasse in einem recht guten Zustand, das hatte ich so auch nicht erwartet nach den Erfahrungen unserer ersten Polenreise. Das Gelände ist flach und der Fahrweg verläuft schnurgerade mit wenigen langgezogenen Kurven. Recht langweilig und so beschliesse ich nach Kartenlage ins Grüne abzubiegen. Ein kleines kurviges und zwischendurch arg löchriges Strässchen führt uns in den Südosten. Das Riesengebirge taucht langsam in der Ferne auf. Schön geschwungene bewaldete Hügel kann man erkennen. Wir durchfahren einige Dörfer und gelangen kurvend an den Fuss des Gebirges bei Mirsk. Steil führt eine kleine Passstrasse hinauf in die Berge. Der Belag hat streckenweise tiefe Löcher und Rillen, wird aber zunehmend besser, sodass es ein richtiges Fahrvergnügen ist hier im polnischen Riesengebirge. Wir sind mittlerweile in den Sudeten, poln. Sudety in Schlesien angekommen.

Eine schöne Bergstrasse
Schlesien ist eine grosse und geschichtsträchtige Region mitten in Europa. Früh vermischten sich hier die Völker, neben den dominierenden Deutschen v.a. Slawen, aber auch Flamen, Italiener und Wallonen. Sie prägten den Landstrich, der neben seiner landschaftlichen Schönheit das kulturelle Erbe der ihn prägenden Völker verewigt hat, viele Gebäude aus deutscher Zeit werden nach jahrzehntelangem Verfall restauriert. Schlesien war ein echtes 'Prä-Europa', wie ein holländischer Zeitgenosse es treffend beschrieben hat. Und im kommenden Europa der Niederlassungsfreiheit (polnische Gesetze stehen dem noch massiv im Wege) und des kulturellen Austausches wird Schlesien mit seinen Kulturschätzen wieder ein Zentrum werden, das diesen Geist weiter entwickeln wird. Schon interessieren sich nicht nur die vertriebenen Deutschen der älteren Generation wieder für diesen Landstrich, es kommen auch immer mehr junge Leute, die sich gegen die Widrigkeiten der polnischen Bürokratie behaupten und sich hier niederlassen, Schlösser restaurieren, Landgüter bewirtschaften und sich integrieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist Schloss Lomnitz im Hirschberger Tal, das unter deutscher Leitung ein Hotel geworden ist, in dem wir ursprünglich übernachten wollten, uns dann allerdings aus Zeitgründen für Breslau entschieden.


Ein Blick durch die Bäume bei Szklarska Poreba

Die Berge um uns herum erreichen Höhen über tausend Meter, das ist recht hoch für ein Mittelgebirge. Zwischendurch erlaubt der Wald durch die Bäume herrliche Ausblicke. Das Wetter will allerdings nicht mehr so recht sonnig bleiben, es bewölkt zunehmend. Noch ist es trocken. Aber wie wir wissen, ist es geradezu typisch für das Riesengebirge, dass es auch bei stabilen Wetterlagen häufig Wolken und auch den einen oder anderen Schauer gibt. Szklarska Poreba oder Schreiberhau, wie es auf dt. heisst, am Fusse des Reifträgers (Szrenica, 1362m) entpuppt sich mit seinen immerhin 9000 Einwohnern und zahlreichen Zugereisten als Dorado für Wanderfreunde und sonstigen Tourismus. Es liegt angenehm unter Bäumen versteckt im Tal im Grenzgebiet zwischen Iser- und Riesengebirge. Unterhalb des Ortes unternehmen wir einen kleinen Spaziergang zum bekannten Kochelfall, der ein netter kleiner Wasserfall ist, obwohl er einer der Grössten des Riesengebirges sein soll.

