Sechster Tag:


 Corvara - Sestri Levante - Varese Ligure - Borgonovo Ligure (100 Km)

Heute fahren wir zu Christina und Luca, doch davon wissen wir noch nichts. Der Morgen präsentiert sich leicht bewölkt, das Wetter soll noch einige Tage schlecht bleiben, im Landesinnern regnet es weiter. Somit werden wir die ursprünlich geplante Route in den südlichen Apennin endgültig sausen lassen und uns weiter hier im Norden aufhalten, wo es uns auch ausnehmend gut gefällt.
Nach dem Frühstück und der deutlich reduzierten Getränkerechnung bedanken wir uns nochmals herzlich, besteigen die Moppeds und fahren das kleine Strässchen zurück und über Pignone erneut zur Küste, biegen aber vor Monterosso rechts ab, also nach Nordwesten, Richtung Levanto, wo wir kurze Zeit später nach einer kurvigen Abfahrt ankommen. Levanto ist der touristische Nachbar der Cinque Terre, der zu den beliebesten Badeorten Oberitaliens zählt. Hier dominieren Hotelbauten und Appartements die Stadt sowie ein langer Strand, der gut gefüllt ist. Der Ort liegt an der Riviera di Levante, zu der eigentlich auch die Cinque Terre gehören, denn sie zieht sich von Genua bis La Spezia. Es ist eine schroffe Steilküste, die Ausläufer der ligurischen Apenninen schieben sich bis ans Meer heran. Bekannt wurde die Küste für ihre mondänen Orte wie Portofino, Santa Margherita Ligure oder Rapallo, wo der deutsch-sowjetische Vertrag 1922 geschlossen wurde. Unsere leeren Tanks füllen wir auf und fahren zurück in die Berge zur Via Aurelia oder S1, derjenigen italienischen Strasse, die die Küste von Ventimiglia bis ans Stiefelende verbindet. Eine Eigenart der Steilküste ist es, dass man nur gezielt von oben an die Orte gelangt, eine weitere, dass man hoch oben über dem Wasser fährt und grandiose Ausblicke hat. Die S1 ist wunderbar zu fahren, griffiger Belag, weite Kurven und eine sagenhafte Aussicht. Vor Sestri Levante biegen wir erneut an die Küste ab, in steilen Serpentinen erreichen wir Moneglia, ein hübsches Städtchen. Hier kann man Richtung Sestri an der Küste langfahren, allerdings durch lange Tunnels, die nur einseitig befahrbar sind, sodass jeweils Wartezeiten von 20 Minuten abgewartet werden müssen, bis man grünes Licht bekommt und fahren darf.


Levanto

Moneglia....

....die ampelbewehrte Tunnelzufahrt nach....
Danach geht es gut 15 Minuten in schwach oder unbeleuchteten Tunnels bis Sestri Levante, das einen mit einem hässlichen Industriekomplex empfängt. Doch das soll nicht täuschen: Sestri ist einer der stimmungsvollsten Badeorte an der ligurischen Küste. Seine Altstadt thront auf einer flachen Landzunge, die sich in die Riviera erstreckt. Unbedingt anzusehen sind die Isola, die der Stadt vorgelagert ist, sowie die beiden Stadtstrände an der nach Norden gelegenen Märchenbucht. Oder die Bucht des Schweigens, die aber genauso märchenhaft ist, wie die o.g. Einige schöne Kirchen und Palazzi, sowie die von farbenfrohen Stadthäusern eingerahmte Ladengasse sind weitere Highlights. Leider war mein Foto nicht funktionsfähig, sodass Bilddokumente hiervon fehlen. Etwas Besonderes wird in der Gelateria Caruggio geboten: Preisgünstiges Eis in höchster Qualität, auch bei den Einheimischen ein Hit.

....Sestri Levante

Ligurischer Apennin im Varatal
Wir begnügen uns mit einer Pizza und machen uns dann wieder auf den Weg. Da das Wetter trocken zu bleiben verspricht, fahren wir wieder in den schönen Apennin ins Varatal, das hinter Sestri in nordöstlicher Richtung aufsteigt. Kaum Verkehr, die üblich gut ausgebauten Strassen lassen das Gekurve wieder zum Genuss werden. Nach etwa 20Km erreichen wir ein schönes Städtchen: Varese Ligure. Es ist jetzt richtig heiss und das Schild 'Gelateria' lädt uns auf der Piazza direkt ein, Platz zu nehmen. Als wir unser Eis bestellen sollen, probieren wir erst einige Sorten an der Theke, bevor wir uns festlegen. Das Eis ist ein Gedicht. Vor uns liegt der Platz in der Sonne, wir sehen den ganzen Ort geschmückt und erfahren, dass hier am Abend Opernvorstellungen im Freien stattfinden. Varese ist das Zentrum des oberen Varatales. Der Ortskern ist als Borgo rotundo weithin bekannt für seine Schönheit. Ein kreisrunder Grundriss liegt der Innenstadt zugrunde und stammt aus dem 14.Jh. Um uns sind die engen Ladengassen des Stadtteils Borgo nuovo zu bewundern.

