Dritter Tag:


 Lützen - Leipzig - Wittenberg - Potsdam - Rostock (455Km)

Das Wetter ist heute morgen verhangen und recht kalt. Aber es regnet nicht. Wir fahren nach einem Frühstück in der kleinen Pension von Lützen über die B87 in wenigen Minuten bis Leipzig in Sachsen. Der erste Eindruck der Stadt ist nicht besonders, kahl und zum Teil recht abgewrackt, wie eben grossstädtische Vororte im Osten noch häufig aussehen. Zu den sozialistischen Verfallserscheinungen kommt noch die grosse Kriegszerstörung, die in Leipzig ca. 40.000 Wohnungen vernichtet hat. Die Innenstadt entpuppt sich allerdings als Juwel. Hier wurde im letzten Jahrzehnt einiges an Restaurationen vorgenommen und das innerstädtische Ensemble mit erheblichem Aufwand wiederhergestellt. Eine grosse Pleite ist uns in diesem Zusammenhang noch nachhaltig in Erinnerung. Wir besichtigen die Innenstadt und trinken eine Kaffee im ältesten Kaffeehaus Deutschlands, dem Riquet. Leipzig birgt eine Menge an kulturellen Kleinodien und städtebaulichen Schönheiten. Leider haben wir wieder einmal keine Zeit, uns das Angebotene in der angemessenen Art und Weise zu Gemüte zu führen. Ein kurzer Stadtbummel muss also genügen: Vom Hauptbahnhof, der mehr einem Konsumtempel gleicht, wo wir kurz etwas einkaufen, führt der Weg über den Willy-Brandt-Platz ins Zentrum. Altes Rathaus, Gewandhaus, Nikolai- und Thomaskirche (hier hat immerhin Johann Sebastian Bach gewirkt und die friedliche DDR-Revolution ihren Zündfunken gelegt) und Mädlerpassage haken wir im Sauseschritt ab. Ein Jammer, aber die Zeit! See Europe in three days, so muss es den armen Amis auf ihren Höllentrips durch den Kontinent ergehen. Noch kurz in den berühmten Auerbach-Keller geguckt und die Strasse hat uns wieder.

Der Naschmarkt mit dem alten Rathaus

Im Inneren der....

....Nikolaikirche

Das Riquet
Es geht nach Norden. Aus Zeitgründen nehmen wir die A 9 und kommen so zügig voran. Ein erster kurzer Regenschauer erwischt uns. Ich steige in meinen Regenkombi, den ich allerdings wärmebedingt ca. 20 Km später wieder ausziehe, es bleibt dann gottseidank trocken. Hinter Dessau fahren wir ab auf die B187 und erreichen nach einem kurzen Wegstück die alte Universitäts- und Lutherstadt Wittenberg. Sie liegt im Bundesland Sachsen-Anhalt an der mittleren Elbe. Die Stadt empfängt uns mit der Schlosskirche, die fast finster den Eingang zur Altstadt sichert. Hier liegen die grossen Begründer der Reformation, Luther und Melanchthon begraben. Es ist ziemlich still und leer auf den Strassen, trotzdem es erst Mittag ist. An teilweise restaurierten Häusern, die dicht gedrängt stehen, kommen wir auf den städtischen Kirchplatz, wo Luther und Melanchthon auf ihren Sockeln stehen. Es ist angenehm warm jetzt und wir beschliessen uns ein Mittagessen zu gönnen, was im Freien in der Fussgängerzone dann in die Praxis umgesetzt wird.

Stadtkirche Wittenberg

Denkmäler Luthers und Melanchthons
Hier also hat Luther seine Thesen, die die Welt veränderten, im 16. Jahrhundert an die Kirchenmauer geschlagen und anschliessend Unruhen, wie den Bildersturm verursacht. Heute ist Wittenberg eine kleine Provinzstadt.

Stadtbild und Fussgängerzone
Wir hören den Wetterbericht, der für heute noch ein wechselhaftes, aber mehrheitlich trockenes Wetter, ab morgen aber schwere Gewitterstürme für den Norden Deutschlands vorhersagt und beschliessen unsere Route zu ändern und zügig Richtung Rostock zu fahren, wo schliesslich die Fähre nach Tallinn nicht wartet. Durch schweren Dauerregen zu fahren steht uns nicht der Sinn, eine gute Entscheidung, wie uns zahlreiche Biker auf der Fähre noch berichten werden. Also wieder Autobahn. Die A9 führt uns schnell nach Norden und so erreichen wir wenig später Potsdam, das wir unbedingt anschauen wollten, diese alte preussische Residenz-, Militär- und Beamtenstadt. Die Altstadt ist sehr hübsch, ein lässiges Flair umgibt die zahlreichen Strassencafes und wir setzen uns erst mal gemütlich am Platz der Einheit hin und begucken die Gegend, die mit kleinen preussischen Häusern aufwartet, die hübsch restauriert sind. Heute beherbergt die Stadt zahlreiche Institute und ist die Hauptstadt des Bundeslandes Brandenburg. Auf geht's nach Sanssouci.

Schlossanlage...

....Sanssouci....


Die alte Mühle am Schloss

Versailler Pracht....

....französische Kunst
Das alte Schloss empfängt uns mit einem Strom zahlreicher internationaler Besucher. Voll wäre untertrieben. Also lassen wir uns treiben. Die Schlossanlage war Vorlage für Nachahmungen a la Schloss Solitude in Stuttgart und ist wiederum eine Hommage an Versailles. Der Park ist beeindruckend. Hier sind Pantomimekünstler frei nach französischen Vorbild am Werk und spielen wunderliche Skulpturen. Das Grab des alten Fritz mit seinen Hunden besichtigen wir noch, dann knattert die Suzi bereits wieder auf dem Weg Richtung Müritz. Im Süden brauen sich hohe Wolken zusammen, eine Front ist uns auf den Fersen. Eigentlich wollten wir in Waren an der Müritz übernachten, aber das Wetter lässt uns dann weiterfahren auf der A24 und A19. Die mecklenburger Seenplatte, der wir unsere Aufwartung machen wollten, lässt sich kurz beidseits der Autobahn blicken, ein schöner Eindruck. Am frühen Abend erreichen wir müde und abgekämpft schliesslich die Hansestadt Rostock. Die Quartiersuche erweist sich als schwierig und wir checken schlussendlich in einer etwas teureren Herberge direkt an der Warne ein. Nach einem entspannenden Bad gehen wir ums Eck und landen prompt in einem munteren Stadtteilfest. Musi spielt, die Menschen tanzen auf den Strassen, so ist's recht! In einer kleinen Jazzkneipe wollen wir etwas essen und erleben auch hier ein Fest, denn die 'Breitling Stompers', eine mir vorher unbekannte Jazzcombo, die sich nach der grossen Düne vor Rostock, dem Breitling benennt, feiert ein Jubiläum und heizt den Laden richtig ein. Sie beherrschen alle Richtungen des Jazz sowie ihre Instrumente hervorragend und der Abend wird noch richtig ausgelassen. Zwei Vorurteile eines Südländers fallen an diesem Abend: Erstens: Die Nordlichter können nicht feiern und zweitens: Sie können nicht kochen. Der Fisch war ein Gedicht. Morgen wollen wir die Stadt besichtigen.


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