Der Kochelfall

Felsiges Riesengebirge
Immerhin 13m tief stürzen die Wasser über die Felsen. Überhaupt hat das Gebirge einen sehr felsigen Charakter, verwitterte und windgepeitschte Hänge sowie sumpfige und moorige Bereiche lassen den Wanderer unmittelbar an die Sage des rauhen Gesellen Rübezahl denken, in dessen Gebirge sie sich aufhalten. Ein Berggeist, dem man in der verwunschenen Natur auch heute noch zu begegnen glaubt. Die Region wurde seit dem Mittelalter wegen seiner Glasindustrie und Manufakturen schnell berühmt und die 1842 gegründete Josephinenhütte war weltberühmt für ihr geschliffenes Kristallglas. Später wurde Schreiberhau eine bekannte Stätte für Sommerfrischler, Künstler und Wissenschaftler verbrachten ihre Ferien im Bergdorf. Gerhart Hauptmann liebte den Ort, den er oft besuchte, ein Museum erinnert heute an ihn. Wer will, kann den Hausberg Reifträger mit einem Sessellift besuchen. Oben steht an der tschechischen Grenze ein Restaurant mit Herberge aus deutscher Zeit, das Haus musste 1922 auf der deutschen Seite errichtet werden, da es den Sudetendeutschen nach 1919 auf tschechischer Seite verboten war Restaurationen zu führen. So baute man das Haus ein paar Meter hinter der Grenze und nach einem Brand 1922 neu, und da steht es bis heute. Zur Jahrtausendwende wurde das Gebiet für den Skitourismus erheblich erweitert.
Letztes Jahr mussten wir unsere Tour auf der gegenüberliegenden Seite des Riesengebirgskammes abbrechen. Gegenüber auf tschechischer Seite liegt Spindlers Mühle.
Nach unserem Waldspaziergang folgen wir dem Lauf der Kamienna auf einer sehr gut ausgebauten und kurvigen Waldstrasse (Nr. 3). Schloss Künast, das rechter Hand liegt, lassen wir unbeachtet und erreichen nach 20 Km Hirschberg (Jelenia Gora), das Tor zur Bergwelt am Fusse des Riesengebirges. Die Stadt liegt im Tal des Bober (Bobr) und hat sich das Flair und den Charme eines Provinzstädtchens erhalten. Gegründet 1108 und unzerstört im zweiten Weltkrieg bietet sie einen schmucken Ring und eine schöne Altstadt. Wir machen Pause. Die Bedienung unseres Bistros am Marktplatz kann weder deutsch noch englisch und so bestellt Rainer auf polnisch, ich will mich nicht gleich lächerlich machen und traue mich nicht, zeige auf ein Gericht in der Karte, das ich zu kennen glaube und bekomme dafür eine labbrige Borscht-Suppe, die eigentlich aus nichts anderem zu bestehen scheint, als erwärmtem Rote-Rüben-Saft.

Ehemals Hirschberg, heute Jelenia Gora

Hirschberg Marktplatz, Rathaus
Die Stadt muss einmal sehr reich gewesen sein, das sieht man an den Fassaden um uns her. Sie lag an einer wichtigen Handelsstrasse zwischen Breslau und Prag. Tuche wurden hier gefertigt, Hirschberger Leinen war in ganz Europa begehrt.
Nicht wirklich gestärkt unternehmen wir einen Rundgang: Der Ring (Rynek) ist ein wahres Schmuckstück, das preussische Rathaus von 1749 mit seinem Turm ebenso. Zu besichtigen gibt es weiterhin einige schöne Kirchen, von denen einige bis 1945 protestantisch waren und ein Glasmuseum, das die Bedeutung dieses Industriezweiges für die Region noch einmal unterstreicht.
Das Wetter bleibt verhangen und wir beschliessen die Weiterfahrt, verlassen Hirschberg auf der 367 in südöstlicher Richtung. Zur Schneekoppe, dem höchsten Berg des Riesengebirges führt der Weg, Krummhübel hiess es früher, Karpacz heisst der Ort heute, den wir ansteuern. Die Strasse ist wieder ausgezeichnet und lässt über wenige Kurven flottes Fahren zu. Das Tal der Lomnitz, hier liegt Karpacz, ist schnell erreicht. Die Berge verstecken sich unter Wolken und ab und zu tröpfelt es ein wenig. Kein Grund zur Besorgnis, das ist normal hier. Links der Strasse, die nach Karpacz führt liegt ein Tirolerdorf, Myslakowice heisst es heute. Man hatte Leute aus Tirol angeworben und hier angesiedelt ihrer handwerklichen Fähigkeiten wegen. Das Dorf wurde gut erhalten und zeigt den typischen alpinen Baustil.
Krummhübel (Karpacz) hat etwa 6000 Einwohner und ist touristisch bestens erschlossen. Wir sehen viele Besucher, die hier in den Sommerferien sind, wandern und geniessen. Der Ort liegt eingebettet im Wald und erstreckt sich auf etwa sechs Kilometer Länge. Beidseits der Hauptstrasse, die sich bis auf 820m hoch hinaufwindet stehen Imbissbuden, Souvenirläden und Hotels.

