Kurische Nehrung - Memeltal - Kaunas (270 Km)
| Als ich in meinem Zimmerchen aufwache, prasselt der Regen gegen das Dachfenster, das Wasser rinnt in Strömen, ein leider schon gewohnter Anblick. Draussen beginnt der Tag Grau in Grau, nicht gerade eine Tatsache, die die Stimmung hebt. Im Frühstücksraum beratschlagen wir, ob es sinnvoll ist, noch einige Tage auf der Nehrung zu bleiben, wie wir es eigentlich vorhatten. Nachdem wir den Wetterbericht erfahren fällt uns die Entscheidung allerdings leicht: Es soll noch Tage so bleiben, aber im Südwesten nähert sich ein umfangreiches Hochdruckgebiet mit sommerlichem Wetter. Also beschliessen wir den Aufbruch, um schnellstmöglich dem mistigen Wetter zu entfliehen und in wärmere Gefilde zu entkommen. | 
 
      ![]() Wieder Dauerregen über der Nehrung  | 
     
      ![]() Rauhes Wetter über der Ostsee  | 
  
 
      ![]() Die Memelmündung bei Klaipeda  | 
    
       Wir fahren wieder bei Sandort auf 
          die Fähre und in wenigen Minuten sind wir zurück in Klaipeda. 
          Ohne nochmals in die Stadt zu fahren benutzen wir wg. des Sauwetters 
          in Abweichung von der geplanten Route, die ursprünglich das gesamte 
          Memeltal durchfahren hätte, die Autobahn Kaunas-Vilnius, die recht 
          leer ist und uns gut voranbringt. Trotz meiner hoch geschätzten 
          Griffheizung wird es sehr kalt, wir fahren wegen der auch hier zu sehenden 
          Kollegen von der uniformierten Truppe mit ihren Messgeräten, nur 
          die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h und nachdem 
          wieder ein Regenguss einsetzt suchen wir Schutz in einer Autobahnraststätte. 
          Diese besteht aus einem kleinen Häuschen, in dem sich zwei Damen 
          um den Service kümmern. Sie sprechen keine Fremdsprache und wir 
          suchen auf der Karte, die über dem Tresen hängt nach bekannten 
          Namen für die innerliche Erwärmung, was allerdings nicht gelingt, 
          es finden sich nur unbekannte Begriffe.   
        
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      ![]() Autobahnraststätte in Litauen  | 
     
       Mit Gesten versuchen wir eine Bestellung 
        aufzugeben, die sich kurze Zeit später als Desaster entpuppt, wir 
        bekommen nämlich eine kalte Suppe geliefert. Na ja, schliesslich 
        ist Sommer und so verdrücken wir das Missgeschick tapfer. Nur wenig 
        aufgewärmt geht es bei scharfem und kaltem Gegenwind weiter. Nach 
        einigen Kilometern beschliessen wir, unser ursprüngliches Vorhaben, 
        nämlich durchs Memeltal zu fahren, trotz des schlechten Wetters in 
        die Tat umzusetzen und verlassen die Autobahn bei Raseiniai in südlicher 
        Richtung. Der Weg führt nun über eine Landstrasse, die allerdings 
        gut ausgebaut ist, durch eine Landschaft voll grüner Wiesen. Ab und 
        zu sieht man kleine Gehöfte stehen und besonders fallen uns die zahlreichen, 
        in Gruppen vorkommenden Störche auf, die in den Wiesen stehen. 
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      ![]() Litauischer Bauernhof  | 
     
      ![]() Die Memel....  | 
  
 
      ![]() ....im romantisch gelegenen Tal  | 
     
       Die Strasse führt in grossen 
        Kurven durch Wald und bei Gelgausiskis kommen wir an den Fluss, der in 
        einem romantischen Tal ruhig fliesst und bis 1945 die Grenze Ostpreussens 
        zu Litauen markierte. An seinen Ufern findet sich ein feiner Sandstrand 
        und man kann die den Memelstrand besingenden Volkslieder verstehen, die 
        dem Fluss ein Denkmal gesetzt haben. Ob man hier allerdings baden sollte, 
        wage ich zu bezweifeln, denn alle Abwässer der anliegenden Gemeinden 
        werden ungeklärt eingeleitet. Das hält aber kaum jemanden vom 
        Fischen ab, wie wir beobachten können. Die Strasse Nr. A228 führt 
        uns nun entlang des Flusses weiter Richtung Südosten und wir haben 
        teilweise einen herrlichen Blick auf die Flusslandschaft sowie auf kleine 
        Dörfer, die direkt an der Memel liegen mit ihren teilweise stattlichen 
        katholischen Kirchen, wie die neugotische Georgskirche in Vilkaja. Es 
        herrscht kaum Verkehr. An einem Imbiss nehmen wir zwei fettige und wohl 
        schon ältere Blinis ein, wenigstens warm waren sie, dann geht es 
        weiter, die letzten Kilometer hin zur zweitgrössten Stadt Litauens. 
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      ![]() Das Dorf Vilkija an der Memel  | 
     
