Osterode - Thorn - Gnesen (243 Km)
Ein strahlender Tag kündigt sich
an. Die Imbissbude unseres Campingplatzes lädt nicht unbedingt zu
einem Frühstück ein und so fahren wir ohne das obligatorische
morgendliche Käffchen nach Ostroda. Die dortige Werkstatt ist, Dank
der guten Wegbeschreibung unserer Herbergswirte aus Wilkasy, schnell gefunden
und wir bekommen den passenden Kettensatz für die Transalp, der bei
schönem Wetter zügig montiert ist. Der polnische Mechaniker
schüttelt nur den Kopf...'only 18.000 Km and schon Schrott...' murmelt
er zweisprachig. Der Preis für den Satz ist nicht teurer, als bei
uns zu Hause, aber auch nicht billiger. Jetzt dürfte nichts mehr
passieren, mit neuem Material fahren wir in die Innenstadt. Osterode ist
ein kleines Städtchen, das ein hübsches Zentrum mit vielen kleinen
Läden und Marktständen hat, am Drewenzsee liegt, an dessen Ufer
man sehr schön in Cafés sitzen oder spazieren gehen kann.
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Die Honda-Rettung: Moto Doctor in Osterode |
Der oberländische Kanal verbindet Ostroda mit dem ehemaligen Elbing (Elblag) in Nordmasuren auf dem Wasserweg. Bei Elblag gibt es ein historisches Schiffshebewerk aus dem Jahre 1870, das bis heute den Schiffsverkehr auf dieser wichtigen Verbindungsstrasse 99,5m hebt bzw. absenkt. Leider können wir dieses sehenswerte Bauwerk aus Zeitgründen nicht besichtigen. |
Osterode am Drewenz See.... |
....ein beschauliches Städtchen |
Thorn: Altstadt, rechts das Rathaus aus dem 14 Jh..... |
Nachdem wir ausgiebig direkt am See
gefrühstückt haben und nach einem kurzen Rundgang durch Osterode,
fahren wir weiter in südwestlicher Richtung auf der Hauptstrasse
Nr. 52 (E261). Am späten Vormittag wollen wir in Thorn, dem heutigen
Torun, sein. Der Verkehr ist mässig, aber die Fahrt ist, wie gewohnt,
ein Abenteuer: Regelmässig überholt man trotz Gegenverkehr,
wir müssen ein ums andere Mal ausweichen, da die PKW sonst einen
Crash provoziert hätten. Zum psychologischen Verständnis dieses
Verhaltens tragen die Strassenverhältnisse ein gehöriges Stück
bei. Hier wälzt sich der gesamte Transit-LKW-Verkehr durch, die Strasse
ist einspurig, oft geht es durch enge Dorfpassagen, sodass das Tempo von
den zugelassenen 100 km/h noch zusätzlich auf 60 km/h gedrosselt
werden muss. Wer hier Strecke machen will, muss wohl etwas aggressiver
fahren als anderswo. Unangenehm fallen uns auch die vielen schmutzig rauchenden
LKW russischer Bauart auf, die zudem besonders langsam sind.
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....unglaublich schön.... |
Polizisten sehen wir zwar keine, trotzdem
fahren wir nicht sehr viel schneller als erlaubt, die hiesigen Bussgeldhöhen
entziehen sich meiner Kenntnis, sollen aber teilweise, da willkürlich
festgelegt, sehr happig sein. Hinter Osterode beginnt Westpolen. Wir haben
die Masuren verlassen. Die Landschaft ist flach, kleine Wäldchen
wechseln sich mit Wiesen ab. Wir durchfahren Brodnica, (Strasburg) und
erreichen gegen Mittag Thorn, die alte Hanse- und Bischofstadt. Diese
ehemals westpreussiche Stadt lag geographisch an der Südgrenze Deutschlands,
bis es, wie die gesamte Region, nach 1918/19 polnisch wurde. Nachdem wir
bei mittäglicher Hitze direkt am Rest der alten Stadtbefestigung
ein Parkplätzchen gefunden und unsere Klamotten verstaut haben, betreten
wir durch ein grosses Tor, das berühmte Nonnentor, die Thorner Altstadt.
