Berceto - Passo di Cisa - La Spezia - Portovenere - Corvara (Ligurien) (75 Km)
Der heutige Tag beginnt mit etwas Sonnenschein bei leicht bewölktem Himmel. Es ist warm, die Kleider sind quasi trocken geworden über Nacht und so brechen wir nach einem kleinen Frühstück auf und fahren die letzten 5Km auf den Passo della Cisa, der auf 1041m seine Passhöhe erreicht, gleichzeitig Wasserscheide und Grenze zur Toskana ist. Unser Weg führt jetzt im toskanischen Apennin in südlicher Richtung abwärts nach Pontremoli. Im Bereich der Passhöhe ziehen wieder dichte Wolken heran, die Sicht ins Magra-Tal, in das wir jetzt fahren und auf die umgebende Landschaft bleibt hinter Schleiern leider verhangen. Die Strasse führt über weite Serpentinen ins Tal. Es herrscht, wie am Vortag, kaum Verkehr. Pontremoli ist ein kleines hübsches Städtchen, das wir passieren und ab Aulla treffen wir auf den Verkehr, der von Reggio nell'Emilia kommt, sodass es kurz vor La Spezia doch recht voll wird auf der Strasse. Vor La Spezia überqueren wir die Grenze zu Ligurien und rechtzeitig zu unserer Ankunft am Hafen der Stadt haben sich die Wolken ins Gebirge verzogen, wir geniessen den strahlenden Sonnenschein und die Hitze, die sich jetzt entwickelt nach den Tagen voller Wasser. |
Passhöhe des Passo della Cisa |
Pontremoli im Magra-Tal |
Der Hafen von La Spezia |
Am Hafen treffen wir auf ein Bikerpaar aus Wien,
das uns freundlich grüsst und sofort fragt, wie es im Landesinnern
aussieht. Sie haben von der Katastrophe gehört und wollen heute weiter
Richtung Wien via Gardasee/Brenner. Wir können nur von überschwemmten
Strassen berichten. Ich hoffe, sie sind gut durchgekommen. Unsere Gegenfrage
nach der Cinque Terre, von wo sie kommen, beantworten sie mit viel Enthusiasmus,
aber die Preise für Übernachtungen seien astronomisch, bis zu
250.- Euro/Nacht bei Portofino. Nun, da wollen wir mal sehen, First Class
soll es ohnehin nicht sein. Zur Not fahren wir eben weiter. Ersteinmal wollen wir uns allerdings ein Käffchen in Portovenere gönnen, das auf einer Landzunge in der Nachbarschaft von La Spezia liegt. Ich habe gelesen, es soll hübsch sein, also nichts wie hin. Wir umfahren das riesige und in Teilen gesperrte Hafengebiet. La Spezia ist der grösste italienische Militärhafen, man sieht die Kriegsschiffe in Reihe liegen, fotografieren ist streng verboten. Der Hafen liegt in einer Bucht auf dessen vorgelagerte Landzunge Portovenere gebaut ist. Das Strässchen schlängelt sich sehr schön am Wasser entlang und nach etwa 20 Minuten sind wir im Dorf auf der Landzunge. |
La Spezia in Kürze:
Als 'schönster Hafen der Welt' bezeichnete Napoleon den Hafen von
La Spezia, der in einer Bucht des gleichnamigen Golfes an der Küste
der Riviera liegt. Vor allem das umgebende Küstenland, aber auch das
von der Küste aufstrebende Gebirge des Apennin, beherbergt sehenswerte
Kleinodien. La Spezia selbst ist heute eine nüchterne Industriestadt,
sie ist die zweitgrösste Stadt Liguriens, Hauptstadt der gleichnamigen
Provinz, hat 96300 Einwohner und verfügt seit Cavour, dem ersten italienischen
Ministerpräsidenten, über den grössten italienischen Militärhafen,
der weite Teile der Bucht einnimmt. Das führte zu schweren Zerstörungen
im zweiten Weltkrieg, sodass heute kaum noch sehenswerte alte Bausubstanz
vorhanden ist. Ein Besuch lohnt das über der Stadt thronende Castello
di San Giorgio und verschiedene Museen, wie das Museo civico mit zahlreichen
