Siebter Tag:


 Borgonovo Ligure- Chiavari - Rapallo - Sta. Margherita - Portofino - Genua - Borgonovo (115 Km)

Ich blinzele am frühen Morgen, sehr hell, denke ich. Schlagartig bin ich wach und reisse die Läden auf: Ein wolkenloser, strahlender Himmel empfängt uns an diesem Tag. Endlich, das Herz hüpft nach all den Regentagen. Wir wollen heute die Küste rauf bis Genua, Abends sind wir wieder hier, wir müssen schliesslich der Einladung unserer Gastgeber nachkommen. Nach dem kleinen Frühstück kurven wir auf dem bereits abgetrockneten Strässchen ins Tal, durchfahren Borgonovo Richtung Chiavari. Nur etwa 15Km trennen uns von der Küste - und deren Preise -. Ich habe noch die Stimme Rainers im Ohr, der wieder einmal noch einen Kaffee will, als ich während der Durchfahrt durch Carasco links an der Strasse ein Autolavaggio sehe. Nun geht der Spiesser mit mir durch. Meine Xj hat einige Chromteile, die nach den Schlammschlachten der vergangenen Tage furchtbar verdreckt aussehen, hier kommt das Lavaggio genau richtig. Ich verfrachte Rainer in ein Café, so ist er glücklich und ich gehe mein Bike kurz abbürsten. Aus Zeit- und Spritzgründen lass ich meinen Helm auf dem Kopf. Was ich damit anrichte, ist mir nicht klar. Kurz, die Karre blitzt und blinkt nach fünf Minuten (fast) wie am ersten Tag und ich gehe auch noch einen Caffé nehmen, dann fahren wir weiter bis Chiavari.


Morgenblick aus meinem Fenster

Die Küste bei Chiavari

Rapallo
Die Stadt gehört zu den teuersten Italiens, erfahren wir; und vor allem reichen Mailändern, die hier Ferien machen. Sie hat fraglos eine der schönsten Altstädte der Levante. Allerdings muss man tatsächlich hineinfahren, um dies sehen zu können, an der Küste präsentiert sie sich eher schmucklos. Im Inneren dominieren Laubengänge und Arkaden. Ein weiter Strand liegt vor ihren Toren. Wir fahren weiter ins benachbarte Rapallo, dem wohl bekanntesten Ort der Region. Hier wurde Geschichte geschrieben. Nicht nur politisch, nein, viele Intellektuelle und Schriftsteller, wie Hauptmann, Werfel, von Unruh und andere verbrachten hier ihren Urlaub. Wir halten an der palmengesäumten Uferpromenade und geniessen den Ausblick, der wie gemalt wirkt. Der Blick geht über mondäne Grand Hotels, davor pulst das Leben, oder knattert, wenn man die vielen Roller betrachtet, auf denen sich manch hübsche ligurische Schönheit mit einem Affenzacken (schwäbisch) den Weg durch den Verkehr bahnt.

Die Küste bei Rapallo
Nach einem kurzen Aufenthalt fahren wir die kleine Küstenstrasse Richtung Portofino. Diesen mondänen Ort des Jet-Set wollen wir sehen. Schon die vielen grossen Limousinen, die unseren Weg nehmen, lassen auf das gehobene Durchschnittseinkommen der Region schliessen. Wir durchfahren Santa Margherita Ligure, ehemals ein verträumtes Fischerdorf, das sich zu einem mondänen Ferienort gewandelt hat. Es liegt eindeutig ein nobler Touch über dem Ort mit seinem grossen Yachthafen und den Grand Hotels. Hier logierten regelmässig Frau Garbo und die Callas. Hinter Sta. Margherita fällt v.a. die zugeparkte Strasse auf. Noch ein paar Kurven und wir sind in Portofino. Vor der Küste kann man die multimillionenteuren schwimmenden Unterkünfte der High Society dümpeln sehen. Portofino ist wunderschön. Allerdings, und das fällt mir sofort auf, fehlen die sonst üblichen Zeichen normalen italienischen Lebens, die wir bisher in den Dörfern der Küste sehen konnten:
Nicht ein Wäschestück hängt vor den Fenstern. Wahrscheinlich hat man den letzten, verbliebenen Einheimischen dieses nützliche und zweckmässige Tun aus Gründen der Augenschonung der Hochfinanz untersagt. Oder so ähnlich. Für uns stellt sich nun akut das Parkplatzproblem. Alles besetzt, der Motorradparkplatz ist mit Rollern zugestellt. Davor eine Angehörige der Polizia municipale. Ich will nicht schon wieder 65.- Euro fürs Parken hinblättern und stehe etwas verlegen in der Gluthitze der Mittagssonne herum, als Rainer strahlend zurückkommt und meint, für 8.- Euro! einen billigen Platz vor einer Werkstatt gefunden zu haben. Das ist mir, ehrlich gesagt, etwas zu teuer und siehe da, ein Roller parkt aus und ich kann meine Xj in die Lücke zwängen, die nichts kostet. Glück muss man haben. Nachdem das Parkplatzproblem gelöst ist, beschreiten wir die Gassen des von Errol Flynn, Humphrey Bogart und Lauren Bacall entdeckten Dörfchens. Zu deren Zeit und mit ihnen begann nämlich Portofino, das von Klaus Mann als der allerschönste Ort der italienischen Küste bezeichnet wurde, seinen Aufstieg zur Jet-Set-Oase. Sehen und gesehen werden sind heute die wichtigsten Aspekte des Dorflebens.