Karpacz

Höchster Berg im Riesengebirge, die Schneekoppe...


...häufig wolkenverhangen...

Man hat jedoch keine grösseren Bausünden begangen, sodass das Naturbild erhalten blieb. Viele Zimmerangebote sind auf deutsch zu lesen, ein Zeichen dafür, dass zunehmend deutschsprachige Touristen in die Region kommen. Als Hauptattraktion des Ortes gilt neben der Kopa, der kleineren Schwester der Schneekoppe, auf die eine Sesselbahn führt, natürlich die Schneekoppe selbst und der Wang. Dieser ist ein norwegisches Baudenkmal, eine Holzkirche aus dem 12. Jahrhundert. Er steht etwas oberhalb des Hauptortes und ist nach 300m Fussweg von der Strasse aus zu erreichen. In Norwegen abgebaut und nach einer abenteuerlichen Reise 1844 im Riesengebirge wiedereröffnet, ist die Kirche eine von 30 Stabkirchen, die ausserhalb Norwegens noch existieren. Kunstvolle Schnitzereien mit Anklängen an nordische Sagen lohnen einen Besuch.
Nach einem kurzen Aufenthalt wählen wir die Strasse Richtung Kamienna Gora, dem ehemaligen Landeshut. Schöne Alleen sind zu durchfahren, rechts der Strasse hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Riesengebirge und die sich anschliessende Region des Glatzer Landes, die nicht minder attraktiv, dafür um so weniger besucht ist. Leider können wir dieses Mal diesem Gebirge keine Aufwartung machen, da wir jetzt bereits in den Nordosten fahren, um unser Tagesziel Breslau zu erreichen. Die Strasse verläuft anfänglich sehr bergig und kurvig, später dann etwas flacher werdend durch die schlesische Landschaft, die von kleinen Gehöften und Dörfern besiedelt ist. Anfangs ist die Strecke in einem sehr guten Zustand und es macht jede Menge Spass hier zu fahren. Später wird es dann etwas mühselig: Wir müssen scharf aufpassen, denn ab und an hat es gehörige Löcher im Belag, die Rainers Maschine deutlich besser wegsteckt, als meine.

Blick Richtung Glatzer Land
Auf polnischen Nebenstrassen (glgtl. auch noch auf den Hauptstrassen) herrschen teilweise jämmerliche Verhältnisse. Besonders tückisch sind dann Alleenstrassen, wo die Bäume ein mosaikartiges Schattenmuster werfen, das die Erkennung dieser Lochfallen beinahe unmöglich macht. Daher heisst die Devise nun: Langsam fahren. So schlängeln wir uns über das polnische Landsträsschen. Rechts und links stehen Felder und Wiesen, gelegentlich durchfahren wir ein Waldstück. Nach geraumer Zeit fehlt jegliche Beschilderung und wir halten an einem Gehöft, das durch sein Äusseres zu signalisieren scheint, dass man in der Landwirtschaft nicht eben zu Reichtum gelangt. Ein kleiner Bub kommt angeeilt und bestaunt die Motorräder. Rainer fragt auf 'polnisch' nach dem Weg und wir erfahren, dass wir uns auf der richtigen Strecke befinden. Dies geschieht weniger verbal, dafür um so mehr mit Händen und Füssen. Beruhigt fahren wir weiter, der Bub winkt uns hinterher, wir winken zurück.

Eine Windmühle bei Kamienna Gora

Alleenstrasse in Schlesien

Kirche in Schweidnitz (Swidnica)
Nach weiteren endlosen, da langsamen Kilometern erreichen wir Landeshut (Kamienna Gora) und halten uns nicht lange auf, sondern fahren gleich über die 367 weiter Richtung Waldenburg (Walbrzych). Eine schön bewaldete Strasse führt zum Stadtrand und an der hässlichen Industriestadt vorüber. Etwas nördlich des dahinsiechenden Industriezentrums steht die grösste Burg Schlesiens, Fürstenstein (Ksiaz), auf einem Felsen und lohnt einen Abstecher. In Swiebodzice, das in unmittelbarer Nähe der Burg liegt, treffen wir wieder auf eine breit ausgebaute Strasse, die Nr.5 und erreichen nach wenigen Kilometern Schweidnitz (Swidnica). Hier bleiben wir nur für einen kurzen Stopp, fahren dann auf der 382 in südöstlicher Richtung noch etwa 7 Kilometer und stehen vor dem Schloss der Familie Moltke in Kreisau (Krzyzowa). Hier wurde nach gründlicher Renovierung ein Zentrum für Völkerverständigung aufgebaut, das wir besichtigen wollen.