Und es verschlägt uns buchstäblich die Sprache: Das Stadtbild
wurde ausnehmend schön restauriert, die alten Häuserfassaden
sind prächtig herausgeputzt.
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Man muss den Polen ein grosses Kompliment machen, wie sie ihre alten Städte pflegen und nicht umsonst sind sie gefragte Baumeister an allen Orten der Welt, wo es um Restaurierungen geht. Thorn war im letzten Krieg Gott sei Dank unversehrt geblieben und ist deshalb reich an originalen Baudenkmälern. Hier beginnt die Backsteingotik der Ordensritter, die sich nach Norden fortsetzt und ihren Höhepunkt in der nördlich gelegenen Marienburg findet. Auf den gepflasterten Strassen fahren Kutschen und witzigerweise auch Fahrradrikschas, die man für wenig Geld mieten kann. Wir wollen den Herrschaften nicht zumuten, unser Gewicht übers Kopfsteinpflaster zu wuchten, entscheiden uns für einen Fussmarsch und erkunden die Strassen per Pedes. Zu sehen gibt es neben dem Marktplatz, der von vielen Cafés umgeben wird, die berühmten Sakralbauten, wie die Marienkirche, die Johanniskirche und die Jakobskirche. Daneben imponiert das Denkmal des berühmtesten Sohnes der Stadt, Nikolaus Kopernikus, dem grossen Arzt und Astronomen, um den sich bis heute Polen und Deutsche streiten, da jeder für sich in Anspruch nimmt, er sei Angehöriger der eigenen Nationalität. Über kleine Strässchen kommen wir an die Weichsel, den grossen Fluss, der hier am westlichen Stadtrand von Süden kommend durch ganz Polen Richtung Danzig vorbeifliesst. |
....restauriert.... |
....die Jakobskirche |
Thorn in Kürze:
Thorn wurde 1231 vom Deutschen Orden gegründet, erhielt 1232 Stadtrecht
und entwickelte sich zu einem Handelszentrum, es wurde Mitglied der Hanse.
1264 wurde nordöstlich der »Altstadt« die »Neustadt«
angelegt, 1454 erfolgte die Vereinigung beider Teile. Nach dem Sturz der
Ordensherrschaft durch die Bürgerschaft kam die Stadt 1454 unter
polnische Oberhoheit, erlangte aber, ähnlich wie Danzig, zahlreiche
Privilegien, 1588 auch die Religionsfreiheit. Jesuitenfeindliche Kundgebungen
führten 1724 zum Thorner Blutgericht (Todesurteile gegen 14 Bürger).
1793 fiel Thorn an Preussen, 1807 - 15 kam es zum Herzogtum Warschau,
1920 wieder an Polen. Die Stadt gehörte 1939 - 45 zum Reichsgau Danzig-Westpreussen
und kam 1945 erneut an Polen. |
Nikolaus Kopernikus, der berühmteste Thorner |
Die Weichsel, Königin der polnischen Flüsse |
Ost-West-Transit, Hauptstrasse |
Nach dem Rundgang und einer kleinen
Kaffeepause in der Sonne fahren wir weiter in südwestlicher Richtung,
überqueren die Weichsel und sind schnell wieder auf dem flachen Land
Richtung Gnesen (Gniezno), zuerst auf der Strasse Nr. 52 bis Hohensalza,
anschliessend ein kurzes Stück auf der 25 Richtung Süden, um
dann auf die 256 in westlicher Richtung abzubiegen. Es ist nun schon früher
Abend und wir beginnen die Quartiersuche. Da uns unser Blockhaus der letzten
Nacht gut gefallen hat, versuchen wir erneut einen Campingplatz zu finden.
