Ein
kurzer Überblick über die polnische Geschichte: Ihren Namen leiten die Polen vom westslawischen Stamm der Polanen (eigentlich 'Feldbewohner') her. Die Siedlungsschwerpunkte der Polanen lagen im 9. und 10. Jahrhundert an der mittleren Warthe um Posen und Gnesen. Das Stammesgebiet der Polanen umfasste die Kernzone des grosspolnischen Territoriums. Unter dem Herrschergeschlecht der Piasten, die aus Böhmen und Schlesien stammten, entwickelte es sich zur territorialen Basis eines Staatsgebildes, das noch im 10. Jahrhundert bis zur Odermündung und nach Pommern reichte, in nordöstlicher Richtung kujawische und masowische Gebiete einbezog und sich im Süden in Konkurrenz zum böhmischen Nachbarn über Schlesien und das Stammesgebiet der Wislanen (Kleinpolen um Krakau) ausdehnte. Entstehung des polnischen Staates: Über Herkunft und Vorgeschichte der einzelnen
altpolnischen Stämme, die der erste historisch fassbare Piastenfürst
Mieszko (um 960-992) unter seiner Herrschaft vereinigte, sind wir nur
sehr lückenhaft unterrichtet. Die wenigen Anhaltspunkte reichen nicht
aus, um die Fragen nach der Urheimat der Slawen und der zeitlichen Abfolge
ihrer Wanderungsbewegungen zu beantworten. Polen und das Reich: Die polnischen Piasten teilten mit dem Kaiser den Kult um Adalbert und die Sorge um die Verbreitung des christlichen Glaubens. Zumal nach dem grossen Slawenaufstand des Jahres 983 hatten sie sich mehrfach gemeinsamen Unternehmungen gegen die heidnischen Ostsee- und Elbslawen angeschlossen. Streitigkeiten um die Abgrenzung der beiderseitigen Machtbereiche blieben nicht aus. Sie führten nach dem frühzeitigen Tode Ottos III. zu mehrjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Heinrich II. um den Besitz Böhmens, der Mark Meissen und der Lausitz (1002-18). Letztere verblieb zusammen mit dem Milzener Land (Oberlausitz) im Frieden von Bautzen vom 30. Januar 1018 bei Boleslaw. Im gleichen Jahr mischte sich der polnische Herrscher in die innerrussischen Thronwirren ein, die nach dem Tode Wladimirs des Heiligen unter den Söhnen ausgebrochen waren. Mit seinem Truppenaufmarsch vor Kiew erzwang Boleslaw die Rückkehr seines Schwiegersohnes Swjatopolk auf den grossfürstlichen Thron. Auf dem Höhepunkt seiner Macht löste sich Boleslaw aus der Lehensabhängigkeit vom Reich und liess sich 1025 die Königskrone aufsetzen. Unter seinem Sohn Mieszko II. war der ausgedehnte territoriale Besitzstand nicht mehr zu halten. Ein Präventivschlag der Polen gegen Meissen und Zeitz 1028 löste eine Gegenaktion unter den begehrlichen Nachbarn aus, die Mieszko 1031 unter anderem die Lausitz kostete und ihn ausser Landes nach Böhmen trieb. Seine Gegner verhalfen dem älteren Bruder Bezprym zur Macht. Nur dessen vorzeitiger Tod ermöglichte Mieszko II. 1032 die Rückkehr. Auf dem Hoftag in Merseburg 1033 musste er allerdings vor Kaiser Konrad II. der Königswürde entsagen und einer Machtteilung mit seinen Anverwandten zustimmen. Mieszkos II. Tod (1034) stürzte das Land in
eine lang andauernde Krise. Eine heidnische Reaktion erschütterte
die noch nicht gefestigte Stellung der Kirche, und die Eigeninteressen
adliger Gefolgsleute schwächten die Autorität der Königsmacht.
Der Mundschenk Maslaw schuf sich in Masowien einen eigenen Herrschaftsbereich.
