Zweiter Tag:


 Schmalkalden - Oberhof - Arnstadt - Weimar - Buchenwald - Naumburg (Saale) - Weissenfels - Lützen (177Km)


Die Sprunganlage Oberhof
Nach einem üppigen Frühstück fahren wir in der frühmorgendlichen Kühle bei wieder recht gutem Wetter von Schmalkalden auf einer schmalen Strasse durch ein schönes Tal Richtung Oberhof. Wenige Kilometer vor der bekannten Skisprungschanze wird die Strasse breit und führt in langen Sepentinen auf den Berg hinauf. Nun sind es noch wenige Kilometer nach dem Ort Oberhof, der ein Wintersportzentrum im Thüringer Wald ist. Ganz nett, denke ich und wundere mich über die Bezeichnung Chalet, die man hier für Betonbunker aus der DDR-Zeit vergeben hat. Chalets sehen meiner Erinnerung nach in den Alpen zumindest völlig anders aus. Aber wer weiss, vielleicht wird in der Zukunft der Tourismus wieder richtig Fuss fassen und eine angemessenere Architektur entstehen? Der Weg hierher war zumindest für Motorradfahrer vom Feinsten: Enge Strassen, kurvig und griffig machten die Fahrt zu einem Vergnügen. Hinter Oberhof fällt die schmale Strasse ins Tal hinab, es geht über enge Kurven durch ein schönes Waldstück und nach einem kleinen Tal erreicht man über das Dorf Crawinkel schliesslich Arnstadt, ein verschlafenes kleines Städtchen. Hier machen wir kurz Rast, fahren dann über die B4 Richtung Erfurt und kommen schliesslich über ein kurzes Stück Autobahn nach Weimar. Bereits hier vor Weimar sieht man ein monströses Denkmal an den Hang gebaut: Die Buchenwald-Gedenkstätte.
Die Stadt ist am frühen Vormittag bereits voll mit Besuchern, die sich die Wirkensstätte der deutschen Klassiker anschauen. Wir sind entzückt von der gepflegten und restaurierten Architektur der Kleinstadt, die das Herz der deutschen Klassik beherbergt, besichtigen die Goetheschen und Schillerschen Hinterlassenschaften und geniessen ein gutes Mittagessen unter Bäumen in Sichtweite des Deutschen Theaters. Musikanten spielen auf und es herrscht eine entspannte, fast südländische Atmosphäre. Eigentlich sollte man länger bleiben. Aber wir haben leider keine Zeit.

Weimar: Das deutsche Kulturzentrum

Tucholsky-Graffitti

Die Herren Goethe und Schiller

Schmale Gässchen der Kleinstadt
Nach etlichen Stunden fahren wir dann aber hinauf nach Buchenwald. Ein vollständiges Kontrastprogramm! Hier vollzog sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den höchsten Errungenschaften des deutschen Geistes, mit der Aufforderung zur Menschenliebe und zur Achtung der Kreatur, die bis heute unbegreifliche und hasserfüllte deutsche Barbarei, die nicht beschreibbar ist.

Der Eingang in den Tod....

....mit dem zynischen Empfang
Nach dem Eintreten durch das Tor des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald, auf dem bezeichnenderweise der Satz steht: 'Jedem das Seine', befindet man sich unvermittelt auf einem weiten, öden Platz. Alle Barracken des ehemaligen KZ sind niedergerissen, wohl auch deswegen, weil die Sowjets ihrerseits das KZ nach 1945 weiter 'betrieben' und unliebsame 'Elemente' hier eingeperrt haben. Anfänglich war daher der Eindruck auf mich eher ein bescheidener, der sich aber nach dem Besuch der permanenten Ausstellung nachhaltig änderte und einprägte. Man kann es mit Worten nicht beschreiben, was hier in deutschem Namen geschehen ist, wie Zehntausende, Frauen, Kinder, Andersdenkende, rassistisch Abgestempelte, sogar Kriegsgefangene gegen jedes internationale Recht gequält, gefoltert und gemordet wurden. Am abscheulichsten sind die ausgestellten Tötungsmethoden, mit denen die SS-Barbaren ihre wehrlosen Opfer dahingeschlachtet haben. Ich bin ziemlich erschüttert, muss ich sagen. Ganz friedlich liegt dagegen heute das Areal, beinahe surrealistisch wirkt die Ruhe an den Massengräbern auf den Betrachter. Besonders bewegt mich der Schwur der ehemaligen Häftlinge von Buchenwald vom April 1945, der auch für die heutige Generation eine Verpflichtung bleibt, ja zunehmend wieder wichtiger wird!