archäologischen und ethnographischen Exponaten, oder das lebendige
Prione-Viertel. Bedeutender sind die Ziele der Umgebung, die über Jahrhunderte
Dichter und Komponisten angelockt haben. Portovenere z.B., hier war Lord
Byron, Shelley oder H.D. Lawrence zu Gange, was dem Golf von La Spezia den
Beinamen Golfo dei Poeti einbrachte, oder Lerici, das neben einem malerischen
Ortsbild über einen langen Strand verfügt, oder Luni, wo der ehemalige
römische Hafen zu besichtigen ist, der gleichzeitig die südlichste
Grenze von Ligurien markiert. Ein Besuch lohnt auch Sarzana mit seinem Kastell
oder Tellaro bzw. Vezzano im Magratal. In Portovenere, das den Genuesern zur Kontolle des Seehandels diente, da es exponiert auf der Landzunge liegt, kann man eine malerische Altstadt, die autofrei ist, und die Kirche San Pietro, die auf einen Felsvorsprung an die Küste gebaut wurde, besichtigen. Hier gibt es eine 'Lord-Byron-Grotte', wo sich der Dichter besonders inspirieren liess. Nördlich von Portovenere beginnt das Land der 'fünf Erden', die Cinque Terre. |
Portovenere: Hafen |
Ein malerisches Fischerdorf |
Die Küste bei Portovenere |
Es ist Mittag in Portovenere. Wie ich es aus Italien nicht anders gewohnt bin, stelle ich mein Bike nicht auf einen markierten Parkplatz, sondern auf ein von Blumenkübeln abgegrenztes Areal, auf dem noch zwei Sitzbänke stehen, ohne allerdings jemanden zu behindern. Rainer parkt gesetzestreu auf einem (dem letzten freien) Motorradplatz. Zuerst gehen wir am Hafen entlang und gewinnen einen Eindruck von den hübschen, teilweise etwas verwitterten Fassaden der ehemaligen - und noch - Fischerhäuser, die am Kai in einer chaotischen Reihe gebaut sind. Sie beeindrucken durch ihre Buntheit, Wäsche flattert fröhlich im Wind, Kinder spielen am Wasser und jede Menge Katzen lümmeln in der Sonne. Unser Spaziergang führt uns weiter zu einer Grotte, die vom Meer gegraben wurde und nach Lord Byron benannt ist, der hier Inspiration suchte und fand. Von dort führt ein kleiner Weg auf den Felsen auf dem die Kirche San Pietro steht. Sie ist äusserlich streifenförmig anzuschauen, eine Besonderheit in Oberitalien. Da man wechselweise weissen Marmor und graues Gestein verbaut hat, entsteht dieser streifenartige Eindruck. Das Kirchlein liegt imposant über dem Meer, sein Inneres ist eher schlicht. Vor der Kirche sehen wir die Überreste der letzten Prozession, die hier stattgefunden hat, überall sind die Felsen, die das Weglein säumen zur Kirche hin, von Kerzenwachs überzogen, Kerzen die man links und rechts einfach auf den Stein gestellt hat. Wir sitzen noch eine Weile über dem Meer, das ich stundenlang anschauen kann, ohne dass mir langweilig würde und gehen dann zurück ins Dorf. Mein Co ist gepackt vom kleinen Hunger und beschliesst, etwas fischiges zu essen, schliesslich sind wir ja am Meer. Ich schliesse mich an. Die Trattoria, die direkt am Hafen liegt, bietet eine entsprechende Auswahl und wir bestellen. Ich muss zugeben, wir sind leider wieder einmal auf eine richtige Touristenfütterung hereingefallen: Meine Muscheln waren schlecht und teuer und das sollte uns endlich eine Lehre sein bezüglich der zu besuchenden Lokale! |
Häuser, wie ein Mosaik |
San Pietro |
Die Riviera di Levante Richtung 5 Terre |
Als wir zu den Bikes zurückkehren
traue ich meinen Augen nicht, denn an meinem
Cockpit klebt ein Knöllchen! Nach langem Suchen entdecken wir den
geforderten Betrag: 65.- Euro für falsches Parken. Ich bin entsetzt.
