Zweiter Tag:

 Lössnitz - Schwarzenberg - Freiberg - Dresden - Bautzen - Görlitz

Streckenlänge

Fahrzeit
Landschaft
Architektur / Kultur
268 Km
9 - 18 Uhr

Der heutige Tag beginnt erneut mit strahlendem Himmel, der Sommer scheint endlich eingekehrt zu sein. Die Pension liefert ein ausgezeichnetes Frühstück und da wir heute keine Eile haben, lassen wir uns Zeit. Wir wollen durchs Erzgebirge in die Lausitz, Dresden soll ein Kurzbesuch abgestattet werden. Ich bin auf die wiedererstandene Frauenkirche gespannt, als wir letztes Mal dort vorbeischauten waren noch die Gerüste um die halbfertige Kirche gestanden. Immerhin haben wir uns damals mit einem kleinen Obolus am Wiederaufbau beteiligt, wir wollen mal gucken, was die so mit unserem Geld gemacht haben... Spass beiseite, ein hoffentlich kurviger Motorradtag erwartet uns heute im Erzgebirge, das allerdings noch etwas gebirgiger werden muss, als das, was wir bisher gesehen haben.
Nachdem die Bikes bepackt sind nehmen wir Abschied von den Kollegen aus Austria, die zum Sachsenring fahren. (Hoffentlich verbiegt's dem Herrn mit der Hayabusa nicht wieder den Kofferträger bei 240km/h. 'Mei, han i gschoht, waast scho...').
Unser Weg führt wieder das Lössnitztal entlang auf der B169 nach Aue und von dort über die B101 nach Schwarzenberg. Links und rechts der Strasse, die kurvig und griffig ist, eine relativ neue Bundesstrasse, erheben sich jetzt doch tatsächlich Berge, die dem Begriff Gebirge entsprechen. Wir fahren durch Wald, der feucht-harzig duftet. Plötzlich sehen wir rechts der Strasse ein Schloss auf einem Felsen auftauchen, das seinen Namen 'Schloss auf dem Fels' von eben dieser Lage hat. Wir sind im schönen Kurort Schwarzenberg. Als wir noch ein paar Kurven weiter kommen, erblicken wir die Altstadt ebenfalls hoch über dem Flüsschen Schwarzwasser zusammen mit der bekannten Barockkirche St. Georg über dem Tal. Der Sage nach wurde ein hier hausender Lindwurm vom Ritter Georg besiegt, der allerdings dabei ums Leben kam.

Schwarzenberg...

...idyllischer Bergkurort
Das Städtchen ist sehr hübsch und heute am frühen Morgen noch wenig belebt. Am Marktplatz, der unterhalb der Burg liegt, ist gerade ein Café geöffnet worden und da wir Zeit haben, trinken wir noch einen Espresso bei einem waschechten Italiener, der etwas jammert über die wirtschaftliche Lage im allgemeinen und in der Gastronomie im Osten im besonderen. Das Gefühl von Urlaub macht sich nun deutlich bemerkbar, es ist ein Genuss wieder unterwegs zu sein! Die Strecken sind mit einem hohen Spassfaktor versehen in diesem Landstrich, das haben wir bereits gemerkt. Muss man sich merken.

Wir kurven wieder hinunter zur B101, der wir Richtung Osten folgen. Es herrscht wenig Verkehr, wir fahren durch waldiges Gelände, unterbrochen von Wiesen und Feldern. Um uns her wird es noch bergiger, die Landschaft erinnert zeitweise etwas an den Schwarzwald. Nach einigen kleinen Anstiegen erfolgt eine etwas längere Abfahrt hinunter nach Annaberg-Buchholz. Hier stehen wir alsbald auf einem grossen Marktplatz, der von schönen Fassaden gesäumt wird. Die Stadt Annaberg war durch den Silberabbau und das Klöppelhandwerk zu Reichtum gekommen, das sieht man bis heute. Das etwas abseits liegende Buchholz dagegen war immer die ärmere Schwester gewesen. Wir werfen einen Blick in die Runde und stellen die Bikes auf dem grossen Platz ab, um einen Blick in die Annakirche zu werfen mit ihrer berühmten steinernen Bibel, die ich erst mal nicht finde, da ich mir darunter ein steinernes Buch vorgestellt habe, die Bibel entpuppt sich aber als ein in Stein gehauenes und unter der Kirchendecke befindliches Kunstwerk. Vor der Türe werfen wir noch einen Blick auf die Gedenktafel, die an Adam Riese erinnert, der in der Stadt seine Rechenkünste entwickelte. Während wir so dastehen rast ein offensichtlich bedröhnter Jugendlicher in seinem Kleinwagen und aufgedrehter Stereoanlage mit wummernden Bässen an uns vorbei. Er bemerkt wohl nicht, dass er sich hier in einer Fussgängerzone befindet. Die Herren von der Rennleitung, die mit laufenden Blaulichtern hinter ihm fahren, bemerkt er ebensowenig. Tja, das war's dann wohl erst mal mit dem Führerschein....