Pommern beanspruchte Knut II. von Dänemark für sich. Herzog
Kasimir I. flüchtete 1037 vor dem Zorn des aufgehetzten Volkes nach
Ungarn. Nur dank der massiven militärischen Unterstützung Heinrichs
III. und seines Schwagers Jaroslaw von Kiew gewann er den Thron zurück.
Als Gegenleistung hatte er dem Kaiser den Lehenseid zu leisten und im
Streit mit dem Böhmenherzog Bretislaw den Schiedsspruch Heinrichs
III. zu akzeptieren. Bretislaw hatte Schlesien an sich gerissen und die
Gebeine des heiligen Adalbert aus Gnesen nach Prag entführt. Vor seinem Tode noch (1138) suchte Boleslaw III.
weiteren Erbstreitigkeiten und Bruderkämpfen durch testamentarische
Verfügung vorzubeugen. Er entschied sich nach russischem Vorbild
für eine Thronfolgeregelung nach dem Senioratsprinzip. Diese wies
dem ältesten Sohn, Wladislaw II., als Grossfürsten die politische
Führungsrolle im Gesamtstaat zu und überliess ihm auch die Verfügung
über die neue Hauptstadt Krakau und wohl auch über die alte
Krönungsstadt Gnesen. Allen übrigen Söhnen aber wurde der
jüngste, Kasimir, ausgenommen ebenfalls ein grösserer eigener
Territorialbesitz zugestanden, der sich weitgehend mit den alten Stammesgebieten
Schlesien, Masowien und Kujawien, Grosspolen und dem östlichen und
westlichen Kleinpolen deckte. Landesausbau und Kolonisation: Die Verwendung des Namens 'Polen' blieb im 13. Jahrhundert
auf das grosspolnische Territorium beschränkt. Die schlesischen Piasten
verzichteten nach dem Mongoleneinfall 1241 auf ihre bisherigen gesamtstaatlichen
Ambitionen und wandten sich auch in ihren verwandtschaftlichen Beziehungen
dem Reich bzw. Böhmen zu. Herzog Heinrich II., der Fromme, hatte
zusammen mit zahlreichen schlesischen und grosspolnischen Rittern in der
Schlacht bei Liegnitz am 9.April 1241 sein Leben lassen müssen. Das
Aufgebot des kleinpolnischen Adels war zuvor schon bei Chmielnik südlich
von Kielce von den Tataren aufgerieben worden. Die grösste Gefahr für die in zahlreiche
Seitenlinien aufgesplitterten Piasten drohte zu Ende des 13. Jahrhunderts
vom böhmischen Nachbarn. König Wenzel II. hatte seit 1289 über
erbvertraglich abgesicherte Ansprüche in Oberschlesien Fuss gefasst
und 1291 Krakau hinzugewonnen. 1300 rückten seine Truppen in Grosspolen
und Pommerellen ein. Eine einflussreiche Gruppierung geistlicher und weltlicher
Würdenträger betrieb seine Wahl zum polnischen König. Die
Krönung vollzog der Erzbischof von Gnesen. Wenzel II., der gleichzeitig
seine Hand nach Ungarn ausstreckte und 1302 seinem Sohn die ungarische
Krone aufsetzen liess, nahm seinen polnischen Besitz vom deutschen König
Albrecht I. zu Lehen. Adel und Königsmacht: In der Nachfolgefrage hatte Kasimir rechtzeitig durch
eine Erbverbrüderung mit den ungarischen Anjou vorgesorgt. Der Ausschluss
einer weiblichen Erbfolge musste allerdings im Privileg von Buda 1355
vom Adel durch die Zusage erkauft werden, künftig keine Sondersteuern
zu erheben und die grundsätzliche Wahlfreiheit bei der Königskür
anzuerkennen. Als Kasimir 1370 starb, rückte der ungarische König
Ludwig I. nach, der selbst ohne männliche Erben war. Der Übergang
vollzog sich aber nicht problemlos. Ludwig verwaltete Polen nur als Nebenland
und konnte Interessenkollisionen mit seiner Stellung in Ungarn nicht ausschliessen.
