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Estland
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Lettland
Lettland
Litauen
Litauen
Der Deutsche Orden
Deutscher Orden

P r o l o g

Eine neue Zukunft Europas hat begonnen: Am 1. Mai 2004 sind die baltischen Staaten und Polen der EU beigetreten. Heissen wir sie willkommen! Der Kreis der Geschichte, die eine Geschichte der Jahrhunderte währenden engen Verflechtung und Anbindung dieser Region an Mitteleuropa, aber auch eine Zeit der Auseindersetzungen und Kriege war, schliesst sich. Ob die Bedingungen der Aufnahme der EU-Neuzugänge politisch und wirtschaftlich tatsächlich klug war, muss sich noch weisen, hier stehen einige Fragezeichen und es wird sicher Generationen dauern bis eine Angleichung des Lebensstandards in Osteuropa erreicht werden kann.

Wer kennt bei uns diese Länder? Ihre Geschichte, Kultur und Entwicklung? Sehr Wenige. Uns erging es da nicht besser: Eigentlich hatten wir anfangs überhaupt keine konkreten Vorstellungen über die Region, die wir zu bereisen planten, aber irgendwann vor Jahren kam die Idee auf, mal nach Osten zu fahren und dort Land und Leute zu erkunden. Also haben wir uns nach und nach Literatur (s. dort) besorgt und gelesen. Dies wurde ergänzt durch das vorhandene Halbwissen aus bekannten Tatsachen des Geschichtsunterrichts sowie mit Berichten aus dieser Region, die auch Gegenstand aktueller Literatur sind wie z.B. die Erzählungen von Lenz, die Biographie von Dönhoff u.a. So hatten wir nun eine etwas diffuse und romantisierende Vorstellung über Ostpreussen und über die angrenzenden Länder. Vor allem aber über das Baltikum wusste ich nicht viel, ausser, dass es einmal ein wichtiger Bestandteil der Hanse war, dieses norddeutschen Handelsbundes, der für viele Städte und Regionen des Nordens einen immensen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung brachte. Als die Reisepläne dann konkreter wurden, haben wir uns logischerweise etwas genauer mit dem Thema befasst und schnell bemerkt, wie lohnend eine Reise ins Baltikum und an die masurische Seenplatte sein würde, wie unmittelbar hier Landschaft, Kultur und Geschichte Mitteleuropas 'erfahrbar' sein würden. Die russische Enklave Kaliningrad wollten wir ursprünglich besuchen, schreckten jedoch dann davor zurück, als wir mit den russischen Einreise-, Zoll- und Visumbestimmungen konfrontiert wurden, die sich seit Sowjetzeiten wohl nicht verändert haben.