Alte Silberstadt Annaberg
Uns ist nun wieder nach Fahren zumute. Die sehenswerten Museen des Ortes, u.a. ein gewaltiger wasserbetriebener Hammer, kommen wir ein ander Mal besichtigen. Versprochen.
Weiter geht es ein Stück dem Lauf des Flüsschens Zschopau folgend auf der 101, die einige schöne Kurven durch herrliches Gelände parat hält. Wir passieren Wolkenstein, ein mittelalterliches Städtchen, das von einer Burg hoch über der Strasse beherrscht wird, fahren an Pockau vorbei, wo man eine alte Ölmühle besichtigen kann und erreichen nach etwa 60 Kilometern einen der Hauptorte des Erzgebirges: Freiberg. Diese Stadt war von ihrer Geschichte her ein technisches und kulturelles Zentrum, das sieht man heute noch. Die erste technische Hochschule der Welt für den Bergbau wurde hier errichtet und Berühmtheiten wie Humboldt haben hier studiert.

Weitläufiger Marktplatz in Annaberg
Als wir auf den Marktplatz kommen umfängt uns der Charme einer fast südlichen Atmosphäre. Das drückt sich auch durch die Lokale aus, auf die wir treffen: Liegestühle am Markt vor einer spanischen Tapasbar. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen, wir haben jetzt richtig Appetit und lassen uns zum Mittagessen nieder, allerdings bevorzugen wir eine Sitzgelegenheit, zum Liegen fehlt mir die innere Einstellung. Um uns her stehen gediegene, reiche Bürgerhäuser mit wunderschönen Renaissancefassaden, beeindruckend ist auch das Rathaus, allesamt liebevoll restauriert.
Ich bestelle gemischte Tapas, die ich mit Behagen verdrücke. Genau uns gegenüber ist das Silberbergbaumuseum, das allerdings heute geschlossen ist. Ich muss mich wieder erinnern: Heute ist Sonntag und wir sind in Deutschland, daher hat alles zu und der Rummel hält sich in Grenzen, was ja schliesslich auch sein Gutes hat.
Wir machen noch einen Rundgang und wollen den Dom mit der berühmten 'Goldenen Pforte' und der Silbermann-Orgel betreten, was aus o.g. Gründen aber nicht möglich ist: geschlossen.

Freiberg...Dom


...und Marktplatz

Also besteigen wir wieder unsere Motorräder und verlassen Freiberg auf der B173 Richtung Dresden. Das Gebirge senkt sich langsam aber unaufhörlich ins Elbtal hinab, die Strasse zieht durch hügeliges Gelände, hat wenig Kurven und bald schon sehen wir Dresden, dessen markantes Profil sich allerdings erst von der anderen Seite der Elbe zeigt.


Dresden Elbufer

Besonders freut es mich, als ich die Frauenkirche in voller Pracht erblicke, das aufgesetzte Dach mit dem Kreuz aus Coventry hat eine tiefe Wunde im Stadtbild geschlossen.
Es ist jetzt sehr heiss und wir machen nur einen kleinen Rundgang, essen ein Eis und als wir in die Frauenkirche hinein wollen, findet die nächste Führung leider etwas zu spät statt, sodass wir dieses Ereignis vertagen müssen, leider. Aber wir haben noch etwas vor heute...


Da steht sie wieder...

August der Schwache
Im Norden scheint sich ein Gewitter aufzubauen, jedenfalls denke ich das aus meiner laienhaften Kenntnis von Gewitterwolken heraus. Riesige Türme, die grau-orange schimmern. Wir sollten los. Aus Dresden sind es ein paar Kilometer hinaus bis zur Autobahn A4 Richtung Osten. Dort wo wir hin wollen ist der Himmel auch weiterhin schön blau, die Gewitterfront lässt uns ungeschoren. Unser Weg führt direkt in die Oberlausitz: Goldgelbe Felder und eine hügelige Landschaft geben den passenden Rahmen zu unserer Route. Aber das Kilometerfressen auf der Autobahn ist nach kurzer Zeit doch recht langweilig und weil das wunderschöne Wetter stabil zu sein scheint, entschliesse ich mich für einen Abzweig auf die Landstrasse. Bereits aus der Ferne erkenne ich eine sehr schöne Stadt, die mit Türmen und alten Mauern bestückt ist und regelrecht einen Besuch einfordert. Eigentlich hatte ich hier nichts mehr in der Planung, aber kurz entschlossen verlassen wir die BAB und fahren noch wenige Kilometer bis zum Ortsschild: Bautzen. Aha, denke ich, als ich die Stadtsilhouette aus der Nähe betrachte, das sieht sehr hübsch aus. Wir fahren in die Altstadt. Dort treffen wir auf eine Gruppe finnischer Biker, die den deutschen Sommer mit seiner Hitze beklagen (wenn die wüssten!). Sie wollen heute noch nach Prag weiter. Wir setzen uns auf dem Marktplatz nieder und während eine Blechbläserkapelle schöne Barockmusik intoniert, stillen wir unseren Durst, man schwitzt ja nicht schlecht in der Motorradkluft.