Der Ruf nach einer einheimischen Dynastie wurde in den unzufriedenen Adelskreisen
laut. Um die Nachfolge seiner Tochter zu sichern, bestätigte Ludwig
im Kaschauer Privileg 1374 die Privilegienzusagen und das Mitspracherecht
des Adels bei künftigen Königswahlen. Die Adelsvertreter setzten
in langwierigen Verhandlungen mit der Witwe Ludwigs in Buda die dauernde
Anwesenheit der Thronfolgerin in Polen durch. Die ungarische Königstochter
Hedwig (polnisch Jadwiga) wurde 1384 in Krakau gekrönt. Auf Drängen
des Adels gab sie 1386 ihre Zustimmung zu der folgenreichen ehelichen
Verbindung mit dem heidnischen Litauerfürsten Jagiello. Polen-Litauen (1385 bis 1572): Ein Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer: Die polnisch-litauische Staatenunion, deren Herrschaftsanspruch
von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte, war das Ergebnis einer
Vernunftehe, bei der das politische Kalkül beider Seiten den Ausschlag
gab. Der Litauerfürst Jagiello entschied sich für die polnische
Option, weil sie Hilfe gegen den Deutschen Ritterorden, den gemeinsamen
Feind in Preussen und Livland, in Aussicht stellte und einen Rückhalt
für die Fortführung der erfolgreichen Ostpolitik Litauens bot.
Der Unionsvertrag war am 14. August 1385 in Krewo geschlossen worden.
Bei den langwierigen Verhandlungen vor der Unterzeichnung hatten die vornehmlich
kleinpolnischen Unterhändler einen langen Forderungskatalog präsentiert.
Sie bestanden nach den unliebsamen Erfahrungen der Vergangenheit auf der
Anwesenheit des Herrschers im Lande und auf seiner Taufe und sie wünschten
Zusagen im Hinblick auf eine künftige Eingliederung des Grossfürstentums
und ein verstärktes Engagement zur Zurückgewinnung der verlorenen
polnischen Territorien. Am 14. Februar 1386 hielt Jagiello seinen triumphalen
Einzug in Krakau und empfing am folgenden Tag zusammen mit seinem Gefolge
aus der Hand des Gnesener Erzbischofs die Taufe. Am 18. Februar feierte
er die Vermählung mit Königin Hedwig und am 4. März wurde
er selbst unter seinem Taufnamen als Wladislaw II. zum König von
Polen gekrönt. Vor dem Krönungsakt bestätigte er dem polnischen
Adel die bisherigen Privilegien und versprach, keine zusätzlichen
Steuern zu erheben und Polen nicht mit Landfremden zu regieren. Fürst Vytautas hatte alte Rechnungen zu begleichen.
Er war 1382 mit seinem Vater Keistut im innerlitauischen Machtkampf unterlegen
und musste sich zeitweise unter den Schutz des Deutschen Ordens begeben.
Er versöhnte sich wohl vorübergehend mit seinem Vetter und begleitete
ihn 1386 zur Krönung nach Krakau. Dass allerdings Wladislaw ihm seinen
Bruder, Fürst Skirgaila, als Stellvertreter in Litauen vorzog, musste
er als persönliche Kränkung empfinden. 1389 kam es erneut zum
Bruch. Seither kämpfte Vytautas mit der Waffe in der Hand um sein
väterliches Erbe und erhob Anspruch auf ganz Litauen. Der Konflikt mit dem Deutschen Orden: Zur Bewährungsprobe des polnisch-litauischen
Verhältnisses wurde die sich hinziehende Auseinandersetzung mit dem
Deutschen Orden. Sie mündete nach dem Aufstand der Samogitier 1409
in einen offenen Schlagabtausch. Der 'Grosse Krieg' endete am 15. Juli
1410 in der Schlacht von Tannenberg mit der Vernichtung des Ordensheeres.
