Gnesen - Posen - Grünberg - Forst - Spremberg (300 Km)
Nach einem frühen Erwachen durch
das Gelärm vom Marktplatz herauf, mache ich noch eine kleine Runde
zu Fuss durch das verschlafene Gnesen. Heute wird unser letzter Tag in
Polen sein, denn wir nähern uns langsam wieder der Grenze. Ein absolutes
Highlight allerdings wartet noch auf unseren Besuch. Die Stadt Posen (Poznan).
Als ich ans Hotel zurückkomme, wecke ich meinen Kompagnon und beginne
schon mal mein Motorrad zu bepacken. Der Morgen ist warm, das heutige
Wetter wird sonnig werden. Nachdem wir gemeinsam noch einen Kaffee getrunken
haben, begeben wir uns wieder auf die Landstrasse, die Nr. 5 (E 261),
die uns von Gnesen die wenigen Kilometer in westlicher Richtung nach Posen
führt. Wir durchfahren die Orte Lubowow (Libau), Pobiedziska (Pudewitz)
und erreichen nach 57 Km die Stadtgrenze von Posen. Man merkt sofort,
dass es sich bei dieser Stadt um eine Grossstadt handelt, typische Aussenbezirke
umsäumen die Innenstadt, die man über mehrspurige Stadtstrassen
erreicht. Sind die Vorstädte nicht eben einladend, ändert sich
das Bild im Inneren der Stadt grundlegend. Die Altstadt ist eine Perle.
Wir parken am Rand der Fussgängerzone am Marktplatz und betreten
diesen gegen späten Vormittag. Um den Platz herum steht ein Café
am Anderen. Die Ersten öffnen gerade, langsam scheint hier die Altstadt
lebendig zu werden. Weil es noch so ruhig ist, packen wir die Gelegenheit
beim Schopfe und genehmigen uns ein zweites Frühstück. Vor dem
Café, das direkt gegenüber des herrlich anzuschauenden Rathauses
liegt, sehen wir einige Künstler, die ihre Stände aufbauen,
um hier Kunsthandwerkliches zu verkaufen. Gemächlich belebt sich
der Platz.
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Posen: |
Posen stand lange Zeit im Schatten von Gnesen, dies änderte sich
erst, nachdem sich Polen mit Litauen vereinigt hatte und der Deutsche
Orden vernichtend geschlagen war. Jetzt entwickelte sich die Stadt zu
einem Knotenpunkt im Ost-West-Handel. Um eine frühslawische Burg
des 8./9.Jahrhunderts entstanden, war Posen im 10.Jahrhundert Hauptsitz
der polnischen Herzöge, seit 968 Bischofssitz und seit 1138 Sitz
der Herzöge von Grosspolen. 1253 legten deutsche Kaufleute die
Neustadt nach deutschem Recht an. 1394 erwarb Posen das Stapelrecht, im
16.Jahrhundert erlebte es eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte.
1793 kam Posen an Preussen, 1815 wurde es Hauptstadt des Grossherzogtums
(Provinz) sowie Sitz des Erzbistums Posen-Gnesen. 1848 war hier das Zentrum
der polnischen Nationalbewegung in Preussen. Durch den am 27.12. 1918
ausgebrochenen Aufstand fiel die Stadt an Polen, polnische Freischärler
besetzten die Stadt und die Deutschen wurden zur Abwanderung genötigt.
Im Zweiten Weltkrieg (1939 - 45) kam Posen erneut unter deutsche Besatzung
(Hauptort des Reichsgaues Wartheland), nach 1945 wieder zu Polen. Der
Posener Aufstand (Juni 1956) führte im Oktober 1956 zu einer Umbesetzung
der Partei- und Staatsführung in Polen. Die Stadt ist Hauptstadt
der Woiwodschaft Grosspolen. Im polnischen Leben sind die Posener die
'Deutschesten', sie sind arrogant, fleissig, pflichtbewusst und humorlos
- so lautet jedenfalls die Beschreibung aus Sicht eines Warschauers. Man
nennt sie auch etwas despektierlich 'Kartoffelfresser'. Den preussischen
Untertanengeist haben sie allerdings nie übernommen. Nach dem zweiten
Weltkrieg setzte eine starke Zuwanderungswelle ein, die diese Besonderheiten
relativierte. Heute hat die Stadt mit ihren 580.000 Einwohnern die höchste
Kfz-Dichte und die höchsten Ersparnisse pro Kopf in Polen. Man findet
hier einen katholischen Erzbischofssitz, eine Universität, mehrere
Akademien, ein Polytechnikum u.a. Hochschulen, Institute der Polnischen
Akademie der Wissenschaften, Westinstitut (für deutsch-polnische
Beziehungen), Nationalmuseum, archäologisches Museum, Theater, Philharmonie
(mit berühmtem Knaben- und Männerchor) und den botanischen und
zoologischen Garten. Wirtschaftlich dominieren Metallverarbeitung, Maschinen-
und Transportmittelbau, elektrotechnische, Bekleidungs- und Lebensmittelindustrie
sowie internationale Messen. Neben dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im
Ost-West-Verkehr verfügt Posen auch über einen Flughafen. |
