Neunter Tag Gozzano (Piemonte) - Ernen (Wallis), 239km
Das Piemont empfängt uns mit einem strahlenden Morgen, schon frühmorgens ist es sehr warm. Ja, so muss das sein. In Gozzano, wo unser Quartier für die letzte Nacht war, gibt es eine Alessi-Niederlassung mit Fabrikverkauf. Die Preise liegen bis zu 50% unter denen zu Hause. Wer also auf italienisches Designer-Geschirr und Küchenmaschinen mit dem besonderen Flair steht, ist hier richtig. Wir sind es nicht, schon aus Platzgründen. Der Ort bietet sonst nicht viel mehr, allerdings fängt hier der Ortasee an, das piemontesische Juwel in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Lago Maggiore, wenig bekannt und v.a. von denjenigen besucht, die den Rummel des Lago meiden wollen. |
Orta San Giulio mit der gleichnamigen Insel am Ortasee | Wir schwingen uns auf die Maschinen und fahren von Gozzano aus den Lago d'Orta in nördlicher Richtung am östlichen Ufer entlang nach Orta San Giulio, einem idyllischen Dorf am See. Der Ort ist autofrei und man muss am Ortsrand parkieren, was wir folglich tun. Nach einem kurzen Spaziergang durch die romatischen Gassen setzen wir uns auf der Piazza, schlürfen einen Espresso, oder zwei/drei?, blicken auf den herrlich daliegenden See, die Insel San Giulio und geniessen das Dasein. Die Piazza wird umsäumt von alten Gebäuden mit schönen Fresken und Malereien. In den kleinen Gässchen finden sich so manche kulinarische Highlights. Wir entdecken einen Grappaladen, der ca. 50 verschiedene Flaschen aus kunstvoll geblasenem Glas im Fenster stehen hat. Nein, kein Schlückchen jetzt! |
Der Marktplatz, umgeben von.... | ....stilvoll bemalte Häusern |
Über den Dächern von Stresa | Gegen Mittag nehmen wir die Route in westlicher Richtung über Gignese nach Stresa. Den Aussichtsberg Mottarone schenken wir uns, obwohl das wahrscheinlich ein Fehler war, bei diesem Wetter. Man sieht dort oben weit von Milano über die Poebene bis zu den Walliser Alpen, ein gigantisches Panorama. Das kurvige kleine Strässchen, das wir jetzt fahren, führt durch einen lieblichen Wald und kleine Weiler, nach Gignese, dem Ort der oberitalienischen Schirmmanufakturen, Regenschirme brauchen wir heute allerdings keine. Oberhalb von Stresa fällt das schmale Strässchen steil zum Lago Maggiore hin ab. Die Aussicht ist herrlich, man blickt über den Lago bis in die Schweiz hinauf. Bei heissem Sommerwetter essen wir in Stresa auf dem Marktplatz ein etwas zähes Fritto misto, aber im Anschluss unser bestes Eis seit Jahren. Nach einigen Stunden am Lago und dem vergeblichen Versuch, die Fährmänner zur Isola Bella bzw. Pescatori preislich etwas gnädiger zu stimmen, fahren wir über Baveno ins Tal des Toce. Unser Ziel heisst Sempione, der Simplon. |
in der Ferne, im Norden, Locarno | Auf einer etwas holprigen, autobahnähnlichen Strasse kommen wir durch das Val d'Ossola nach Domodossola. Hier trifft sich die Strasse mit der aus dem Centovalli. Domodossola hat einen besichtigenswerten Stadtkern. Hier ist man besonders auf seine politischen Traditionen stolz, die v.a. mit Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit zu tun haben, nicht umsonst war die Region noch vor Einmarsch der Alliierten von den Faschisten befreit gewesen, die übrigens den Simplontunnel sprengen wollten, was durch den Widerstand verhindert wurde. Wenden wir uns etwas erfreulicheren Themen zu. Domodossola ist eine Stadt an einem Alpenpass mit langer Tradition, dem Simplonpass. Er war lange Zeit eine der Hauptverbindungen in den Norden, v.a. zum Salztransport. Märchenhafte Reichtümer konnten mit dem Handel über diesen Pass verdient werden, wie die Geschichte Kaspar Jodok Stockalpers in Brig beweist. Über Crevoladossola und Iselle erreichen wir die schweizer Grenze bei Gondo. Gondo wurde im Oktober 2000 durch einen Murgang grösstenteils zerstört, wobei viele Menschen ihr Leben lassen mussten. (siehe 'Alpenkonvention'). |
Lange Kehren unter Galerien, die nicht den absoluten Schutz bieten, den sie versprechen (siehe Bilder Simplon-Pass), führen uns über eine gut ausgebaute, z.T. mehrspurige Strasse auf die Passhöhe. Zuvor durchfahren wir den Ort Gabi und streifen Simplon-Dorf. Hier kann man den Sommersitz des o.g. Superreichen und gleichzeitig frommen Stockalper besichtigen. Nach einigen Kilometern ist die Passhöhe dann schnell erreicht. Auf einer Anhöhe steht das Armee-Denkmal aus dem 2. Weltkrieg, für Schweizer allemal wichtig, für uns weniger. Gegenüber liegt das Hospiz, ursprünglich eine von Napoleon geplante Kaserne, die nach seiner Niederlage an Bernhardiner-Mönche ging und hier ein Ort der Kontemplation und der Rast wurde. Bei klarem Wetter hat man einen schönen Blick gen Süden auf das Fletschhorn, 3993m. Heute hüllt es sich in Wolken. Gegenüber im Norden liegt die Kette der Berner Alpen, sie ist ebenso nur in Teilen zu erkennen. Da es doch recht zugig ist hier oben, fahren wir zügig nach Brig hinunter. Am Simplonpass leicht zu machen, da er auf der nördlichen Seite ebenso komfortabel ausgebaut ist. |
Simplon-Passhöhe | Blick auf die Kette der Berner Alpen |
Der Dorfplatz in Ernen/Goms | Noch vor Brig auf den Anhöhe bei Glis erkennt man das Stockalperschloss, das das Stadtbild von Brig prägt. Brig selbst ist nach der Überflutungskatastrophe von 1993 wieder aufgebaut worden, hat aber den ursprünglichen Charme von früher meines Erachtens nicht mehr. Woran es liegt kann ich auch nicht sagen. Wir folgen der Strasse, die Brig umgeht Richtung Furka/Grimsel ins Goms und kommen ins Aletschgebiet über Mörel und Lax wieder nach Ernen, unserem oft frequentierten Alpendomizil. Dieses Kleinod unter den oberwalliser Bergdörfchen, früher Hauptort des Oberwallis, Gerichtsort mit dem bis heute erhaltenen Galgen und Geburtsstätte des oberwalliser Kardinal Schiner, birgt nicht nur ein sehenswertes Ortsbild, es ist auch kultureller Mittelpunkt des Goms geworden, jedes Jahr findet hier das 'Festival der Zukunft' statt, ein klassisches Festival, das mit seiner verzaubernden Musik und den vorwiegend jungen Künstlern dem Ort ein zusätzliches Flair verleiht. |
Langsam heisst es für uns Abschied nehmen von den Alpen. Im Banne des Finsteraarhorns und des Gr. Wannenhorns sitzen wir noch bis spät im Garten und geniessen, begleitet von zirpenden Grillen und dem Gebimmel von in der Nachbarschaft grasender Schafe, den ausklingenden Tag. |