Anarchisches Italien, Du Land der Nonchalance, der Ausnahmen vom Gesetz,
wo bist Du geblieben!? Auf diese Weise müssen wir es kennenlernen,
das Italien der Verbotsschilder, die neuerdings auch eingehalten werden,
wie wir noch mehrfach feststellen werden während der Tour. Verschämt
packe ich den Zettel weg, nur fort, nicht dass noch ein freundlicher Angehöriger
der Polizia vorbeikommt und sofort kassieren will. Den Strafzettel habe
ich erst mal auf Eis gelegt, da liegt er bis heute.
Unser Weg führt zurück nach La Spezia und von dort über die S1 gen Nordwesten, Richtung Cinque Terre. Über Serpentinen geht es in die Hügel oberhalb der Stadt. Man hat einen grandiosen Blick von hier oben. |
Über den Dächern von La Spezia |
Das Wetter ist weiter instabil und
der Himmel zieht leider wieder zu, sodass wir beschliessen uns nach Unterkunft
umzusehen. Ca. 15km hinter La Spezia zweigt von der S1, die uns durch
Wald und kleine Dörfer in schönen Kurven geführt hat, eine
Strasse Richtung Küste ab, die in eine steile Bergregion führt.
Enge Kurven, teilweise etwas löchriger Belag mit Laub und Sand auf
der Fahrbahn fordern unsere Konzentration. Ich erkenne im Halbdunkel des
Waldes ein Schild mit der Aufschrift 'Hotel' und fahre einen steilen,
geteerten Feldweg in den Wald hinauf. Nach wenigen Kilometern stehen wir
in einem kleinen Bergdörfchen mit dem Namen Corvara. Auf dem Kirchplatz
sehen wir ein frisch renoviertes kleines Hotel, an dessen Türe ein
Zettel prangt. Ich und andere 'normale' Teutonen hätten hier vielleicht
aufgegeben, aber schliesslich fährt mein Rainer mit und wir rufen
die auf dem Zettel stehende Nummer an und fragen nach Zimmern. "Cinque
minuti..." tönt es aus dem Handy und tatsächlich, nach
etwa 5 Minuten braust quietschend ein Fiat mit einer jungen Lady heran,
die uns öffnet.
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Wir besichtigen neu eingerichtete Zimmer mit allem
Komfort, erfahren den Preis, der mehr als akzeptabel ist und quartieren
uns ein. An der Küste hätten wir sicherlich ein Mehrfaches berappen
müssen. Das Hotel gehört einer kleinen Kooperative, die es restauriert
hat und nun betreibt, junge Leute, die sich etwas dazu verdienen. Glück
muss man haben. Auf die Frage, wo man essen kann, beschreibt uns die junge
Frau mehrere Pizzerien und Trattorien in der Gegend. Wir wollen ohnehin
noch etwas biken - trocken ist es geblieben - und machen uns auf den Weg,
die Gegend zu erkunden. Einige nette Dörfer liegen in der unmittelbaren
Umgebung, in Pignone nehmen wir ein Käffchen und erfahren, dass Dienstags
alle Restaurants geschlossen haben. Heute ist Dienstag. Als wir ans Hotel
zurückkommen und berichten, schwingt sich die junge Frau hinters
Telefon und besorgt uns einen Tisch in einem sog. Agritourismo. Davon
haben wir bisher nichts gehört und ordnen den Begriff sofort dem
ökologischen Landbau zu, Alternativtourismus mit Stallanschluss.
Trotzdem bedanken wir uns artig, befürchten aber heimlich, dass unser
Abendessen heute aus sog. Ökoziegeln, Dinkelbratlingen und Fencheltee
bestehen wird. Wobei ich bitte nichts gegen den ökologischen Landbau
habe, im Gegenteil! |
Pignone im Apennin |
Der Blick über das Küstengebirge |