Stuttgart - Nürnberg
- Marktredwitz - Cheb - Karlsbad - Prag
541Km /
reine Fahrzeit 7:15 Std.
Es kommt hin und wieder anders als man denkt: Über Tschechien, Südpolen und die Slowakei wollten wir in die Karpaten fahren, bis ins Riesengebirge sind wir schliesslich nur gekommen. Ein kurzer Ausflug, gemessen am ursprünglichen Ziel. Dennoch sollen die wenigen Tage des Reisens, die uns viel Spass gemacht haben, beschrieben werden. So, nun der Reihe nach: Ich hatte mich lange auf
diese ungewöhnlich interessante Tour in den Osten vorbereitet, Bücher
gewälzt, Städtehighlights ausgesucht und Routen berechnet. Ohne Elischka
wären allerdings einige besonders schöne Routenabschnitte mangels Literatur
an uns vorbeigegangen. Ihre Tipps waren Gold wert, die Telefonate und Internetrecherchen
auf tschechisch, slowakisch und polnisch gar nicht zu erwähnen. In Gegenden,
in denen der Tourismus nicht eben entwickelt ist, ein Quartier zu haben, ohne
lange suchen zu müssen, kann man gar nicht hoch genug schätzen! Man
sollte vielleicht erwähnen, dass Elischka eine junge tschechische Kollegin
ist, die uns mit Begeisterung ihre Heimat mit ihren Schönheiten schmackhaft
machte, es gebührt ihr mein besonderer Dank. |
Wir fahren auf der B27 aus Stuttgart heraus über Schorndorf, Aalen Richtung Nürnberg, an diesem vorbei über Bayreuth bis zum Aufstieg ins Fichtelgebirge. Die Strassenverhältnisse sind bekanntermassen gut, es gibt kaum Lkw-Verkehr, wir kommen zügig voran. Hinter Bad Berneck steigt die B 303 sanft an, es gibt einige Kehren und schon ist man auf 770m im Fichtelgebirge. Nadelwald, einige Seen und viel Ruhe findet man hier oben. In einem urigen Gasthaus in unmittelbarer Nähe der Quelle des Weissen Main kehren wir ein und genehmigen uns in der Vorausschau der auf uns zu kommenden böhmischen Küche ein deftiges Knödelessen. So gestärkt fahren wir auf einer langen Geraden, die steil den Berg wieder hinabführt ins Egerland nach Marktredwitz, dem letzten grösseren Ort vor der tschechischen Grenze. Die Eger, tschech. Ohre, ist linker Nebenfluss der Elbe in Bayern und der Tschechischen Republik, entspringt am Nordhang des Schneeberges im Fichtelgebirge und mündet bei Leitmeritz, tschechisch Litomerice, in die Elbe. Nach der Eger ist das historische Egerland in Nordwestböhmen benannt und die deutsch-böhmische Stadt Eger, tschechisch Cheb, die bereits 1061 Egire hiess. Der Flussname geht übrigens auf das 9. Jahrhundert zurück. | Stilles Naturidyll im Fichtelgebirge |
Eger: Statue des Ritters Roland, er symbolisiert die Freiheit der Städte im Mittelalter. Die Bevölkerung nannte ihn despektierlich 'Wastl' | Besonders ansprechend ist Marktredwitz
nicht gerade. Nach einer kurzen Pause in aufziehenden Schlechtwetterwolken folgen
wir der B 303 weiter ostwärts und gelangen an Arzberg vorbei zur Grenzstation.