Der Marktplatz.... |
....umgeben von prächtigen.... |
....Fassaden..... |
....und Strässchen |
Im Inneren der barocken Pfarrkirche |
Das Rathaus mit den Arkaden |
Nach einem ausgiebigen Rundgang durch das beeindruckende Posen, setzen wir unsere Reise fort. Im Gegensatz zum Baltikum sind polnische Grossstädte intelligent beschildert und wir finden daher schnell auf die Strasse Nr. 32 (E 261) in südwestlicher Richtung und aus der Stadt hinaus. Nun beginnt ein wahres Verkehrschaos. Wir kommen nur schrittweise voran, die 'Hauptstrasse' ist so schmal, das Überholen aufgrund der entgegenkommenden LKW lebensgefährlich ist. Wir machen's trotzdem, sonst ist an ein Vorwärtskommen nicht zu denken. Der gesamte Transitverkehr in die Industrieregionen Südpolens und in den Westen scheint hier durchzufahren. Hinter Steszew, das am Rande des Nationalparks Grosspolen liegt, biegen die Meisten in den Süden ab, während wir auf der Nr. 32 weiter Richtung Westen fahren. Der Verkehr wird nun schlagartig ruhig und wir können wieder in gewohnter Weise die Landschaft geniessen. Um uns herum findet sich leicht hügeliges Gelände, vorwiegend Wiesen, ab und zu ein kleines Wäldchen, die Oder, die hier noch nicht Grenzfluss ist, überqueren wir vor Wolsztyn. Bei Wollstein (Wolsztyn) liegt im Wald neben der Strasse ein Gasthaus mit einem schattigen Plätzchen. Da wir hungrig und durstig sind, nehmen wir diese Möglichkeit, etwas zu uns zu nehmen, gerne an. |
Polnischer Widerstand gegen die Preussen |
Dampflok im regulären Personenverkehr |
Gegenüber unseres Tisches sehen wir einen unscheinbaren
Bauwagen stehen, dem allerdings eine beschriftete Tafel beigestellt ist.
Bei näherem Hinblicken wird hier auf deutsch und auf polnisch die Geschichte
eines wackeren Polen erzählt, der zu Beginn des 20. Jh., als es den
Polen im deutschen Kaiserreich verboten war, Grundbesitz zu erlangen, hier
seine Bleibe in einem alten Eisenbahnwagen eröffnete. Als die Preussen
davon Wind bekamen, wollten sie ihn davonjagen, er hatte aber zwischenzeitlich
wegen seines tapferen Verhaltens eine Reihe von Freunden, auch bei der Presse,
sodass sich ein Sturm der Entrüstung ob der staatlichen Willkür
entwickelte, man Spendenaktionen ins Leben rief und der preussische Staat
so gezwungen war, den tapferen Polen in seinem Wagon zu belassen. Unter
Hitler wurde das Denkmal, da polnisch, kurzerhand weggeräumt, nach
dem zweiten Weltkrieg von den Polen jedoch wieder aufgestellt. Wie gesagt,
wir sind nur kurz mal von der Hauptstrasse abgebogen und durch Zufall auf
diese tragisch-komische Geschichte gestossen. Als wir weiterfahren, sehen
wir inmitten grüner, weiter Felder wiederum ein Kuriosum für westliche
Augen: Ein Personenzug der polnischen Bahnen mit einer zischenden Dampflok
vorneweg. Vor Grünberg (Zielona Gora) baut sich im Westen ein Gewitter
auf und wir beschliessen, in der Stadt nur kurz zu tanken, um dann rasch
weiterzukommen. Als wir an der Tankstelle stehen, beginnt es mit schweren
Tropfen zu regnen. Da wir nicht so recht wissen, wie wir Richtung Grenze
kommen, fragen wir an der Kasse der Tankstelle, um festzustellen, dass man
hier weder englisch noch deutsch spricht. Ein junges polnische Pärchen
bekommt dies mit, spricht uns auf englisch an und entbietet uns ihren Lotsendienst.
Dankbar nehmen wir an. So fahren sie im Regen voraus, wir folgen bis zur
Stadtgrenze, wo sie sich verabschieden. Auf kleinen und einsamen Waldsträsschen
geht es weiter Richtung Staatsgrenze. Was uns auffällt, sind die in
Grenznähe verfallenen Häuser und Dörfer, die am Wegesrand
stehen und die wir durchfahren. Sie scheinen aber bewohnt zu sein. Bei Forst kommen wir nach einem kurzen Autobahnstück an die Grenze und nehmen Abschied von Polen. In der BRD sind die Strassen um Klassen besser, das ganze Land strahlt einen ungeheuren Wohlstand aus, obwohl wir uns angeblich in einer Problemregion befinden. Wir fahren auf der A 15 bis Cottbus und dann auf der B 97 südlich Richtung Hoyerswerda. Nachdem es nun dunkel wird, biegen wir direkt an der Talsperre Spremberg von der Bundessstrasse ab und finden direkt am See ein Quartier für die Nacht. Der Abend ist noch leicht verregnet, über Norddeutschland ziehen in dieser Nacht schwere Gewitter. |