Schloss und Hofgut der Moltkes in Kreisau
Auf der Tour erst ist mir eingefallen (nein, nicht eher), dass sich im Jahr 2004 der 20. Juli 1944 zu einem runden Datum jährt. Heute ist der 19.7. 2004. Wir stehen an der Stelle, wo diese alte preussische Adelsfamilie bis 1945 ihren Stammsitz hatte und die Verschwörer sich gegen die Nazityrannei trafen. Die Vorfahren des Widerständlers von Moltke ermöglichten mit ihren Siegen gegen Österreich und Frankreich die Konstitution des Deutschen Reiches von 1871 und ebneten der preussischen Krone den Weg zum Kaisertitel. Man kann daher durchaus von einer bedeutenden Familie sprechen.
Helmuth James von Moltke wurde 1907 geboren, studierte in Breslau, Berlin und Wien und kehrte als Hofgutverwalter in seine Heimat zurück. Damals war Kreisau eine Pilgerstätte preussischen Grossmachtsinns und Heroismus. Er wollte das ändern, wurde dann aber 1939 als Spezialist für internationales Recht ins Oberkommando der Wehrmacht bestellt. Ihm war Nazitum und Militarismus fremd. Auf die Frage des ehemaligen deutschen Kaisers Wilhelm II.: 'Wo hat denn ihr Grossvater gedient?' antwortete er salopp: 'Majestät, keine Ahnung'. 1941 begann der Schöngeist zusammen mit Gleichgesinnten Pläne für ein freiheitliches und demokratisches Nach-Hitler-Deutschland zu entwerfen, ein todeswürdiges Verbrechen. Er initiierte den 'Kreisauer Kreis' u.a. mit dem Grafen Yorck, dem Sozialdemokraten Julius Leber, dem Jesuitenpater Delp u.a. Die Verschwörer wurden allerdings frühzeitig entdeckt, Moltke wurde im Januar 1944 verhaftet und nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet, der Plan die Bestie auszuschalten war, wie die zahlreichen Versuche zuvor, gescheitert, Deutschland musste erst zertrümmert werden, bevor ein demokratischer Neuanfang gemacht werden konnte. 1988 wurde von der Aktion Sühnezeichen und Bürgerrechtlern der Plan gefasst, das verfallene Hofgut zu restaurieren und die 'Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung' zu gründen.
Wir gehen über das weitläufige Gelände des grossen Hofgutes, aber nichts weist auf das morgige Datum hin, schade. Im Schloss kann man heute Abend (es ist bereits nach 17 Uhr) lediglich die Halle und den Aufgang besichtigen. Hier hängen grosse Bilder aus der Zeit von Preussens Glanz und Gloria, aber auch von Preussens Elend unter Napoleon.
Wir setzen uns in das schöne Café im grossen Hofrund und trinken noch eine Cola.
Danach fahren wir wieder zurück bis Schweidnitz. Die Wolken haben sich verzogen, ein herrlich warmer Sommerabend lädt uns auf der breiten Strasse Nr. 35 von Swidnica zu flotter Fahrweise über Hügel und durch blühende Wiesen Richtung Breslau ein. Wir nehmen die Einladung an und mit der Hoffnung, keine polnischen Radargeräte zu treffen, drehen wir am Gasgriff und geniessen die Beschleunigung, die schnelle Fahrt, die Überholmanöver...
Wir erreichen Breslau (Wroclaw) zu einer zwar vorgerückten, aber immer noch gut beleuchteten Stunde, es ist unverändert warm. Die Vorstadt, die wir durchfahren, gleicht denen im Westen: Obi neben Bauhaus, Lidl, Kaufhalle, Penny und Media Markt. Die immer gleiche langweilige Klötzchenarchitektur scheint fest in der Hand deutscher Konzerne zu sein. Meiner Hotelbestellung nach müssen wir zum Bahnhof. Dort sehen wir eine etwas verkommene Häuserzeile, die unser ebenso abgewracktes Hotel enthält. Sapperlot, denke ich, das sah im Internet ganz anders aus! Kurze Besprechung und wir sind uns einig: Eine Alternative muss her, koste es was es wolle. In dieser Stadt sollte man nicht kleinlich sein. Also kurven wir zur Bestellung vom letzten Jahr, dem Hotel Tumski, das auf einer der Oderinseln liegt. Sehr hübsch, innen wie aussen. Leider belegt. Der Portier telefoniert kurz und reserviert zwei Zimmer in einem benachbart liegenden, schönen und preiswerten Hotel.