Die siegreichen polnisch-litauischen Truppen besetzten weite Teile des
Ordenslandes. Die meisten Festungen mussten ihre Tore öffnen, nur
die Verteidiger des Ordenssitzes Marienburg trotzten einer mehrmonatigen
Belagerung. Im 1. Thorner Frieden vom 1. Februar 1411 gelang es dem Orden,
die drohende Existenzgefährdung abzuwenden. Er verzichtete zu Lebzeiten
des polnischen Königs und Vytautas' auf Samogitien und verpflichtete
sich zu Entschädigungszahlungen. Ruhe kehrte noch nicht ein. Seit
Herbst 1412 herrschte wieder Krieg an den Grenzen und 1414 verhinderte
ein in Strasburg (Westpreussen) vereinbarter Waffenstillstand nur notdürftig
einen erneuten grösseren Waffengang. Beide Parteien versuchten, auf
dem Rechtsweg Grenzkorrekturen zu erreichen und das Reich und den Papst
als Schiedsinstanzen in den Streit hineinzuziehen. Sie boten hohen juristischen
Sachverstand auf, um dem Konstanzer Konzil ihre abweichenden Standpunkte
vorzutragen und eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeizuführen. Die ungesicherte Nachfolgefrage machte den alternden
König zunehmend erpressbar. Vytautas war nicht abgeneigt, für
seine Person Thronansprüche anzumelden und zumindest in Litauen eine
eigene Königsherrschaft zu begründen. Der Orden liess sich die
Gelegenheit nicht entgehen, Zwietracht zwischen seinen härtesten
Konkurrenten zu säen. Wladislaw geriet unter Zeitdruck. Ihm waren
erst in vierter Ehe zwei männliche Thronfolger geboren worden. Er
wollte rechtzeitig Vorsorge für seine Söhne treffen und bemühte
sich bei den Adelsvertretern um eine förmliche Anerkennung ihrer
Thronrechte. Bei den anstehenden Verhandlungen stiess er in dem Kanzler
Polens und Bischof von Krakau, Zbigniew Olesnicki, auf einen geschickten
Gegenspieler. Der König sah sich schliesslich gezwungen, auf die
Bedingungen des Adels einzugehen. Im Privileg von Jedlno am 4. März
1430 gestand er dem polnischen Adel und der hohen Geistlichkeit das Recht
der freien Königswahl zu. Er dehnte die adligen Sonderrechte auf
alle Landesteile aus und gewährte dem Adelsstand erhöhten Schutz
und Rechtssicherheit. Die eher zufällig über eine dynastische
Union zusammengeführten Reichsteile wuchsen nur sehr langsam zu einem
einheitlichen Staatsgebilde zusammen. Zu unterschiedlich waren die verfassungsrechtlichen
Voraussetzungen, die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen
Strukturen, die kulturellen Traditionen und die kirchlich-konfessionellen
Zuordnungen. Auch in Polen waren in der Jagiellonenzeit noch erhebliche
regionale Unterschiede erhalten geblieben. Litauen aber hatte durch die
erfolgreiche Ostexpansion des 14. und 15. Jahrhunderts sein Gesicht völlig
gewandelt. Es war zu einem Land mit mehrheitlich ostslawisch-orthodoxer
Bevölkerung geworden. Als polnischer König leitete dann aber Kasimir
IV. Andreas energische Schritte zur Angleichung der beiden Reichshälften
ein. Er setzte auf das Eigeninteresse des litauischen Adels. Schon 1413
hatten Wladislaw II. und Vytautas der Aufnahme von 47 katholischen litauischen
Adelsgeschlechtern in die Wappengemeinschaften polnischer Familienverbände
zugestimmt. Die Diskriminierung der orthodoxen Bevölkerung bei der
Ämtervergabe wurde aber nur schrittweise aufgegeben. Privilegienzusagen
an den litauischen Adel leisteten einer schleichenden Polonisierung der
Führungsschichten in Litauen Vorschub. Kasimir IV. setzte in dieser
Frage einen Schlussstrich und sicherte noch vor seiner Königskrönung
am 2. Mai 1447 dem gesamten litauischen Adel und den Stadtbürgern
gleiche Rechte zu. Gleichzeitig unterstellte der König die bisher
umstrittenen Provinzen Podolien und Wolhynien litauischer Verwaltung.