Das Krematorium

Jeder Stein steht für ein Vernichtungslager

Fiedliche Stimmung an den Massengräbern


Naumburg: Der Dom....

....im alten Stadtkern
Über diese konträren Erlebnisse ist der Tag schon weit fortgeschritten, aber wir beschliessen noch ein Stück zu fahren und nehmen die B250 nach Eckartsberga und schliesslich die schöne Strecke entlang der Saale nach Naumburg, das mit einem schönen alten Stadtkern aufwartet und einen spätromanisch-gotischen Dom besitzt, der leider geschlossen ist. Hier mündet die Unstrut in die Saale, deren Lauf wir nun folgen werden weiter bis Weissenfels. Die Saale ist der längste Fluss Thüringens, ca. 475 Km lang, entspringt im Fichtelgebirge und beherbergt Weinbaulagen, die tatsächlich trinkbare Weine hervorbringen.
Auf der gesamten Strecke kann man Burgen sehen, die im Saaletal am Fluss errichtet wurden und auch ab und zu am Gashähnchen zupfen, da die Strasse höchstens langgezogene Kurven aufweist und breit ausgebaut ist. Eigentlich suchen wir bereits dringend nach einer Unterkunft, aber die Stadt Weissenfels, die unser Ziel sein sollte, entpuppt sich als ziemlich verfallen und wenig einladend, ein Bild, das wir bisher in den neuen Ländern so nicht gesehen hatten, und wir beschliessen noch weiter zu fahren. Auf langgezogenen Geraden der B87 fahren wir Richtung Leipzig und halten unterwgs kontinuierliche Ausschau nach einer Unterkunft. Da fällt uns ein Schild auf, das mitten in der Pampa ein Hotel anzeigt, nur wenige Kilometer von der Hauptstrasse entfernt, sodass wir abbiegen und nach einer schönen Strecke durch ein kleines Wäldchen in ein Dorf kommen. Kleine Häuser, gepflegte Vorgärten, ein kleinbürgerliches Idyll. Glauben wir. Nur scheint man Biker aus dem Westen, - oder Biker überhaupt-, nicht zu mögen. Vor dem kleinen Hotel befindet sich ein kleiner Platz, auf dem sitzt eine Gruppe von glattrasierten Jugendlichen mit Springerstiefeln, die uns feindselig mustern und kommentieren. Bisher haben mein Co und ich noch nicht miteinander sprechen können, aber nach einem kurzen Blick, quasi nach kurzer Lageeinschätzung, kommen wir unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass wir nicht unbedingt hier übernachten müssen und kehren um. So landen wir schliesslich in Lützen, wo wir unmittelbar vor den Toren Leipzigs und in Sichtweite der Petrochemie mitten im Ort eine nette Pension finden. Wir befinden uns erneut auf historischem Boden: In der Schlacht bei Lützen (16.11. 1632) siegten die Schweden unter König GustavII. Adolf über Wallenstein, GustavII. Adolf fiel. Der Abend gestaltet sich im Spiegel des Erlebten: Mir wollen die schrecklichen Bilder des KZ und das unerfreuliche Erlebnis mit den Glatzen einfach nicht aus dem Kopf. So ein Zufall aber auch: Fremdenfeindlichkeit im eigenen Land, man fasst diese Dummheit nicht! Es war übrigens das einzige Ereignis dieser Art auf der gesamten Reise, das muss nachdenklich stimmen. Wir trinken zwar ein unerwartet gutes Tröpfchen Rotwein aus der Region Saale-Unstrut, aber so recht schmecken will er mir doch nicht. Und so beschliessen wir den Tag mit der Diskussion des Erlebten: Soll man auf einer Urlaubstour mit dem Bike solch unerfreuliche Besichtigungen wie in Buchenwald machen? Ich denke man soll! Denn nur wenige Kilometer hinter der Vergangenheit wurden wir von einer deutschen Gegenwart eingeholt, die einen schaudern lässt.


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