Das Baltikum

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind keine verwandten Kulturen, sie unterscheiden sich sowohl in ihrer ethnischen Zugehörigkeit, in ihrem Glauben, als auch in der Sprache. Sie teilten über Jahrhunderte das Schicksal aller Kleinstaaten und wurden von den sie umgebenden Mächten Schweden, Deutschland, Russland und Polen in wechselnder Ausprägung dominiert. Allerdings hatte diese Dominanz nicht nur negative Folgen, sondern war über lange Zeiträume hinweg auch ein ungeheurer Motor der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung. Viele der grossen Städte der Region sind Gründungen des Deutschritterordens, der in der gesamten Region lange Zeit eine dominierende Rolle innehatte. Man kann diese frühen Staatsgebilde durchaus als eine Art multikultureller Frühform des heutigen Zustandes betrachten, die durch das gegenseitige Befruchten der unterschiedlichen Kulturen eine Bereicherung in der Entwicklung der Länder bedeutete. Zerstört wurde das durch den unsäglichen Nationalismus des 19. Jahrhunderts auch deutlich weniger, der hier, wie auch in anderen Regionen der Welt, wieder die Abgrenzung in den Vordergrund rückte und die politischen Verwerfungen, die schliesslich auftraten, waren im Baltikum zwar vorhanden, aber abgemildert. Erst der Nationalsozialismus, der die Deutschen 'Heim ins Reich' holte, der von Deutschland entfesselte, in der Region unglaublich zerstörerische 2. Weltkrieg sowie der Sowjetimperialismus, der die kulturelle Eigenständigkeit der Völker unterdrückte und eine russische Kolonialisierung erzwang, führte letztendlich zur Auflösung dieser multiethnischen Staaten und begründete neue nationale Bewegungen. Kein Staat des Baltikums hat diese Zeit vergessen, in der Hunderttausende deportiert und ermordet wurden. Als deutscher Reisender wundert man sich, dass in den jeweiligen Hauptstädten Museen mit Ausstellungen über den Juni 1941 den Opfern sowjetischer Gewalt gewidmet sind, kein Wort jedoch über den Beginn des deutschen Vernichtungsfeldzuges im Osten verloren wird. Hier kann man erkennen, wie tief die Abneigung gegen die russische Hegemonie sitzt. Die Eingliederung in die Sowjetunion war für Moskau mit grossen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden, denn die baltischen Staaten waren die reichsten Sowjetrepubliken mit dem höchsten Lebensstandard. Nach dem Zerfall der Sowjetunion war das Baltikum Dank einer besonnenen Politik, mit Ausnahme von Litauen, ohne nennenswertes Blutvergiessen in die Unabhängigkeit gekommen, hatte schnell das alte politische System überwunden und sich wirtschaftlich nach Westen orientiert. Alte Kaderstrukturen und die in anderen Teilen des heutigen Russland allgegenwärtigen Mafiaverbindungen spielen in den baltischen Staaten keine nennenswerte Rolle. Eine wichtiger Garant für die staatliche Entwicklung war die Etablierung eines funktionierenden Rechtswesens, auf das man in Russland bis heute vergeblich wartet, dort herrschen noch die alten Zustände des Willkürrechtes weniger über viele. Wegzoll erpressende Polizei, Beschlagnahmungen von Fahrzeugen ohne Rechtsgrund etc. wird man im Baltikum nicht finden. Der Bruch mit der ehemaligen Hegemonialmacht hatte nicht nur positive Entwicklungen zur Folge, so kämpfen alle baltischen Staaten heute mit enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, deren Bewältigung tatsächlich noch offen ist. Ein grosses Problem sind auch die vielen hunderttausend Russen, die im Baltikum nach den Umsiedlungen der Sowjets noch leben. Waren sie einst die Herren, so werden sie heute geradezu aus allen wichtigen Ämtern vertrieben, manchmal unterdrückt und diskriminiert und müssen zudem noch die neu wiedereingeführten Landessprachen erlernen, da russisch nicht mehr gesprochen werden soll, obwohl natürlich alle diese ehemalige Amtssprache können. Eine grausame Rache der Geschichte, unter der mal wieder die einfachen Menschen zu leiden haben. Man kann nur hoffen, dass sich die Gefühle wieder normalisieren und ein friedliches Miteinander dieser Völker die Zukunft bestimmen wird, allerdings stimmen die im April 2004 aufgeflammten Massenproteste von russischen Jugendlichen, denen man in Lettland ihre Schulen schliessen will, bedenklich.

Ein besonderes Kapitel im Baltikum war die Geschichte des Judentums, das hier eine temporäre Blüte erleben konnte. Zeitweise waren die baltischen Staaten eine Hochburg jüdischen Geistes und in den vorhandenen Siedlungen und Ghettos konnte sich im 'Schtedl' eine eigenständige Sprache, das Jiddisch und die Klezmermusik, die bei uns im Westen gerne gehört und als Synonym für jüdisches Leben angesehen wird, entwickeln. In Wilna gab es vorübergehend ca. 100 Synagogen! Berühmte Talmudgelehrte kamen aus diesem Kulturkreis. 1939 waren 39% der Bewohner Wilnas Juden. Man kann sich vorstellen, was die Heimsuchung durch die Deutschen für die jüdische Kultur bedeutete, es war ihr Ende. Zwar gab es, wie anderswo in Europa, auch hier schon zuvor Antisemitismus und Pogrome, aber die Vernichtung hielt erst mit der deutschen Wehrmacht Einzug. Mehr als 200.000 Menschen wurden allein in Wilna und Umgebung umgebracht. In den anderen Staaten des Baltikums erging es der jüdischen Minderheit nicht besser. Ein trauriges Kapitel ist die Geschichtsklitterung, die man bis heute von offizieller Seite aus betreibt, denn es waren leider häufig Einheimische, die unter dem Kommando der SS hier die Greueltaten begingen, aber das ist im Bewusstsein der Balten nicht eben präsent, um es höflich auszudrücken, es wird schlicht verdrängt. Der Sowjetstaat vollzog nach dem zweiten Weltkrieg den endgültigen Niedergang, jüdische Gotteshäuser, sofern sie noch vorhanden waren, wurden kurzerhand zu Lagerhäusern etc.

