Prag - Karlstein -
Beroun - Prag
103Km / reine Fahrzeit 1:55 Std.
Hei, was für ein Tag! Es ist früh morgens
und die Sonne lässt für heute heisse Temperaturen erwarten.
Die Pensionsinhaber sind ausgesprochen nette Menschen '... sie wollähn
im Fraien frihsticken, bittäh?..' Wir frühstücken ebendort
und beschliessen, zuerst nach Karlstein zu fahren und anschliessend die
goldene Stadt zu besichtigen. Wir kennen Prag bereits von früheren
Besuchen her, sodass ein Tag reichen wird um uns ein angemessenes Update
zu verschaffen. Erst steht allerdings der Weg zu Yamaha auf dem Programm,
wir finden die neue und grosse Werkstatt auch nach einigem Verfahren und
Hin und Her, da der gezeichnete Plan nicht direkt mit der Strassenbeschilderung
übereinstimmt. Für 280.- Kronen erstehe ich eine neue Tachowelle
und nach 3 Minuten geht's mit erneuerter Anzeige Richtung Karlstein. Bis
hierher haben wir bereits zwei mittelschwere Verkehrsunfälle gesehen,
was uns zu besonderer Vorsicht mahnt. Sie fahren wirklich gewöhnungsbedürftig
hierzulande. Rainers trockener Kommentar: 'Die fahren wie die Italiener,
nur mit dem Unterschied, dass jene fahren können'. |
Die Festung Karlstein ist bezüglich
der vielen Bauwerke des Landes das bedeutendste Symbol Tschechiens, etwas
versteckt thront sie über dem Fluss. Ein imposanter Bau aus verschiedenen
Epochen. Sie liegt 319m über dem Meeresspiegel, auf einem 72m hohen
Kalkfelsen über der Beraun (Berounka) und wurde von Karl IV. 1348-57
errichtet. Im 16. und 19. Jahrhundert umgebaut, wird sie seit 1988 restauriert.
Die Burg diente als Aufbewahrungsort der Reichskleinodien, die heute in
der Wiener Hofburg liegen und des böhmischen Kronschatzes, der heute
im Prager Dom verwahrt wird. Die Reichskleinodien waren der Reichsschatz,
die im Heiligen Römischen Reich u.a. Ländern die symbolischen
Schmuckstücke bei der Krönung der Herrscher und zugleich Attribute
der Königsherrschaft waren. Im Heiligen Römischen Reich gehörten
dazu: 1. die Reichsinsignien (im engeren Sinn): Krone (Kaiserkrone), Reichsschwert
und -zepter, Reichsapfel (Weltkugel mit Kreuz), 2. Krönungsornat,
Handschuhe, das Reichsevangeliar sowie 3. die nicht bei der Krönung
dem Herrscher überreichten Reichsheiligtümer wie die Heilige
Lanze, Schwerter u.a. Die Reichskleinodien, auch Reichsinsignien im weiteren
Sinn genannt, wurden zunächst auf Reichsburgen (u.a. Trifels) und
Pfalzen verwahrt.
| Burg Karlstein, Symbol Tschechiens |
Ein steiler Anstieg.... | ....belohnt mit weiter Aussicht ins Böhmerland |
Berühmt und für den Besucherverkehr
gesperrt ist die mit 128 Tafelbildern des Meisters Theoderich geschmückte
Heiligkreuzkapelle deren Gewölbe mit über 5000 vergoldeten venezianischen
Sternglasscheiben belegt ist.