       Vor Kaunas beginnt erneut ein Lichthupenkonzert 
        des Gegenverkehrs und wir fahren langsam und vorsichtig weiter, bis wir 
        die Radarstelle passiert haben, die übrigens meisterlich hinter einer 
        Hecke getarnt ist, wie überhaupt alle Radarfallen in Litauen nur 
        schwer auszumachen waren. Die Stadt empfängt uns mit dem typischen 
        grauen Bild der Vorstädte, das sich allerdings schnell wandelt, als 
        wir ins Zentrum kommen. Hier stehen niedriggeschossige Häuser, die 
        einen gut erhaltenen Eindruck machen, keine Betonbauten verschandeln die 
        Innenstadt. Als einen ersten Eindruck des Zentrums sehen wir die Garnisonskirche, 
        die ihre Kuppeln am Ende der Laisves aleja erhebt. Da wir keinen Plan 
        haben, wo wir unterkommen sollen, gehen wir in der Laisves Allee, die 
        Fussgängerzone, Nichtraucherareal und Flaniermeile der City ist, 
        ins offizielle Tourismusbüro der Stadt. Dort empfängt uns eine 
        junge, sehr freundliche Dame, die nach einem Telefonat schnell zwei Zimmer 
        organisiert in einem sonst recht teuren Hotel, aber durch die Anmeldung 
        über ihr Büro können wir einen Rabatt von sage und schreibe 
        30% bekommen.  
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       Sie gibt uns noch ein paar Tipps für 
        die Stadt mit auf den Weg und wir sind nach wenigen Kurven im Quartier, 
        eine richtige Luxusherberge, vergleicht man sie mit den von uns vorher 
        frequentierten Unterkünften. Nach einem ausgiebigen Bad, das uns 
        die fast schon ungewohnte Wärme wiedergibt, wollen wir die verbleibende 
        Zeit des Tages nutzen und Kaunas besichtigen. Wir gehen die wenigen Schritte 
        zu Fuss in die Altstadt, die sehr lebendig wirkt, die vielen kleinen Läden 
        sind rege bevölkert. Minütlich wird jetzt das Wetter besser, 
        der Himmel reisst auf und strahlend blau begleitet er uns in den Abend. 
        Über die Sv. Gertrudos gatve gelangen wir in die Altstadt. Hier beeindruckt 
        uns besonders der Rathausplatz mit dem im Kirchenstil erbauten alten Rathaus 
        aus dem 18. Jh., das von der Bevölkerung wegen seines Aussehens auch 
        'Weisser Schwan' genannt wird und heute gerade noch das Standesamt beherbergt. 
        Sehenswert finden wir auch die alte Burg, von der allerdings nur noch 
        Reste übrig sind, die Kathedrale, das grösste gotische Bauwerk 
        Litauens sowie natürlich die Häuserensembles, die die Strassen 
        säumen. 
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      ![]() Die Garnisonskirche in Kaunas  | 
  
 
      ![]() Rathaus....  | 
     
      ![]() ....und Jesuitenkirche  | 
  
| Auf dem Rathausplatz ist heute Sonnwendfest und die Bewohner der Stadt feiern ausgelassen, auf einer grossen Bühne bieten Gruppen von Jugendlichen Tanz und Gesang in landesüblichen Trachten dar. Für uns hat es etwas Rührendes, wie man hier der Tradition frönt, aber es ist keine Volkstümelei, die sich darbietet, sondern gelebte Volkskultur, die im Baltikum eine ungeheure Rolle spielt. Nachdem wir eine Zeitlang zugeschaut haben, gehen wir durch die Gassen hinunter an den Fluss. Die Strassen beginnen sich zu füllen, man will das Wetter nutzen und die vielen Cafés werden bevölkert. | 
 
      ![]() In der Altstadt  | 
     
      ![]() Der Zusammenfluss von Neris und Memel  | 
  
| Über kleine Wege kommen wir auf eine Landzunge, die zum Zusammenfluss von Neris aus dem Norden und Nemunas (Memel) aus dem Osten führt, den zwei grössten Flüssen Litauens, die sich hier vereinigen. Im abendlichen Gegenlicht -der Himmel ist nun strahlend blau- ist die friedliche Stimmung hier ein berückendes Naturerlebnis, das auch durch die zahlreichen Spaziergänger nicht getrübt wird, da sie sich alle still verhalten und den Anblick geniessen. | 
 