Die volle Gleichberechtigung von Katholiken und Orthodoxen wurde in der
Praxis allerdings erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
erreicht. Unter seinen Söhnen, König Johann I. Albrecht
und Grossfürst Alexander, brachen erneut Gegensätze auf. Widerstreitende
aussenpolitische Interessen gefährdeten den Weiterbestand des polnisch-litauischen
Staatenbundes. Die Wahl Alexanders zum polnischen König stellte zwar
nach dem Tod Johann Albrechts 1501 die Personalunion wieder her, doch
geriet der König in eine weitgehende Abhängigkeit vom Senat
und den Magnaten. Einbrüche an der litauischen Ostgrenze konnte er
nicht mehr verhindern. Ein erneuter Waffengang mit Moskau (1501- 03) endete
mit weiteren Gebietsverlusten. Die jagiellonische Vormachtstellung geriet
ins Wanken. Die Moskowiter nahmen Verbindung zu den Habsburgern auf, und
Schweden, der Orden und die Moldau waren nicht abgeneigt, einem antijagiellonischen
Angriffsbündnis beizutreten. 1514 mussten die Litauer die strategisch
wichtige Festung Smolensk den moskowitischen Truppen überlassen.
Unter dem Eindruck einer drohenden Einkreisung suchte der 1506 neu gewählte
König Sigismund I., der jüngere Bruder Alexanders, den Ausgleich
mit den Habsburgern. 1515 erneuerte er in Pressburg und Wien das Einverständnis
zur jagiellonisch-habsburgischen Doppelhochzeit. Die Vereinbarung schloss
die gegenseitige Erbfolge ein. Nur elf Jahre später trat völlig
überraschend der Erbfall ein. Nach der Schlacht bei Mohács
(1526) erbten die Habsburger die jagiellonischen Thronrechte in Ungarn. LudwigI., der Grosse (1370 - 82), ein Neffe Kasimirs
aus dem Haus Anjou, konnte sich die Zustimmung des polnischen Adels zur
Nachfolge für sich und seine Tochter Jadwiga (Hedwig I) nur durch
Privilegien erkaufen. In den Unionen von Krewo und Krakau 1385/86 wurde
festgelegt, dass sich der bisher heidnische Grossfürst Jagiello von
Litauen taufen lassen und die Erbin Jadwiga zur Frau nehmen sollte. Als
König WladislawII. (1386 - 1434) vereinigte er das multinationale
und mehrkonfessionelle Doppelreich Polen-Litauen zunächst in Personalunion.
Dieser Übermacht unterlag der Deutsche Orden 1410 bei Tannenberg
und dann im 'Dreizehnjährigen Krieg' (1454 - 66). Im 2. Thorner Frieden
von 1466 musste er für das ihm verbliebene Ostpreussen die polnische
Lehnshoheit anerkennen, während Pommerellen mit dem Culmer Land und
Ermland ein besonderer Ständestaat unter der Herrschaft des polnischen
Königs wurde. 1561 kam auch Livland an Polen, Kurland wurde polnisches
Lehen. Durch die Lubliner Union von 1569 wurden Litauen und der westpreussische
Ständestaat ganz mit Polen verschmolzen. Es behaupteten die deutschen
Städte Thorn, Elbing und v.a. Danzig sowie das Bistum Ermland ihre
Selbstständigkeit. Der Protestantismus wurde durch die katholische
Gegenreformation zurückgedrängt. Die Königsgewalt war schon
seit dem 15.Jahrhundert durch die wachsende Macht des Adels, der 'Schlachta',
geschwächt worden, die ihren politischen Mittelpunkt im polnischen
Reichstag fand. Seitdem die Jagiellonen 1572 mit SigismundII. August
ausgestorben waren, wählte der polnische Adel ausländische Fürsten
zu Königen, so Stephan Báthory von Siebenbürgen (1575/76
- 86 als StephanIV. Báthory) und die aus dem schwedischen Haus
Wasa stammenden Monarchen SigismundIII. (1587 - 1632), WladislawIV. (1632
- 48) und JohannII. Kasimir (1648 - 68). Polen verlor 1629 Livland an
Schweden und musste 1657/60 zugunsten Brandenburgs auf die Lehnshoheit
über Ostpreussen verzichten. Nachdem gegenüber Russland bis
1619 einige Gebietsgewinne erzielt werden konnten, und 1610 - 12 sogar
die Übernahme des Zarenthrons möglich schien, brach in der Ukraine
ein grosser Aufstand der Kosaken aus, die sich 1654 unter die Herrschaft
der russischen Zaren stellten. Weitere Ostgebiete (Kiew) gingen im Frieden
von Andrussowo (1667) verloren. Im Kampf gegen die Türken errang
Polen unter JohannIII. Sobieski (1674 - 96) im Bündnis mit Österreich
militärische Erfolge (1683 Sieg in der Schlacht am Kahlenberg), es
gewann Podolien zurück. Warschau (seit 1596 Hauptstadt) wurde im
18.Jahrhundert ausgebaut. Die Wahl des sächsischen Kurfürsten
August des Starken zum König von Polen (1697 - 1706, 1709 - 33) verstrickte
das Land in den Nordischen Krieg, in dem Russland bereits als die ausschlaggebende
Macht in Polen auftrat. Sein Sohn AugustIII. (1733 - 63) konnte sich im
Polnischen Thronfolgekrieg nur dank der russischen Hilfe gegen Stanislaus
Leszczynski durchsetzen, und der letzte polnische König StanislausII.