Das Rathaus in...

...Bautzen

Der Marktplatz
Auffällig sind die zweisprachigen Strassen- und Geschäftsschilder, die sich überall finden und mir dämmert es, dass hier die Minderheit der Sorben lebt, die sich ihre Kultur und damit natürlich auch die Sprache bewahrt. Ein Minderheitenschutz, der - den Berichten von Menschen nach, die wir auf dieser Tour noch treffen werden -, nicht als selbstverständlich im Europa unserer Tage anzusehen ist.
Uns zieht es wieder hinaus und wir machen uns auf den letzten Abschnitt des heutigen Tages. Diesmal auf der Landstrasse folgen wir der B6 durch die Oberlausitz bis kurz vor Görlitz durch die hügelige, sommerlich gefärbte Landschaft. Unmittelbar am görlitzer Stadtrand folgen wir einem Schild, das auf eine Übernachtungsmöglichkeit hinweist und beziehen zwei Zimmer in einer günstigen Dorfpension. Die junge Dame, die uns empfängt versprüht einen äusserst spröden Charme und mit viel '...noh..' in ihrem Satzbau klären wir mit ihr den Ablauf des Abendessens, bevor wir frischgeduscht wieder auf den Bikes sitzen.

Zweisprachige Lausitz

Der Tippelesmarkt in Görlitz
Es ist zwar Abend, aber noch sehr sonnig und sehr warm. Beste Voraussetzungen, sich eine unbekannte Stadt anzuschauen. Nach vier Kilometern Landsträsschen sind wir in Görlitz Zentrum. Hier findet heute der sogenannte Tippelesmarkt statt, die bekannte Keramik der Region wird verkauft. Wir parken und schlendern los. Auffällig sind die wirklich wunderschön restaurierten Fassaden der prächtigen alten Häuser der Altstadt. Allerdings ist es recht leer, na Sonntag eben. Der Markt befindet sich im Abbau, für uns gibt es jede Menge zu entdecken und so schlendern wir durch die Gassen. In einigen Seitenstrassen sieht man noch einzelne Gebäude, die vom Zerfall aus der DDR-Zeit, als man die Stadt quasi verrotten liess, noch schwer gezeichnet sind. Als wir zur deutsch-polnischen Grenze, der Neisse kommen, relativiert sich das Bild erheblich: Der polnische Teil der Stadt, die 1945 geteilt wurde, erscheint gegenüber dem deutschen Teil geradezu abschreckend hässlich. Man hat in Polen keinen reichen Westbruder, das ist augenscheinlich.

Altstadt...

...mit prächtigen Fassaden

Die Neisse: Grenzfluss in einer geteilten Stadt
Als wir zum beinahe vollständig abgebauten Markt, auf dem nur noch wenige Buden stehen und dem dazugehörigen Platz zurückkehren, fällt uns auf, dass es fast keine kleinen Geschäfte gibt, obwohl Räumlichkeiten in Hülle und Fülle vorhanden sind: Sie stehen fast alle leer. Es ist wohl die Westabwanderung aus dieser strukturschwachen Stadt, die diese Leere hinterlässt. Es ist ein bitteres Bild. Was helfen da die schönen Fassaden? Lustig ist eine Gedenktafel, die zur Erinnerung an einen Herrn angebracht wurde, der die 'Hühnerologie' in dieser schönen Stadt begründet hat. Kein Witz, seinen Namen habe ich leider vergessen. Schön sind auch die sorbischen Frauentrachten anzuschauen, die sich hier am Markt noch zeigen, besonders die Haube soll ja ein wichtiges Utensil sein. Da prozessiert doch das Land Sachsen bisher vergeblich gegen eine Sorbin, die partout ihre Kopftracht auf dem Mopped nicht ablegen will und ohne Helm, dafür mit Haube fährt. Minderheitenschutz eben.
Nach der Rückkehr in die Pension erwartet uns eine deftige Lausitzer Mahlzeit, die wir, da hungrig, zur Gänze verputzen.
Morgen soll es nach Polen gehen, wir sind gespannt, was uns erwartet.


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