Ein Schild lässt uns von der Hauptstrasse abbiegen und kurze Zeit
später haben wir uns auf Schotterpisten verfahren. Mitten im polnischen
Idyll stossen wir auf einen kleinen Bauernhof, wo einige Leutchen mit
der täglichen Arbeit beschäftigt sind. Als wir sie ansprechen,
sehen wir nur verständnislose Gesichter. Da merkt einer, dass wir
aus Deutschland kommen und kurze Zeit später kommt der Urgrossvater
ans Tageslicht und erklärt uns in gebrochenem Deutsch den Weg. Er
ist ganz begeistert endlich wieder mal seinen Sprachschatz ausgraben zu
können. Wofür doch Irrfahrten manchmal gut sein können!
Der Campingplatz ist leider belegt, sodass wir uns auf den Weg nach Gnesen
machen, wo wir mitten in dem bezaubernden Städtchen am Marktplatz
ein billiges Hotel finden, das unser Quartier wird. Am Abend gesellt sich
Kryzstof, ein perfekt deutsch sprechender Pole an unseren Tisch und erzählt
uns über sein Wanderleben, das ihn mehrfach nach Deutschland zur
(Schwarz-) Arbeit geführt hat. Der durchschnittliche Arbeitslohn
in Polen beträgt z.Zt. etwa 400.- Euro/Monat. Davon kann man wohl
auch hier nur sehr mühsam leben und so gehen viele auf Wanderschaft
in den reichen Westen. Die Arbeitslosigkeit liegt teilweise bei 50%, was
die Chancen der Menschen nicht unbedingt verbessert.
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Landschaft.... |
....bei Gnesen |
Gnesen, Marktplatz: |
....architektonisches Kleinod |
Blick in die Fussgängerzone |
Die gotische Kathedrale |
So klingt der Abend während eines herrlichen Sonnenunterganges, der die Stadt in ein bezauberndes Licht hüllt, langsam aus. |
Gnesen und Posen: Wiege der polnischen Staaten
Wir sind hier in Grosspolen, in Wielkopolska, der Wiege Polens. Einst wanderten drei Brüder, der Pole Lech, der Böhme Czech und der Russe Rus durchs Land und hielten Ausschau nach einem geeigneten Fleckchen, um sich niederzulassen. Czech ging in den Süden, Rus wanderte nach Osten. Lech watete durch Sümpfe, durchmass Flüsse und kam in einen dichten Wald. Auf einer Lichtung entdeckte er einen Adlerhorst. Als er den Adler in der Sonne fliegen und die mächtigen Schwingen im Licht weiss scheinen sah, beschloss er, an diesem Ort zu bleiben und zu Ehren des grossen Vogels führte er diesen fortan in seinem Wappen. So entstand die erste Hauptstadt des Landes, Gnesen, auf polnisch Gniazdo, das Nest, und bis heute führt der Staat den weissen Adler in seinem Wappen. Soweit die Sage. Die Stadt geht auf das späte 8. Jh. zurück, wurde im 10. Jh. polnische Hauptstadt bis nach dem 11 Jh.. 1243 erhielt sie als erste polnische Stadt deutsches Stadtrecht und war bis 1320 Krönungsstätte. In preussischer Zeit (1793 - 1806 und 1815 - 1918) war Gnesen Kreisstadt und Zentrum der polnischen Nationalbewegung. Das Erzbistum Gnesen wurde im Jahr 1000 errichtet, war 1821 - 1948 in Personalunion mit Posen und 1948 - 92 mit Warschau verbunden. Im Mittelalter besassen die Erzbischöfe von Gnesen die Rechte des Primas von Polen und Litauen (seit 1416) und übten seit 1572 das Amt des Reichsverwesers bei Thronvakanz aus. Von der einstigen Machtfülle der Königreiche, die von hier aus vor tausend Jahren beherrscht wurden, erinnert nur noch die Kirchenordnung, der polnische Primas hat seinen Sitz in der Kleinstadt mit etwa 70.000 Einwohnern. Sehenswert ist das Ensemble um den Marktplatz und die gotische Kathedrale aus dem 14./15. Jh. mit einer romanischen Bronzetüre. Sie beherbergt das Grabmal des hl. Adalbert. In Grosspolen lebten und leben die Einheimischen vorwiegend von Landwirtschaft, Handwerk und Handel. Die Landschaft ist geprägt von sanften Hügeln, von Wäldern, Seen und endlosen Feldern. |