August Poniatowski (1764 - 95) musste sich der russischen Kaiserin KatharinaII.
beugen. Schliesslich kam es zu den drei Teilungen Polens (1772, 1793 und
1795), wobei sich Russland (zu etwa 2/3), Preussen und Österreich
(zu je etwa 1/6) des Landes bemächtigten. Noch am 3.5. 1791 war eine
demokratische Verfassung (die erste geschriebene in Europa) verabschiedet
worden. Ein nationaler Aufstand 1794 unter der Führung T.Kosciuszkos
scheiterte an der russisch-preussischen Übermacht. Das 1807 durch NapoleonI. aus preussischen Teilungsgebieten
errichtete Herzogtum Warschau wurde im Ergebnis des Wiener Kongresses
(1814/15) um Posen und Krakau verkleinert und als Königreich Polen
(Kongress-Polen) in Personalunion mit Russland vereinigt. Krakau erhielt
den Status einer Freien Stadt (bis 1846), die Österreich zugesprochenen
Gebiete wurden 1849 als Kronland Galizien reorganisiert. Alle Versuche
zur Wiederherstellung des Nationalstaates (Novemberaufstand 1830/31, Aufstände
in Galizien 1846 und Posen 1848, Januaraufstand 1863) wurden blutig niedergeschlagen.
Kongress-Polen sah sich einer heftigen Russifizierungspolitik ausgesetzt.
Seitdem bewahrten die Polen hier und im österreichischen Galizien
für lange Zeit ihre nationale Identität durch Pflege ihrer Sprache
und Kultur. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs belebte die Hoffnung auf
Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit (zunächst Proklamation eines
polnischen Königreichs ohne Territorialabgrenzung durch die Mittelmächte
am 5.11. 1916). Am 8.1. 1918 forderte der amerikanische Präsident
W.Wilson die Bildung eines unabhängigen polnischen Staates mit einem
Zugang zur See. Am 7.10. 1918 rief der Regentschaftsrat die Unabhängigkeit
Polens aus. Staatschef der Republik Polen war 1918 - 22 J.Pilsudski. Durch den Versailler Vertrag erhielt Polen den grössten
Teil der Provinz Westpreussen ('Polnischer Korridor') und fast die ganze
Provinz Posen. Danzig wurde Freie Stadt. Oberschlesien, wo trotz mehrerer
polnischer Aufstände die Abstimmung vom 20.3. 1921 eine deutsche
Mehrheit ergab, wurde geteilt. Von Österreich erhielt Polen Galizien.