Portofino....
Wir sehen ausser einigen Luxusyachten niemanden, der diesen Kreisen zuzuordnen wäre, oder erkennen ihn einfach nicht. Was wir sehen ist ein ehemaliges Fischernest, das wunderschön herausgeputzt ist. Am herrlich gelegenen Hafen setzen wir uns nach einem Rundgang ins Café. Wir bestellen ein Eis, das scheint nach einem Blick in die Karte noch einigermassen kostengünstig zu sein. Ein kleines Cola kostet 4,50.- Euro, nun vielleicht schwimmen da Goldplättchen drin, wer weiss? Das Eis kommt. 6.- Euro für das schlechteste Eis, das wir je in Italien genossen haben, Dr. Oetker lässt grüssen. Aber wir waren dort, in Portofino, allein das zählt! Der geneigte Leser möge mir meinen Sarkasmus verzeihen, aber Nepp bleibt Nepp auch wenn die Kulisse äusserlich noch so schön ist. Nach einer kurzen Verweildauer kehren wir zu unseren Bikes zurück und fahren die Strecke bis Sta. Margherita zurück. Dort biegen wir links in die Steilküste ab, die wir auf der S1 wieder hoch über dem Meer mit grandioser Aussicht befahren. Ein hübsch gelegener Ort, Camogli, lädt uns zu einer kurzen Besichtigung ein. Die Innenstadt ist wieder gesperrt für Fahrzeuge, wie das in Italien langsam zum Standard geworden zu sein scheint. Hier finden wir wiederum keinen Parkplatz. Rainer ist etwas mutiger geworden und parkt in der verbotenen Zone. Als ein Polizist mit seinem Alfa Romeo kommentarlos an ihm vorbeifährt, nimmt er es als Aufforderung, hier stehen zu bleiben. Ich kenne die Tarife und bin unschlüssig, als der Polizist wendet und kurz die Anweisung erteilt, uns gefälligst einen legalen Platz zu suchen, was aussichtslos ist, da alles belegt ist. ....Anarchisches Italien, wo bist Du geblieben....? Also fahren wir weiter, Camogli ade.

....der Hafen

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Santa Margherita Ligure....

....von der Küstenstrasse aus gesehen

Der malerische Ort....

....Camogli

In der Ferne ist bereits Genua zu erkennen, das wir nach einer halben Stunde erreichen. Die Aussenbezirke sind nicht sehr einladend. Die Altstadt entpuppt sich als Juwel. Um sie zu betreten, müssen wir wieder einmal ein Parkplatzproblem lösen, alle Motorradplätze sind besetzt. Was uns auffällt, ist, dass sich unglaublich viele Carabinieri in der Stadt aufhalten, überall sieht man Mannschaftswagen stehen. Ist das etwa Berlusconis neue Politik? An einem Parkplatz fahre ich frech neben einen Carabinierilaster und wir fragen scheinheilig, ob wir hier parkieren können. Der junge Beamte mustert unsere Bikes und meint dann, kein Problem. Als wir absteigen, kommt ein Kollege ums Eck und will gerade die Backen aufblasen, als der andere ihm mitteilt, wir hätten seine Erlaubnis. Abschliessen erübrigt sich neben soviel Staatsgewalt wohl und wir schreiten gen Innenstadt. Der Rundgang durch diese grosse Stadt ist wirklich ein Erlebnis. Wir besichtigen den Dom, schlendern durch die engen Gassen voller Leben und geniessen die Auslagen der vielen kleinen Geschäfte. Am Hafen sehen wir den Nachbau einer genueser Galleone, vollgestopft mit Kanonen und man begreift, dass diese Stadt über Jahrhunderte hinweg das Mittelmeer beherrscht hat. Grosse Familien, wie die Fieschi oder die Doria hatten einen erheblichen Anteil an der Gestaltung der europäischen Politik und Kultur. Später erfuhren wir den Grund des Polizeiaufgebotes: Am heutigen Tag jährten sich die Krawalle von Genua, bei denen es durch rohe und überzogene Polizeigewalt einen Toten gegeben hat und es fand eine friedliche Demonstration mit 50.000 Teilnehmern statt, da waren wir allerdings schon wieder weg.


