Vierter Tag:


 Rostock / Rostock - Tallinn -- Fähre GTS Finnjet--

Heute ist ausschlafen angesagt. Wir haben keine Strecke zu machen und können uns in aller Gemütsruhe die Stadt anschauen. Nach einem ausgiebigen Frühstück checken wir aus, bepacken die Bikes wieder und laufen an die Warne, die quasi vor der Haustüre vorbeifliesst.

Im Überseehafen von Rostock
Einige kleine Anlegestellen locken uns an und wir beschliessen, nachdem wir massig Zeit haben, eine Bootsrundfahrt durch den Hafen und bis Warnemünde zu unternehmen. Eigentlich wollten wir dorthin mit dem Motorrad fahren, aber das verschieben wir auf später. Wie gerufen legt ein Rundfahrtkahn an und wir gehen an Bord. Der Himmel ist noch recht blau, aber es weht zwischenzeitlich ein eisiger, scharfer Wind. Dank der Motorradklamotten ist es allerdings wenig einschränkend. Das Boot gleitet ruhig auf dem Fluss, dessen Mündungsgebiet der Überseehafen von Rostock ist, dahin und wir hören einiges an interessanten Informationen zur Stadt und zum Hafen. Hier liegen grosse Pötte vor Anker und wir begegnen dem einen und anderen skandinavischen Fährschiff. Auf so eines werden wir heute Abend rauffahren! Wir sind gespannt.

Warnemünde von der Warne aus gesehen
In Warnemünde dreht der Kahn und fährt wieder zurück nach Rostock. Imposant ist die Skyline der Hansestadt, von Warnemünde sehen wir allerdings nur das hübsche Stadtbild vom Fluss aus. Es sollte unser einziger Eindruck bleiben. Wieder zurück, sehen wir im Hafen eine Kuriosität aus dem Zweiten Weltkrieg liegen: Da der Wehrmacht zunehmend das Material ausging und Metall für Waffen benötigt wurde, baute man Frachtschiffe aus Beton, die offensichtlich ebenso gut schwammen, wie ihre Vettern aus Stahl. Ob die Herrschaften verschärft Wasser schöpften, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Nun plagt uns schon wieder der Hunger und wir beschliessen, einem sehr bekannten Fischrestaurant, der 'Kogge' unsere Aufwartung zu machen. Die 'Kogge' ist wie die damaligen Hanseschiffe eingerichtet, man serviert sehr gute Fischgerichte, die wir uns schmecken lassen. Anschliessend gehen wir in die Altstadt von Rostock.
Die alte Hansestadt hat eine lange Geschichte. Handel und Schiffbau prägten die Stadt. Architektonisch herrschen Backsteinbauten vor, die auch nach den schweren Zerstörungen im 2. Weltkrieg noch zahlreich anzutreffen sind. Erwähnenswert sind die Marienkirche aus dem 13. Jh., die Nikolaikirche aus dem 14. Jh., das alte Rathaus mit Anteilen aus dem 15. Jh. und die alten Stadttore. Neben einer Universität gibt es noch Museen und Theater, die einen Besuch wert sind. Die noch zu DDR-Zeiten rege Hochseefischerei ist mittlerweile quasi zusammengebrochen, der Industriestandort in einer Krise. Davon merkt man in der Innenstadt nichts, sie ist voller wohlhabender Bürgerhäuser.

Die Skyline von Rostock

Ein Betonschiff aus dem 2. Weltkrieg

Das Rathaus von Rostock

Reiche Bürgerhäuser prägen die Innenstadt
Während wir so schlendern und gucken, höre ich in einem Café eine Radiodurchsage mit einer Sturmwarnung für das nördliche Mecklenburg-Vorpommern. Schwere Gewitter sind im Anmarsch. Richtig, der Himmel ist grau-schwarz zugezogen. Es wird uns doch jetzt nicht noch kalt erwischen? Etwas schneller als der Herweg gestaltet sich der Rückweg zu unseren Motorrädern. Bis zum Überseehafen sind es noch ca. 20 Km. Also fahren wir etwas zügiger als sonst, der Himmel ist mittlerweile gelb-schwarz und man hört ein bedeutungsvolles Grollen des nahenden Gewitters. Noch kurz getankt, dann zupfen wir ordentlich am Gashahn, die Eintopf-Enduro knattert Richtung Überseehafen, den wir mit den ersten schweren Tropfen, die jetzt fallen, erreichen. Noch kurz die Eincheckformalien erledigt, dann finden wir Schutz im 'Terminal' des internationalen Hafens Rostock. Ein mickriges Zelt, indem sich schon eine Menge Leute tummeln! Zum Glück erwischen wir noch Sitzplätze, denn bis zur Abfahrt der Fähre sind es noch Stunden, die wir nicht stehend verbringen möchten. Draussen tobt mittlerweile das Unwetter und nach und nach treffen weitere Biker ein, durchnässt und triefend bekommen sie nur Stehplätze, obwohl wir zusammenrücken. Real lachhaft dieser 'internationale Überseehafen'. Aus Berichten erfahren wir, dass es nur an der Küste noch trocken war heute, überall anders tobte der Gewittersturm. Es war gut, dass wir unserer inneren Stimme (oder dem Wetterbericht) folgend schon gestern bis Rostock durchgefahren sind.

Das 'internationale Terminal' Rostock

Auffahrt auf die GTS Finnjet

Aufziehender Sturm über der Ostsee
Nach einigem woher und wohin stellt sich heraus, dass ca. 40 Biker nach Finnland/Nordkap reisen und wir die Einzigen sind, die in Tallinn von Bord gehen werden. Nachdem die Fähre angelegt hat, ergiesst sich ein unendlicher Strom von Fahrzeugen an Land, umgekehrt dauert es lange bis sie wieder beladen ist. Da wir als Erste heraus müssen, dürfen wir als Letzte an Bord. Als das endlich geschafft ist, beziehen wir unsere Plätze direkt unterhalb der Kommandobrücke, sog. Schlafsessel, wenig komfortabel, aber bezahlbar und mit Blick in Fahrtrichtung. Nachdem die GTS Finnjet abgelegt hat und Richtung Warnemündung schleicht, nehmen wir ein üppiges skandinavisches Büffet zu uns und lassen uns den französischen Rotwein schmecken. Draussen wird es langsam Nacht und wir erreichen die Ostsee. Ein freundlicher, sehr gut deutsch sprechender finnischer Biker, Yukka, der sich eine Bol d'Or in Deutschland gekauft hat und auf dem Heimweg ist, erklärt uns, dass die Finnjet die schnellste Fähre auf der Ostsee sei, zweimal 53.000 PS sorgen für eine Geschwindigkeit von etwa 46km/h. Er ist sichtlich stolz und uns soll's nur Recht sein. Wir legen uns in unsere Sessel. Endlich fällt die Anspannung etwas ab, es sind einige Biker in der Kabine und es herrscht eine fast gemütliche Atmosphäre, ich hänge meinen Gedanken nach, voller Erwartung des Kommenden. Während draussen die Wellen höher werden und ein Sturmwind bläst, beschleunigt die Finnjet merklich, ein leichtes und anhaltendes Vibrieren der mächtigen Motoren ist die Begleitmusik für den aufkommenden Schlaf. Gischtfontänen schlagen jetzt bis in den achten Stock des Schiffes herauf und an unserer Scheibe rinnt das Wasser in Bächen herunter.

Bisher fuhren wir durch bekannte Gefilde. Jetzt beginnt die eigentliche Reise.



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