Das Teschener Gebiet musste 1920 entlang der Olsa mit der Tschechoslowakei
geteilt werden. Ein polnischer Vorstoss auf Kiew (April/Mai 1920) löste
den Polnisch-Sowjetischen Krieg (1920/21) aus, die Gegenoffensive Sowjetrusslands
scheiterte schliesslich am polnischen Sieg in der Schlacht bei Warschau
(16.8. 1920, 'Wunder an der Weichsel'). Im Frieden von Riga (18.3. 1921)
wurde eine Grenze gezogen, die mehr als 200 km östlich der Curzon-Linie
verlief. 1920 hatte Polen zudem das Wilnagebiet annektiert. Die innere
Konsolidierung (formal beendet mit Annahme der Verfassung vom 17.3. 1921)
wurde erschwert durch die politische Zersplitterung der Parteien, die
wirtschaftliche Rückständigkeit, die in der Teilungszeit entstandenen
unterschiedlichen Wirtschafts-, Bildungs-, Justiz- und Verwaltungssysteme
sowie durch die Existenz starker nationaler Minderheiten (31% der Gesamtbevölkerung).
Aussenpolitisch war Polen in das französische Allianzsystem einbezogen
(Bündnis vom 19.2. 1921). Die restriktive Politik gegenüber
der deutschen Minderheit, die deutsche Weigerung, die neue deutsche Ostgrenze
anzuerkennen, ein 'Zollkrieg' um die oberschlesische Kohle, andererseits
der politisch-ideologische Gegensatz zum Sowjetsystem schlossen eine Kooperation
Polens mit seinen beiden grössten Nachbarn aus. Am 12.5. 1926 übernahm
Marschall Pilsudski in einem Staatsstreich die Macht (1926 - 28 und 1930
Ministerpräsident, 1926-35 Kriegsminister), errichtete unter formaler
Beibehaltung von Verfassung und Parlament ein autoritäres System
und setzte 1935 eine autoritäre Präsidialverfassung durch. Zur
aussenpolitischen Absicherung wurden Nichtangriffsverträge mit der
Sowjetunion (1932) und Deutschland (1934) abgeschlossen. Aussenminister
J.Beck strebte den Aufstieg Polens zur ostmitteleuropäischen Führungsmacht
im Rahmen eines 'Dritten Europa' von der Ostsee bis zur Adria an. Das polnische Heer konnte sich nicht gegen die deutsche
Wehrmacht und die seit dem 17.9. 1939 einrückende Rote Armee behaupten.
Ein deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag (28.9. 1939)
teilte Polen entlang der Flüsse Narew, Bug und San in ein deutsches
und ein sowjetisches Gebiet auf. Die v.a. von Ukrainern und Weissrussen
bewohnten östlichen Gebiete (200280 qkm mit 13,5 Mio. Einwohnern,
darunter 3,5 Mio. Polen) wurden der Ukrainischen SSR und der Weissrussischen
SSR eingegliedert (1940/41 Zwangsdeportation von weit über 1Mio.
Polen nach Zentralasien und Sibirien). Westpolen (90000 qkm mit 10 Mio.
Einwohnern) wurde am 8.10. 1939 dem Deutschen Reich angeschlossen, der
Rest am 26.10. 1939 als Deutsches Generalgouvernement Polen (98000 qkm
mit über 10 Mio. Einwohnern) organisiert, dem 1941 Galizien angegliedert
wurde. Der nationalsozialistische Terror nahm mit Zwangsverpflichtungen
nach Deutschland, Deportationen und der Ausrottung anfangs der jüdischen,
später auch anderer polnischer Bevölkerungsteile in den Konzentrations-
und Vernichtungslagern immer grössere Ausmasse an. 1939 - 45 kamen
6,03 Mio. Polen, unter ihnen rund 3Mio. Juden, ums Leben. Aus Vertretern der 'Provisorischen Regierung' und
Exilpolitikern wurde am 28.6. 1945 eine 'Regierung der Nationalen Einheit'
gebildet, in der Kommunisten Schlüsselpositionen innehatten. Die
Sowjetunion sicherte sich einen starken Einfluss auf Polen u.a. durch
den Abschluss eines Freundschafts- und Beistandsvertrags (21.4. 1945).
Mit Ausnahme der oppositionellen Polnischen Bauernpartei (PSL) wurden
alle Parteien in einem 'Demokratischen Block' zusammengefasst, der von
der kommunistischen Polnischen Arbeiterpartei (PPR) unter Generalsekretär
W.Gomulka beherrscht war und die Wahl zum Parlament (19.1. 1947) für
sich entschied. Mit der Annahme der 'Kleinen Verfassung' (19.2. 1947)
begann die offene Kursnahme auf die Errichtung einer Volksdemokratie.