      ![]() Blick auf die Stadt  | 
     
       Von dieser Stelle hat man einen schönen 
        Blick zurück auf die Türme der Stadt. Wir gehen mit den letzten 
        Strahlen der Abendsonne wieder in die Altstadt, wo wir den Restauranttip 
        der freundlichen jungen Frau aus dem Tourist Office aufsuchen und uns 
        in einer urigen Kneipe in der Altstadt regionale Spezialitäten schmecken 
        lassen. Auf der ganzen Tour war dies das beste Essen! Schon recht müde 
        geworden, kehren wir nach einem kurzen Besuch auf dem Rathausplatz, wo 
        jetzt eine Girlie-Combo in Barbie-Manier den Platz mit den auf der ganzen 
        Welt gleich klingenden Computerklängen zumüllt, in unser Hotel 
        zurück und ich falle in einen tiefen Schlaf. Morgen wollen wir die 
        Besichtigung fortsetzen. 
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| Man nennt Kaunas auch die Stadt der Museen. Ein reichhaltiges Kulturangebot empfängt den Reisenden. Sie soll die litauischste und selbstbewussteste Stadt des Landes sein und war früher vorübergehend Hauptstadt des Landes. Mit ihren 500.000 Einwohnern, von denen 85% Litauer sind, ist sie das wichtigste Industriezentrum Litauens. Der alte Stadtkern mit einer Burg liegt auf einer Halbinsel, die vom Zusammenfluss der Ströme Neris und Nemunas gebildet wird. Die Altstadt geht auf eine lange Geschichte zurück. Erstmals 1361 erwähnt, prosperierte die Stadt als Handelsweg zwischen Ost und West. Den Eroberungsversuchen der deutschen Ordensritter hielt sie ebenso stand, wie der Christianisierung, die erst sehr spät, nämlich nach der Polonisierung erfolgte. Man ist in Litauen auf diese heidnische Geschichte besonders stolz. Kaunas war nie Mitglied der Hanse, diese unterhielt jedoch eine Dependance in der Stadt von 1441 bis 1532, sodass eine enge Anbindung an den Handelsbund möglich war. Die Architektur der Innenstadt stammt in Teilen noch aus dem 16.Jh, als nach einem grossen Brand das bis heute erhaltene rechtwinklige Strassennetz geplant wurde. Während der Kriege polnisch-Litauens mit Schweden und Russland im 17. und 18. Jh. litt die Stadt erheblich und erlebte ihre zweite Blütezeit erst zwischen den Weltkriegen. Von 1795 an gehörten die jenseits der Nemunas gelegenen Anteile zu Russland, die diesseitigen westlichen Teile verleibte sich Preussen ein. Ein trauriges Kapitel war die deutsche Besatzung 1941, die die zaristischen Festungen zu Konzentrationslagern umfunktionierte und dort 80.000 Juden, 10.000 russische Kriegsgefangene und weitere Opfer aus anderen Ländern ermordet hat. Der litauische Anteil an diesem Völkermord, die litauischen Sondereinheiten der SS, wird jedoch bis heute verdrängt und so erinnert eine Gedenkstätte nur an die deutschen Greueltaten. Sehenswert sind in der Stadt die Kirchen, wie die ehemalige russische, heute katholische Garnisonskirche, die Kathedrale und die Auferstehungskirche, Burg und Rathaus, das im Kirchenstil erbaut ist, sowie einige spätgotische und Renaissancegebäude, hier besonders zu erwähnen das Perkunas-Haus (Aleksoto 6) und der Malsalskis-Palast. Der zentrale Platz ist der Rathausplatz, früher Ort von Hinrichtungen und Parademärschen, heute für Festlichkeiten und Märkte genutzt. Gleich daneben liegt das spätbarocke Jesuitenkloster mit der gleichnamigen Kirche. Die umliegenden Bürgerhäuser in gotischem Stil beherbergen Cafés, kleine Läden und Galerien. Daneben gibt es noch eine Reihe von Museen, wie z.B. das zoologische Museum, das Militärmuseum und das architektonisch besonders auffällige Ciurlionis-Museum, das neben anderen Kunstmuseen und Galerien einen Besuch wert ist. In Kaunas gibt es einen Zoo und ein botanisches Museum. Litauen ist neben Irland das poetischste Land Europas, diese Stadt spiegelt das wider. |