Zur Burg gelangt man über einen zur Souvenir- und Einkaufstrasse umfunktionierten Weg, der von schmucken Häuschen gesäumt ist. Wir gehen an der imposanten Wehrmauer entlang steil empor zum Haupttor und in den Burghof hinein. Wie nicht anders zu erwarten, sind wir nicht die Einzigen, eine grosse Anzahl internationaler Besuchergruppen ist schon vor uns da und verstopft die Örtlichkeit. An der Kasse lösen wir ein Ticket und stellen uns an den Eingang. Man blickt von hier aus auf einen kleinen Innenhof, in dem eine junge Frau sitzt. Sie hat lange Haare und Rainer meint trocken, sie sei sicher die Burg-Rapunzel. Wie es sich herausstellt ist sie unsere Burgführerin '....die deitsche Fiehrung bittäh....' Die Burg hält innen, was sie nach aussen verspricht. Fotografieren ist leider verboten. Ein Bauwerk, das symbolhaft für die tschechische Nation steht, die hier das Zentrum des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation kam erst später) unter Kaiser Karl IV. war. Unser Burgfräulein erzählt uns viel von Folter, Gewalt, Intrigen ("...wihr haben auch aine scheehne Geschichtä...") aber auch von Heiligen, Liebesgeschichten und Wundern, die sich hier zugetragen haben. Besonders anrührend finde ich, als sie uns ein mittelalterliches Hirtenlied auf einer Flöte vorspielt. Wir sind mit einer deutschen Schulklasse unterwegs, lärmende und pubertierende Gören, die sicher etwas Anderes unternehmen würden und nun Kultur machen müssen. Als unser Burgfräulein ihr Lied spielt, wird es jedoch still im Rund der Besucher, die sichtlich begeistert den Tönen lauschen, in einem Rittersaal mit fantastischer Akustik. |
Im Inneren der Burg |
Nach der Führung und einem grossartigen Rundblick
schreiten wir wieder zu unseren geparkten Bikes im Tal. Über die
kurvige Landstrasse geht es Richtung Beroun, immer am Fluss entlang, die
Sonne lässt sich auch wieder blicken. Da es schon Mittag geworden
ist, kehren wir in dem kleinen Dorf Koda direkt am Fluss in ein tschechisches
Gasthaus ein und essen eine Kleinigkeit direkt an der Beraun mit Blick
aufs Wasser. Böhmisch gut, günstig und reichlich. Ca. 20 Kilometer
sind es noch bis nach Krivoklat, bis zu jener Burg, wo sich zahlreiche
Tragödien abgespielt haben: Tragische Liebesgeschichten finden sich
in der Geschichte dieses Gemäuers ebenso wie brutale Folter im Keller
während man sich in den oberen Gemächern am Festmahl labte zu
Zeiten der Inquisition. Man hat bis heute alle Marterinstrumente gut erhalten
zur gruseligen Touristenattraktion in den Kerkern und Verliesen. Ich habe
aber heute keine Lust mehr auf derartige Scheusslichkeiten, sodass wir
einen Besuch dieses Ortes des Schreckens auslassen. |
Hügelige Landschaft um das.... |
....Beraun - Tal |
Wir parkieren auf der sog. Kleinseite, an der St.