B.Bierut (Kommunist) wurde Staatspräsident (1947 - 52) und J.Cyrankiewicz
(Sozialist) Ministerpräsident (1947 - 52, 1954 - 70). Nach dem Ausschluss
Jugoslawiens aus dem 'sozialistischen Lager' (1948) wurden die polnischen
Nationalkommunisten als 'Rechtsabweichler' aus führenden Positionen
entfernt und verhaftet (u.a. Gomulka). 1948 fusionierten nach Säuberungen
PPR und Sozialistische Partei (PPS) zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei
(PZPR), deren Führung Bierut übernahm. Nach einer Bodenreform
und der Verstaatlichung der Industrie, der Banken und des Verkehrswesens
in den ersten Nachkriegsjahren vollzog sich 1947 der Übergang zur
zentralen Planwirtschaft. 1949 wurden in Landwirtschaft und Kleingewerbe
Zwangskollektivierungen und Enteignungsmassnahmen eingeleitet. Damit ging
eine verschärfte Reglementierung, bald eine offene Verfolgung der
katholischen Kirche einher. Die nach 1949 forcierte Industrialisierung
brachte unter grossem Konsumverzicht der Bevölkerung eine völlige
Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur. Im Görlitzer Vertrag (6.7.
1950) erkannte die DDR die Oder-Neisse-Linie an. Mit der volksdemokratischen Verfassung vom 22.7.
1952 nahm das Land offiziell die Staatsbezeichnung 'Volksrepublik Polen'
an. Als Mitglied des RGW (seit 1949) und des Warschauer Pakts (seit 1955)
fügte sich Polen in den Ostblock ein. Unter dem Eindruck der Entstalinisierung
in der Sowjetunion kam es im Juni 1956 zum Posener Aufstand; im Oktober
1956 wurde Gomulka an die Spitze der PZPR zurückberufen. Bei fester
Einbettung in das 'sozialistische Lager' änderte er den politischen
Kurs: Wiedereinführung der bäuerlichen Privatwirtschaften, Fortsetzung
der Industrialisierung unter Verstärkung des Konsumgütersektors,
Begrenzung der sowjetischen Stationierungstruppen und Entlassung der Berater
(u.a. des als Verteidigungsminister amtierenden sowjetische Marschalls
K.K. Rokossowski), Normalisierung der Beziehungen zur katholischen Kirche.
Die polnische Beteiligung an der militärischen Intervention in der
CSSR im August 1968 sicherte Gomulka die Unterstützung der sowjetischen
Regierung bei der Zurückdrängung seiner Gegner im Innern (v.a.
die nationalkommunistische Opposition um Innenminister M.Moczar) und beim
Abschluss des Deutsch-Polnischen Vertrages (7.12. 1970). Im Rahmen der im Dezember 1989 verabschiedeten Verfassungsänderungen
wurde die Staatsbezeichnung 'Republik Polen' wieder eingeführt. 1990
löste sich die PZPR auf, ein Teil ihrer Mitglieder gründete
die 'Sozialdemokratie der Republik Polen' (SdRP). Im Dezember 1990 wurde
Walesa zum Staatspräsidenten gewählt (Rücktritt als Vorsitzender
der Gewerkschaft 'Solidarnosc'). Ministerpräsident J.K. Bielecki
(Januar - Dezember 1991) setzte den marktwirtschaftlich orientierten Reformkurs
fort. Mit den wachsenden wirtschaftlich-sozialen Problemen bei der Umsetzung
der Regierungspolitik büsste auch die 'Solidarnosc'-Bewegung, die
seit ihrer Einbindung in die Regierungsverantwortung politisch zersplitterte,
an Einfluss ein. Die Parlamentswahlen im Oktober 1991 erbrachten keine
klare Mehrheit; Ministerpräsident einer Mehrparteienkoalition wurde
J.Olszewski, der das Tempo der marktwirtschaftlichen Reformen zu drosseln
suchte. |