Hier werden wir vom deutschen St. Bürokratius kontrolliert, der Tscheche
winkt uns nur durch. Wir sehen zwar nicht gerade wie eine Schlepperbande oder
flüchtige Verbrecher aus, unser Gepäck könnte allerdings einem
längeren Fluchtvorgang entsprechen, wollen's dem Mann mit seiner deutschen
Kontrollwut also nachsehen. Wir sind in Böhmen, pardon, 'Wästbeehmen bittäh', man spricht in diesem Land deitsch mit einem herrlichen Akzent! Und: Es bleibt trocken. Nun sind es nur noch wenige Kilometer bis Cheb, dem ehemaligen Eger. Die Strasse ist gut asphaltiert und lässt ohne Probleme auch höhere Geschwindigkeiten zu. Von Elischka kenne ich die Tarife der Rennleitung, die allerdings für tschechische Bürger anders sein sollen als für Ausländer, das sollte man berücksichtigen und wir passen unsere Geschwindigkeit an die Bedürfnisse des tschechischen Gesetzgebers an. Die berüchtigten Löcher im Asphalt tun sich zumindest hier noch nicht auf. Auch halte ich vergeblich nach den Vietnamesenmärkten und den berüchtigten Gartenzwergständen Ausschau, sie sind heute nicht da. Kurz vor der Stadt sehe ich auf der Gegenspur dafür etwas Anderes: Eine Radarfalle, der zugehörige Polizist liegt hinter einer Leitplanke auf der Lauer, für den Verkehr völlig unsichtbar. Holzauge sei wachsam für die weitere Tour! |
Cheb (Eger) präsentiert
sich wie die meisten ehemaligen Ostblockstädtchen: Triste Aussenbezirke mit
hässlichen Häusern und ein Ortskern aus dem Bilderbuch. Der zentrale,
gepflasterte Platz wartet mit grossartiger Architektur auf. Nach einem Rundgang
und einem kleinen Espressopäuschen, das wir mit Blick auf das Treiben um
uns her und den schönen Platz einlegen, besteigen wir erneut die Bikes und
verlassen die Stadt, die Goethe besungen hat und in der Wallenstein sein unrühmliches
Ende fand. Mehr Zeit haben wir heute nicht, v.a. die Kaiserburg können wir
nicht mehr besichtigen. Auf der breit ausgebauten E48 geht es ostwärts im zunehmenden und warmen Sonnenschein Richtung Karlsbad (Karlovy Vary). Eine Schande ist der nicht enden wollende Strassenstrich, an dem sich sehr junge, knapp bekleidete Frauen aus dem gesamten ehemaligen Ostblock feilbieten müssen. Es ist zum Kotzen. Was für ein Betrieb hier des Nächtens herrschen muss kann man sich lebhaft vorstellen. | Rokoko- Fassaden....(Gabler Haus) |
Eger in Kürze:
Eger, (tschechisch Cheb), Stadt im Westböhmischen Gebiet, an
der Eger, Hauptort des historischen Egerlandes, 31600 Einwohner; Maschinen-, Textil-
und chemische Industrie; bedeutender Verkehrsknotenpunkt. 'Ich
hab hier bloss ein Amt und keine Meinung' |
....und hübsche, windschiefe Häuser wie z.B. der Spalicek |
Überall locken kleine Kneipen und Cafés |
Die Strasse aus Eger hinaus verläuft anfangs schnurgerade nordostwärts. Wir fahren durch hügeliges und teilweise bewaldetes Gelände, Landwirtschaft dominiert die Szene. An Sokolov vorbei führt die Route. Kurz vor Karslbad sehe ich einen Abzweig Richtung Loket, einem Tipp von Elischka. Die Böhmische Königsburg Loket (Ellbogen) wurde im 12. Jh. als Trutzburg zum Schutz der Grenze errichtet, sie wurde damals als Schlüssel zum Königreich Böhmen bezeichnet. Also abgebogen und nach ca. 10Km auf einer schmalen Landstrasse stehen wir unvermittelt vor einer steil aufragenden Burg, die auf einem Felsen thront. Über die Eger, die unseren Weg begleitet hat und hier einen Mäander bildet (daher wohl der Name), führt eine alte Steinbrücke und schon fahren wir auf den Marktplatz des Örtchens unter der Burg. Auch hier, wie schon in Cheb, sehen wir nur liebevoll restaurierte und reich verzierte Fassaden. Inmitten des Dorfes steht ein schöner Brunnen, um den herum sich Menschen aller Altersstufen versammelt haben, die uns neugierig und distanziert mustern. Wie häufig in Tschechien ist auch hier der innerörtliche Strassenbelag aus Pflastersteinen bestehend. Wir rumpeln zu einem Parkplatz und geniessen ein paar Minuten diesen beschaulichen Ort. | Loket: Gewaltige Burganlage oberhalb.... |
....der Eger | Entzückender Dorfplatz, Dreifaltigkeitsstatue |
.... | .... |
Die Sonne kommt langsam zurück, es ist
ausgesprochen warm geworden. |
Loket in Kürze:
"Heute waren wir in Loket, das über alle Beschreibungen
schön liegt und sich als ein landschaftliches Kunstwerk von allen Seiten