Nun zu etwas Erfreulicherem: Nicht zuletzt lockte uns, neben den Städten mit ihrer grossen Geschichte, natürlich auch die Landschaft. Stille Wälder, grosse Seen, einsame Sandstrände, so stellten wir uns das vor und wurden ein ums andere Mal geradezu verzaubert, von dem, was wir vorfanden. In allen baltischen Staaten, wie auch in Nordpolen, finden sich in riesigen, unberührten Wäldern Tiere, die sonst in Europa weitgehend ausgerottet und ausgestorben sind: Mit viel Glück kann man Elche beobachten, Wölfe, Luchse oder gar Braunbären wird der Reisende, der nicht die Zeit hat, stundenlang an bestimmten Plätzen auszuharren, wohl nie zu Gesicht bekommen, obwohl sie (noch) recht zahlreich vorkommen. In Nordpolen hat man mit Erfolg Wisente wieder heimisch gemacht, ein besonderer Erfolg des Artenschutzes.
Die Begegnung, die wir mit den Menschen machen durften, war geprägt von Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, wenn auch unüberbrückbare sprachliche Barrieren eine echte Konversation auf Individuen, die der deutschen oder englischen Sprache mächtig waren (und das waren nicht sehr viele!), beschränkt blieben. Aber man kann sehr gut mit Händen und Füssen 'sprechen' und kommt immer dahin, wo man hin will.
Die touristische Infrastruktur ist von Land zu Land sehr unterschiedlich entwickelt. Am besten hat uns hier Estland gefallen, das mit guten, preiswerten Hotels oder anderen Unterkünften bemüht ist, dem Gast eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Schlecht auf Reisende eingestellt war Lettland, hier empfiehlt es sich im Voraus zu buchen, was wir nicht taten und daher schlecht beraten waren und nur mit Glück Unterkunft fanden, die z.T. recht abenteuerlich war. Litauen ist etwas besser, nimmt daher eine Mittelstellung ein. Wobei man in den grossen Städten immer etwas findet, man zahlt dann allerdings westliche Preise für ein Angebot, das nicht immer zu überzeugen weiss.
Von den Strassen hatten wir abenteuerliches gehört: Tiefer Schotter, nur mit einer Enduro zu bewältigen, grosse Löcher im Asphalt, kurz gesagt, katastrophal. Die Wirklichkeit war, wie so oft, eine andere: Alle grossen Überlandstrassen,- Autobahnen gibt es ausser in Litauen so gut wie keine -, sind gut asphaltiert, man kommt auch mit einer Strassenmaschine fast überall hin, allerdings sind die Nebenstrassen, die man unbedingt fahren sollte, tatsächlich Schotterpisten, sodass eine Enduro hier anzuraten ist. Das Tankstellennetz ist engmaschig und sehr gut mit Markensprit versorgt, ein kleiner Tank ist mithin kein Hindernis, um ins Baltikum zu fahren. Katastrophal ist die Beschilderung, sodass wir gutes Kartenmaterial (s. dort) und mindestens einen Kompass empfehlen, um sich nicht dauernd zeitraubend zu verfahren. Vor allem die grossen Städte glänzen durch miserable Beschilderung, man findet schlecht hinein und kaum wieder heraus.

In Geldsachen sind keinerlei Schwierigkeiten aufgetreten: Man kann in allen Ländern in jeder kleineren Stadt mit der EC-Karte die Landeswährung abheben, Kreditkarten werden quasi überall akzeptiert, auch an den Tankstellen, v.a. Visa und Mastercard. Das Handy funktioniert fast flächendeckend.

Visumpflicht besteht für deutsche Staatsbürger nicht, man kann frei einreisen. Vorgeschrieben ist in allen Ländern neben einem gültigen Reisepass die Mitnahme vollständiger Fahrzeugpapiere und die grüne Versicherungskarte. Hat man die nicht, muss man in manchen Staaten $ 100.- zahlen, oder die Einreise wird verweigert.

Biker trifft man kaum in den von uns bereisten Ländern, das Werkstattangebot ist dementsprechend noch recht mager, wer ein Problem hat, sollte sich vorher erkundigen, wo er ggf. Anlaufstellen findet. Honda-Deutschland und Honda-Europe war z.B. nicht in der Lage für das gesamte Baltikum und Polen auch nur eine Werkstatt, wo man Ersatzteile bekommt, zu benennen, ein sehr schlappes Ergebnis, meine ich. Im Gegensatz dazu konnte Suzuki mit einer Reihe von Werkstätten und Anlaufstellen aufwarten, die wir leider auch einmal in Anspruch nehmen mussten. Da auch die Honda ersatzteil-/werkstattpflichtig wurde, wurde es ein Abenteuer, in Polen eine Werkstatt zu finden. Man sollte den Fahrzeugkauf auch von solchen Serviceleistungen abhängig machen!


Estland
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Links zum Baltikum:
Ausführliche Informationen zu Osteuropa
Baltisches Informationszentrum Berlin
Litauen-Info
Lettland-Info

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