Varese Ligure

Im Nebel am P. d. Bocco
Nun passiert mir ein Fehler. Eigentlich wollten wir über den Passo di Cento Croci weiter in den Norden des Apennin, ich verpasse aber die richtige Ausfahrt aus Varese Ligure und schon bald finden wir uns an den Hängen des Gebirges auf kleinen Strässchen wieder, ohne Orientierung. Nach einigem Gesuche auf der Karte, denke ich wieder zu wissen, wo wir sind und schlage eine Querung zum Passo del Bocco über das Dorf Scurtabo vor, der uns wieder auf grössere Strassen bringt. Mein Kompagnon ist es zufrieden. Wir passieren die Grenze zur Provinz Genua. Die Gegend begeistert mit ihren schmalen, kurvigen und einsamen Strässchen und den den typisch gebauten kleinen Dörfern, die wir durchfahren. Man sieht wenige Menschen, die meisten sind wohl bei der Feldarbeit. Nun hat leider das Wetter wieder zugezogen, es beginnt zu tröpfeln. Wir haben eigentlich keine Lust mehr, uns schon wieder einnässen zu lassen, und da die Wolken bedrohlich scheinen, beschliessen wir die Unterkunftsuche. In Scurtabo steht eine Albergo, die auch Zimmer hätte, da reisst der Himmel wieder etwas auf. Wir entscheiden doch noch ein Stückchen zu fahren und schrauben uns über enge Kurven weiter hinauf in die Berge. Um uns herum sattes Grün, duftende Wiesen und Wälder. Plötzlich Nebel. Wir sind mitten in die Wolken geraten und sehen die Hand nicht vor Augen. Die Strassen sind nicht befestigt und so geht es im Schneckentempo voran. Es wird zunehmend frischer, manchmal denke ich, dass mein Hinterrad wegrutscht. So erklimmen wir tausend Höhenmeter und erreichen im Nebel den Passo del Bocco auf 954m und damit die Provinz Genua. Nach etwa zwei Kilometern Abfahrt vom Pass, die mehr ein Gestochere im Dunkel ist, reissen die Wolken auf und wir sehen wieder die Landschaft. Grandiose Aussicht, wenn auch etwas im Wolkenschleier. Regnen tut es nicht. Die restliche Fahrt vom Bocco ins Aveto-Tal nach Borgonovo Ligure gestaltet sich angenehm mit weiten Kurven, schönen Ausblicken und romantische Dörfern, wie z.B. San Siro Foce.

Aussicht vom P. d. Bocco, San Siro Foce
In Borgonovo Ligure beginnen wir, da es schon Abend wird, erneut mit der Quartiersuche. Etwa zwei Kilometer nördlich des Dorfes sehe ich ein Schild, das eine Locanda signalisiert. Wir biegen ab und fahren ca. drei Kilometer auf einer schmalen Strasse durch den Wald einen Abhang hinauf. Da sehen wir auf der rechten Seite ein recht neues Häuschen und biegen in die Einfahrt. Die junge Frau, die uns öffnet, sagt uns, dass wir richtig sind und dass sie Zimmer hat. So beziehen wir ein neu errichtetes Häuschen. Wir sind die einzigen Gäste, der Preis ist ungeschlagen. Es riecht nach frischen Farben, so neu ist alles. Als wir es uns bequem gemacht haben, stellt sich die Frage nach dem Essen. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, wieder in ein Restaurant zu gehen, sondern schlage ein zünftiges Vesper mit Vino, Brot, Salami und Käse vor. Also fahren wir wieder zurück ins Dorf und versorgen uns in einem kleinen Laden mit dem Gewünschten. Direkt an unser gemietetes Häuschen grenzt ein mit einer Trockenmauer umgrenzter und überdachter Raum an, in dem ein selbstgemauerter Pizzaofen untergebracht ist.

Dort laden wir unsere Mitbringsel ab. Als wir die Bikes gerade in der Garage untergebracht haben, hören wir ein entferntes, aber lautes Rauschen, das näher kommt. Luca, so heisst der junge Italiener, dem die Locanda gehört, sagt uns, dass man so hier im Apennin den Regen kommen hört. Und richtig: Das Rauschen wird immer lauter, fast ein Donnern, als es um uns herum plötzlich giesst wie aus Kübeln. Wir flüchten unter unser Dach und bereiten unser Essen vor, für das Christina, so heisst die junge Gattin von Luca, uns Teller, Gläser und Besteck gerichtet hat. Als wir essen, blitzt und kracht es ohne Unterlass um uns herum, teilweise schlagen die Blitze in unmittelbarer Nähe ein, sodass uns doch etwas mulmig wird. Nachdem das Getöse schliesslich nachlässt, futtern wir mit Appetit und der Wein schmeckt nach diesem Erlebnis nochmal so gut. Ein Gewitter im Freien und dazu im Gebirge hat schon etwas beängstigendes. Christina kommt nochmal kurz vorbei und lädt uns für den nächsten Abend zu selbstgebackener Pizza aus ihrem Ofen ein.


Die Locanda hoch im Apennin, links 'unser' Haus

Nach dem Gewitter


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