Am Horizont: Genua

....bewachter Parkplatz

 Genua in Kürze:

Genua (italienisch Genova) ist Hauptstadt der Region Ligurien und Provinz von Genua, hat 641400 Einwohner und ist einer der bedeutendsten Häfen des Mittelmeeres. Genua ist Erzbischofssitz, es verfügt über eine Universität (gegründet 1471), eine Musikhochschule, die Kunstakademie, viele Museen (u.a. Nationalgalerie) und verschiedene mit der Seeschifffahrt verbundene Einrichtungen, wie zahlreiche Reedereien. Der Insustriestandort umfasst Maschinen-, Schiffbau, Stahlwerke, Erdölraffinerien, Nahrungsmittel-, Textil-, Papier-, Kunststoff- und chemische Industrie. Hier ist Ausgangspunkt von Erdölleitungen in die Poebene, die Schweiz und nach Ingolstadt. Die Stadt hat einen internationaler Flughafen.
Geschichte: Ligurische Gründung, römischer, später byzantinischer Flottenstützpunkt, unter Karl d.Gr. Teil einer fränkischen Mark, kommunale Selbstverwaltung etwa seit dem 11.Jahrhundert. Konkurrent der reichen Handelsstadt war Pisa, gegen das sich Genua im 13.Jahrhundert durchsetzte (Herrschaft über Korsika und Elba), gegen Venedig unterlag es 1380. Seit den Kreuzzügen besass Genua die Inseln Chios, Lesbos und Samos sowie einige Plätze an der Nordküste des Schwarzen Meeres, die nach 1453 verloren gingen. An die Spitze des Freistaats trat 1339 ein Doge. Seit 1396 stand Genua unter der Herrschaft Mailands, Neapels, Frankreichs und Montferrats, bis es 1528 durch Andrea Doria befreit wurde, der eine aristokratische Verfassung durchsetzte. 1768 verkaufte es Korsika an Frankreich. 1797 wurde es von den Franzosen in die »Ligurische Republik« umgewandelt und 1805 dem napoleonischen Kaiserreich einverleibt; 1815 kam es an Piemont-Sardinien, mit diesem 1860 zum Königreich Italien. Während der Konferenz von Genua (10.4. - 19.5. 1922) schlossen die Vertreter des Deutschen Reichs und Sowjetrusslands den Rapallovertrag.
Stadtbild: Wahrzeichen der Stadt ist der 85m hohe Leuchtturm (Torre della Lanterna) von 1544. Der mittelalterliche Stadtkern erstreckt sich um die Kathedrale San Lorenzo (1118 geweiht, später mehrfach erneuert), Palazzo Ducale (ehemaliger Dogenpalast, 1291 begonnen) und die Piazza San Matteo mit den Palästen der Familie Doria und der Kirche San Matteo (gegründet 1125, im 13.Jahrhundert umgebaut). Im 16. und 17.Jahrhundert, der künstlerischen Blütezeit der Stadt, entstanden zahlreiche Paläste, z.B. die Palazzi an der seit 1550 von G.Alessi angelegten Prachtstrasse, der heutigen Via Garibaldi, sowie an der Via Balbi. Im Palazzo Spinola (um 1580 erbaut, im Rokokostil umgestaltet) befindet sich heute die Nationalgalerie. Weitere bedeutende Kirchen: Santa Maria di Carignano (1552), Sant' Annunziata (16.Jahrhundert, Barockausstattung), Sant' Ambrogio (16./17.Jahrhundert), San Giovanni di Prè (Ende 12.Jahrhundert), San Donato (12./13.Jahrhundert). Im Norden der Stadt der Camposanto di Staglieno (mit Mausoleen genuesischer Familien). Das Opernhaus »Carlo Felice« (ursprünglich 1828 erbaut, 1943 zerstört) wurde 1983-90 von A.Rossi und I.Gardella wieder aufgebaut und 1991 eröffnet. Um- und Neugestaltung des alten Hafens durch R.Piano (1990-92).