betrachten lässt." Johann Wolfgang von Goethe war oft und gern im Gebiet
der westböhmischen Kurorte. Dreimal fuhr er durch Loket ohne Halt zu machen,
zehnmal verblieb er einige Stunden. |
Zwei Hotels tragen heute den Namen Goethes. So man
Zeit hat, wäre eine Burgführung sicher interessant, ebenfalls sollte
man sich auch die Porzellanausstellung nicht entgehen lassen. Wir haben diese
Zeit heute nicht, leider, es ist zu schön das Plätzchen! Das kurze Stück zurück zur Hauptstrasse ist schnell gemeistert und nach wenigen Kilometern ostwärts im Egertal sind wir in Karlsbad (Karlovy Vary). Hier wieder das gleiche Bild: Tristes Umfeld und schmucker Kern, allerdings mit Schönheitsfehlern. Rainer nennt die Innenstadt treffend eine Mischung aus Wiesbaden, Baden-Baden und Pforzheim. Wer Pforzheim, die vielleicht hässlichste deutsche Stadt kennt, weiss genau, was gemeint ist. Wir fahren direkt ins Zentrum, an einem Schild vorbei, das unschwer als Verbotsschild zu erkennen ist mit einem Zusatz allerdings, den wir mutig als Genehmigung für Biker interpretieren. | Angekommen in Karlsbad |
Kurherrlichkeit und ein.... | ....zur Liegewiese umfunktionierter Park |
Fiaker-Taxi | So
stehen wir unvermittelt am ehemaligen Kurpark, parkieren direkt am Fluss Tepla
und erkunden das berühmte Kurbad, in dem sich alle KuK-Prominenz, Goethe,
Beethoven und unzählige Andere kuriert haben, per Pedes. Uns fällt dabei,
neben den sozialistischen Bausünden, der erst teilweise erfolgte Renovierungsfortschritt
auf: Neben wundervollem Jugendstil und Renaissancefassaden sieht man doch hie
und da ziemlich angegriffene und angefressene Häuserfronten. Die Innenstadt
ist Fussgängerzone mit Fiaker-Taxis für die Fusslahmen. Viele Geschäfte
im westlichen Stil und einige Kaufhäuser ergeben ein Bild, das o.g. Beschreibung
entspricht. Als herausragende Bausünde sieht man im Zentrum eine gehörige
Dissonanz: Kilian Ignaz Dientzenhofers Dekanalkirche St. Maria Magdalena von 1736,
eines seiner reifsten Werke, blickt hinab auf eine Sprudelkolonnade von 1975,
die den Charme einer Bahnhofskneipe ausstrahlt. Die berüchtigten Russen,
die hier ihre Mafia-Dollars verprassen sollen sehen wir nicht, wen wundert's?
Sie werden wohl kein Schild um den Hals haben. |
Karlsbad in Kürze:
Karlsbad (tschechisch Karlovy Vary), Stadt und Kurort im Westböhmischen
Gebiet, Verwaltungssitz des Bezirkes Karlsbad, an der Mündung der Tepla in
die Eger, 374m über dem Meeresspiegel, 54700 Einwohner; seinen Weltruf verdankt
es seinen zwölf alkalischen Glaubersalzquellen (bis 72ºC); Porzellanindustrie,
Glaswerk, Oblatenbäckerei, Herstellung von Karlsbader Salz (Glaubersalz),
das als Abführmittel Furore machte und bis heute noch macht. |
Mondäne Fassaden an der Tepla entlang |
Städtisches Getriebe |
Im Park vor dem schönen Kurhaus
tummeln sich die Einheimischen auf der Wiese und geniessen die Sonne. Wir haben
noch ein schönes Stück zu fahren und brechen nach dem Rundgang wieder
auf. Das Tal der Eger lassen wir auf der E48 in südöstlicher Richtung
hinter uns. Breit ausgebaut ist sie, die Strasse, aber mit einigen Bitumenschmierereien
und unerwarteten Löchern versehen, die sich auftun, sodass wir eine (etwas)
langsamere Fahrweise als bisher wählen. Neben denvielen Lkws, die sich mautfrei
Richtung Prag bewegen und teilweise richtig tiefe Spurrillen hinterlassen haben,
fällt uns die ungezügelte Rasermentalität der hiesigen Kfz-Lenker
auf. Als Biker scheint man nur ein nebensächliches Faktum des Strassenverkehrs
zu sein und ich werde einige Male übel geschnitten. Geschwindigkeitsbeschränkungen
sind in Tschechien offensichtlich eine Aufforderung zur Verdopplung der angezeigten
km/h. So erreichen wir Krusovice, wo eine grössere Brauerei steht, es riecht
nach Malz und man sieht von der Strasse aus die Braukessel. Wir machen einen kurzen
Halt an einer Tankstelle, bevor wir weiter nach Prag fahren. |
Böhmische Landschaft zwischen Karlsbad und Prag |
Als wir den günstigen Sprit (1 Ltr. Super kostet 23,50.- Kronen) tanken,
sehe ich in unmittelbarer Nachbarschaft eine Holzbude, die Raststätte und
Lädchen ist. Auffällig sind sofort die zu Hunderten (oder waren's weniger?)
aufgestellten Gartenzwerge in allen Farben und Daseinsformen. Naja, wir müssen
schliesslich keine mitnehmen. |