Niklas-Kirche. 100.- Kronen kostet der Spass, aber schliesslich ist Prag eine
Weltstadt. Dafür ist es dann doch wieder günstig. Welche Pracht diese Stadt ausstrahlt. Man sieht kaum noch Schäden, die das verheerende Hochwasser der Moldau vor einem Jahr angerichtet hatte. Zu dieser lenken wir unsere Schritte. Es ist fast unerträglich heiss geworden in der Motorradkluft. Auf der Karlsbrücke wird man mehr geschoben, als man selbst gehen kann. Die Stadt platzt wie jeden Sommer aus allen Nähten. Germanen, Holländer und vor allem US-Amerikaner bevölkern die Szene. Kleinkünstler geben links und rechts unter den ehrwürdigen Statuen der Brücke ein Stelldichein. Das Leben tobt. Wir lassen uns treiben, setzen uns auf der anderen Seite an die Moldau, dort wo früher die Altstädter Brückenmühlen waren, und trinken etwas, ausgedörrt wie wir sind, ist es eine wahre Labsal. Hier um uns herum atmet alles Kultur, man blickt auf Jahrhunderte der Koexistenz zwischen deutscher und slawischer Kultur, auf die Pracht der Donaumonarchie. Grosse Geister waren hier zu Hause, Revolutionen nahmen ihren Ausgang, grosse Musikhinterlassenschaften der Menschheit wurden hier geboren oder uraufgeführt. Über allem thront der Hradschin, die prager Burg. Ein einzigartiger Anblick, zum Geniessen! Und erst, wenn sich die Metropole nachts illuminiert zeigt! Was soll man also sagen, ausser: "fahrt hin und guckt selbst"! Die Stadt, einst ein Kumulationspunkt der Kulturen ist in wenigen Worten nicht zu beschreiben, die Kultur- und Kunstschätze füllen Bibliotheken. Ich werde mich auf das Nötigste beschränken, das ist sicher zu wenig, aber was bleibt anderes übrig? |
Prag, Kleinseite mit Kassierer |
Prag in Kürze:
'Es kafkat und werfelt, es brodelt und kischt': Kurze Zusammenfassung grosser Geister der deutschen Literatur, die Prager waren. Die Besiedlung Böhmens und somit auch des Prager Raumes reicht bis 4000 v. Chr. zurück. Um 800 n.Chr. bestand Prag aus mehreren befestigten Höfen. Zwischen 850 und 895 übernnahm Herzog Borivoj die Herrschaft und gründete die Prager Burg (Hradschin). Unter der christlichen Herrschaft von Herzog Wenzel dem Heiligen (ab 921 n. Chr.) näherte sich Böhmen dem Deutschen Reich an, damit verbunden war die Zuwanderung deutscher Handwerker, Kaufleute und Juden. Mit der Ernennung Prags zum Bistum unter Boleslav II. 973 n. Chr. wurde Prag auch zum religiösen Zentrum. Die Stadtvergrößerung erfolgte durch die Gründung einzelner unabhängiger Städte, die nach Magdeburger bzw. Nürnberger Recht verwaltet wurden. Erst 1784 wurden die vier eigenständigen Städte Hradschin, Kleinseite, Altstadt und Neustadt zusammengefasst zu einer Verwaltungseinheit. Bis Anfang des 19. Jh.s galten die Stadtgrenzen, die unter Karl IV. im 14 Jh. festgelegt wurden. Prag (tschechisch
Praha), Hauptstadt der Tschechischen Republik und Verwaltungssitz des Mittelböhmischen
Bezirks, liegt in einem weiten Talkessel (Prager Becken) beiderseits der Moldau,
bildet verwaltungsmässig eine eigene Region mit 496 km2. 1,193Mio. Einwohner
leben heute hier, der katholische Erzbischofssitz befindet sich in der Stadt,
die Wissenschaftszentrum des Landes mit der Karls-Universität (1348 gegründet)
ist, eine Technische Hochschule u.a. Hochschulen beherbergt sowie Kunstakademie,
Konservatorium, Forschungsinstitute, zahlreiche Bibliotheken, wissenschaftliche
Gesellschaften, darunter die Akademie der Wissenschaften, Goethe-Institut (seit
1990), mehrere Museen und Gemäldegalerien, 22 ständige Theater, zwei
Opernhäuser; Planetarium und schliesslich mit einem botanisch-zoologischen
Garten aufwartet. Die tschechischen Filmateliers sind ebenfalls in der Stadt.
Prag ist Industrie- und Handelszentrum des Landes mit chemischer, pharmazeutischer,
Maschinen-, Fahrzeug-, Bekleidungs-, Papier-, elektrotechnischer/elektronischer,
feinmechanischer und optischer Industrie sowie Verlags- und Druckereigewerbe.