Der Eingang zur Altstadt

Enge Gassen....

....prächtige Palazzi und....

....Kirchen

Nach dem ausgiebigen Rundgang schlendern wir zu unserem bewachten Parkplatz zurück und besteigen die Moppeds. Unser Weg führt uns wieder ins Gebirge. Der Apennin hat uns richtig gepackt und das Wetter ist traumhaft, so richtig einladend zu einer Spritztour. Wir nehmen die S45 Richtung Piacenza. Bis Bargagli geht es autobahnähnlich, dann in weiten Serpentinen ins Gebirge. Wir befinden uns hier im bekannten Trebbia-Tal, das in nordöstlicher Richtung verläuft. Der Verkehr ist spärlich und man kann sich richtig in die Kurven hängen. Nach etwa 45km kommt der Ort Montebruno ins Blickfeld. Hier zweigt eine kleine Passstrasse nach Casoni, nach Osten ab, auf meiner Karte zumindest. Die Abzweigung, die wir zuerst nehmen führt aber woanders hin, was wir schnell merken und umdrehen. Nach einigem hin und her finden wir den Weg ins Aveto-Tal dann doch und fahren ein kleines Strässchen steil ins Gebirge Richtung Passo la Forcella. Wieder waldige Hänge, saftiges Grün und weite Ausblicke.


Im Trebbia-Tal

Montebruno im Trebbia-Tal

Am Passo la Forcella....

Kurvenspass....

....mit grandioser Aussicht

Es ist das pure Vergnügen, hier zu fahren. Allerdings liegt hie und da etwas Sand auf der Fahrbahn und ich habe wieder dieses Gefühl des wegrutschenden Hinterrades, wie damals im Nebel. Nun wird mir klar, was dieses Rutschen ausgelöst hat, nur gesehen haben wirs seinerzeit im Nebel nicht. Wir erreichen die Passhöhe auf 875m im beginnenden Dämmerlicht. In steilen Serpentinen geht es wieder hinab, im Aveto-Tal werden die Kurven breiter, die Geschwindigkeit entsprechend angepasst. Wir fahren eine Schlucht entlang, ein grandioses Naturschauspiel. Durch die warme Luft, in der sich alle möglichen ätherischen Öle zu einem betörenden Duft versammeln und durch diese Kurven, die sich wie beim Skifahren fast tanzend fahren lassen, bekomme ich tatsächlich ein beinahe rauschhaftes Gefühl, das jäh unterbrochen wird, als ein Bus eine Kurve zu sehr schneidet und mich zu einem abrupten Manöver zwingt. Der Fahrer ist ebenso erschrocken, er hat wohl bei diesem spärlichen Verkehr nicht mit uns gerechnet. Aber alles geht glatt und wir kommen bei einbrechender Nacht in unserer Locanda an, wo die Familie bereits am Ofen sitzt. Wir bekommen selbstgemachten Wein kredenzt, in Grappa eingelegte Kirschen - ein Teufelszeug! - und andere Leckereien. Mit zunehmenden Promillegehalt des Blutplasmas wird auch mein italienisch besser und wir erfahren allerlei über die Region, in der früher viel Wein angebaut wurde, was leider einer Rebstockkrankheit zum Opfer fiel, und das Leben in Oberitalien im allgemeinen. Der Apennin ist wohl ein Pilzparadies, v.a. Steinpilze, Funghi porcini, werden wie Blumen gepflückt, pro Person und Tag ca. 10kg. Ich denke sofort an das herrliche Steinpilzrisotto im Agritourismo. Im besonderen fragt Luca plötzlich, ob ich heute mein Bike geputzt hätte? Ich denke, nein, auch noch erwischt worden! Gestehe Spiesser, abstreiten hilft ohnehin nicht, also gebe ich nach einem gemurmelten Versuch, ein technisches Problem gehabt zu haben, mit etwas geknitterter Laune im allgemeinem Gelächter den Umstand zu. Luca schüttelt sich vor lachen und fragt weiter, ob ich dabei meinen Helm getragen habe? Auweia, was für ein lächerliches Bild muss ich da abgegeben haben? Ich wurde also beobachtet und bin zum Gespött des Tales geworden. Sie werden noch lange von dem komischen Deutschen erzählen, der mit diesem irren Helm, der an den Krieg der Sterne erinnert, mit der Hochdruckdüse im Anschlag zur Motorradreinigung schritt. Der Abend klingt feucht und fröhlich aus.



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