Breslau an der Oder
Nach einer kurzen Wegbeschreibung durch den freundlichen Zeitgenossen fahren wir los und verfransen uns sogleich. Am Ende einer Sackgasse, in der unsere Irrfahrt endet, sitzen zwei junge Damen, die wir mit unserer Beschreibung aus dem Tumski nach dem Weg zu der gesuchten Unterkunft befragen, auf englisch, das sie artig sprechen. Irgendwie sind wir hirnlich schon reichlich vertrocknet von der Sonne und merken nicht, dass wir exakt vor dem Hotel stehen, das wir suchen. Die zwei Schönen werden sich ihren Teil gedacht haben!
Kurz eingecheckt und frisch gemacht, dann gehen wir in die Altstadt. Wir bemerken sofort: Alles, was man über diese Stadt liest, wird übertroffen, jedenfalls unserer Meinung nach.

Am Marktplatz / Rynek
Was für eine Kulisse! Ein riesiger Marktplatz mit unglaublich schönen Fassaden, das alte Rathaus, die vielen Cafés. Man hat hier originalgetreu restauriert nach den Zerstörungen von über 70% im Zweiten Weltkrieg. Den Polen sei Dank, diese ehemals deutsche Stadt erstrahlt in einer unglaublichen Pracht. Breslau bietet Kultur im Überfluss, wir erwandern den Platz und besichtigen die Elisabethkirche. Hier kann man eine katholische Besonderheit besichtigen, die ich eigentlich für ein Relikt des vorprotestantischen Zeitalters und für ausgestorben gehalten habe: Den Ablass. Auf deutsch wird erklärt, was man zu tun hat, um einen vollständigen Ablass aller Sünden zu erfahren. Kurios. Breslau macht den Eindruck einer kulturell offenen Stadt. Man scheut sich nicht mehr, die deutsche Vergangenheit auszustellen und die Dichter und Denker wieder aus dem Keller zu räumen und auf ihre Sockel zu heben.
Das 'schwarze Loch' im polnischen Gedächtnis wird ausgemustert, wie ich es treffend beschrieben fand. Schiller z.B. steht im Park auch wieder an seinem Platz.
Es ist bereits dunkel geworden und ich habe Hunger. Wir setzen uns in eines der zahlreichen Restaurants am Platz und ich bestelle aus der internationalen Karte eine regionale Spezialität, die kurze Zeit später mit viel Kraut in allen Variationen gereicht wird, Salate, Gemüse. Unsere erste Bekanntschaft mit der polnischen 'Krautküche', die einfach, aber sehr schmackhaft ist. Warum man uns Deutsche 'Krauts' schimpft, weiss ich nach dieser Tour übrigens nicht mehr so richtig...
Neben uns baut sich Kultur auf: Eine Truppe junger Damen und Herren beginnt einen Feuerzauber. Ich habe so etwas noch nicht gesehen.

Nächtlicher Feuerzauber
Zu den rasenden Rhythmen afrikanischer Trommeln schleudern schöne Grazien mit immer schneller werdenden Bewegungen flammende Seile durch die Luft und malen feurige Figuren damit. Schneller und schneller werden die Rhythmen, schneller auch die Tänzerinnen, ja sie tanzen mit dem Feuer und werden zu lebenden Feuerskulpturen. Beeindruckend, wirklich faszinierend!
Spät ist es geworden. Wir trinken noch etwas, schlendern dann nochmals um den Rynek, der so voller Leben ist. Erschöpft falle ich ins Bett. Wenn das so weiter geht, - Eindrücke über Eindrücke -, kann's auf der Tour noch ganz schön anstrengend werden! Morgen wollen wir die Stadt weiter besichtigen. Es ist aufregend schön, wieder im Osten unterwegs zu sein.


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