Am Flusshafen beginnt die Moldauschifffahrt. Eine U-Bahn besteht seit 1974. Die
Fahrt mit ihr ist billig und bedeutet ein kleines Abenteuer: Über rasend
schnelle Rolltreppen geht es in schwindelnde Tiefe zu den Stationen, die mit prächtigen
Mosaiken geschmückt sind, schon deswegen lohnt ein kleiner Abstecher in den
Untergrund. |
Menschenmassen an der Karlsbrücke |
Wir gehen nun abseits des Menschenstromes Schleichwege (man kennt sich schliesslich aus) in die Altstadt, die Stare Mesto. Häuserfassaden glänzen in der Sonne, der Rathausplatz erschlägt einen beinahe mit seiner unglaublich prächtigen Architektur, vergleichbar Brüssel oder Riga, auf seine Art dennoch einzig. Es ist 17:00 Uhr und das obligatorische stündliche Schauspiel der Rathausuhr steht an: Die 12 Apostel paradieren zum Glockenspiel vorbei, am Schluss kräht dann der Hahn. Das Gedränge vor der Uhr spottet jeder Beschreibung, der Nachteil von so viel Sehenswürdigkeit. Wir lassen uns weiter treiben, schlendern einfach so durch den Sonnenschein, diese Stadt kann einen schon in ihren Bann ziehen mit ihrer heiteren Ausstrahlung. Das jüdische Viertel, die Alt-Neu-Synagoge, der jüdische Friedhof, den man unbedingt besuchen sollte, - hier liegen Generationen von Begrabenen übereinander - sowie die Prager Burg kennen wir schon von früheren Besichtigungen, daher lassen wir's für heute gut sein. Zum Wenzelsplatz wollen wir allerdings noch kurz fahren, es ist Abend geworden. Dieser dem Heiligen Wenzel gewidmete Platz, der während des Prager Frühlings 1968 ein Ort tragischer Geschehnisse wurde, war der Platz, an dem bei unserem ersten Besuch 1987 noch zu CSSR-Zeiten eine Begegnung mit tschechischen Ordnungskräften stattfand, die uns um einige DM erleichterte '....sonst Ihbernachtung auf Kommissariaht....' Es war reine Willkür seinerzeit. Der Nostalgie halber wollen wir noch kurz vorbeischauen. |
Die nächst gelegene Verbindungsbrücke in die Altstadt, die Kaiser-Franz-Brücke über die Moldau, ist wg. Renovierung gesperrt, also lotse ich Rainer durch das Strassengewirr und wir überqueren die Moldau an anderer Stelle. Nun geht es stracks hinein in die Altstadt. Dabei übersehe ich ein Schild, das den motorisierten Verkehr von dieser Strasse eigentlich fernhalten soll und fahre munter in die Fussgängerzone (man kennt sich schliesslich aus!), Rainer nichts ahnend hintendrein. So kommen wir sehr zentral direkt am Wenzelsplatz heraus. Die Richtung war gut, allerdings stehen just hier zwei Uniformierte, die sofort ein offizielles Gebaren an den Tag legen und uns herauswinken. Policije. Papiere. Meiner spricht nur englisch, Rainers nicht einmal das. Nach der Sichtung der Papiere murmelt er etwas von '....Penalty....' und ich konzentriere mich auf die Summe '....thousand Krones....' höre ich ihn sagen. Mein Gesicht muss ihn erschreckt haben, denn nach der mitleidigen Nachfrage 'Tourist??' und meinem heftigen Nicken reduziert sich die Summe spürbar auf 500.- Kronen pro Person. Mit Quittung. Das ist nochmal gut gegangen, keine Willkür diesmal. |
Strassentheater auf der Kleinseite |
Als ich eben bezahle, höre ich hanseatische
Laute. Ein Bikerkollege aus Kiel will wissen, was wir ausgefressen haben. Wie
es sich herausstellt ist er gleich Kollege in doppelter Hinsicht: XJ 900-Treiber
aus dem hohen Norden, seine ist Baujahr 1983, also eine echte Antiquität,
was mich bezüglich der Laufzeit meines soliden Tourers noch hoffen lässt.
Wir verabschieden uns und fahren weiter Richtung Brezineves, in den nächsten
Stau. |