Pässe und Tunnelverbindungen

Route des Grandes Alpes -- Savoyen - Dauphiné / Tour '00

Col du Télégraphe, 1566m / Col du Galibier, 2646m / Col du Lautaret, 2058m


Über die Königin der Alpenstrassen zur Königin der Dauphiné, so muss die Überschrift über das nun Folgende lauten: Wir lernen den zweithöchsten Pass auf der Route des Grandes Alpes kennen, den Galibier. Es handelt sich um einen der schönsten und höchsten Alpenübergänge Frankreichs und er steht in der Reihe der attraktiven Pässe ganz oben. Seine im oberen Teil neu angelegte Trasse führt aus der Maurienne, aus dem Arctal in Savoyen hinüber in die Haute Dauphiné zum südlichsten Viertausender der Alpen. Die jeweiligen Endpunkte der Überfahrt sind St. Michel-de-Maurienne im Arctal und Briançon, das sich die höchstgelegne Stadt Europas nennt oder Le-Bourg-d'Oisans am westlichen Fusspunkt des Lautaret. Da der Galibier sowohl von Norden als auch von Süden nur über zwei weitere Pässe zu erreichen ist, werden wir diese hier ebenfalls besprechen: Begeht man den Übergang von Norden, muss zuerst der Col du Télégraphe überfahren werden, kommt man von Süden, steht erst einmal der Aufstieg zum Col du Lautaret an, bevor man auf den Galibier kommt.
Technisch unterscheiden sich die Pässe erheblich: Während die Strassen des Télégraphe und des Lautaret gut und breit ausgebaut sind und keine engen Passagen aufweisen, bietet der Galibier vor allem im oberen Teil enge Serpentinen und teilweise Verschmälerungen, die ein gewisses Mass an alpiner Erfahrung voraussetzen. Der Pass ist nichts für absolute Anfänger, die mit dem Télégraphe und dem Lautaret aber keine Probleme haben werden.
Die Distanzen betragen von St. Michel nach Briançon ca. 70 bzw. nach Le-Bourg-d'Oisans etwa 80 Kilometer.
Der Télégraphe und der Lautaret werden ganzjährig offen gehalten, am Lautaret gibt es ein Nachtfahrverbot über die Wintermonate, für den Galibier besteht von Mitte Oktober bis Mitte Juni Wintersperre.
Max. Steigungen sind 10% am Télégraphe, 14% am Galibier und 8% am Lautaret.

Col du Télégraphe

Auf einer gut ausgebauten und breiten Strasse verlassen wir St. Michel-de-Maurienne (712m) in südlicher Richtung. Das Schild Route des Grandes Alpes und Col du Télégraphe weist uns den Weg. Dieser verläuft anfangs kehrenreich in das Tal der Valloirette hinein, die in einem beeindruckenden schluchtigen Durchbruch der Arc zufliesst. Der Weg führt durch dichten und duftenden Bergwald. Nach einigen Kilometern sehen wir auf einer Bergnase ein mächtiges Sperrfort, das Fort du Télégraphe, das hoch über dem Arctal thront und bis heute militärisches Sperrgebiet ist. Nach insgesamt 14 Kehren haben wir die Passhöhe auf 1566m erreicht. Sie ist unspektakulär, ein Holzschild markiert den Passübergang. Man sollte einen kleinen Spaziergang nach Norden (ca. 100m) unternehmen, um die grossartige Aussicht auf das Massif de la Vanoise mit seinen schneebedeckten Dreitausendern, auf die Pointe du Bouchet und die Aiguille de Péclet, zu geniessen. Besonders beeindruckend ist der Tiefblick ins schluchtartige Arctal und den Durchbruch des Flüsschens Valloirette. Ansonsten gibt es noch ein kleines und gemütliches Restaurant, das mit bodenständiger Kost zu einer Pause einlädt.
200 Höhenmeter hinab geht es auf der gut ausgebauten Strasse nun nach Valloire (1430m), dem bekannten Tourismusort. Sommers wie winters ist hier allerhand los, vielerlei alpine Sportmöglichkeiten werden geboten, wer Lust hat, kann sich mit einer Sesselahn auf La Séta des Près (2548m) transportieren lassen und den grandiosen Rundblick bestaunen, der sich von dort oben ergibt. Hinter Valloire beginnt jetzt der Aufstieg zum

Col du Galibier

Die Strasse schlängelt sich durch eine zunehmend wilder und hochalpin werdende Umgebung unterhalb der Ostwände der Aiguilles d'Arves und der Crête d'Argentiere dahin. Zweispurig weiterhin, aber schon schmaler als auf dem Télégraphe und in der unteren Hälfte der Passanfahrt zum Galibier deutlich steiler (14%). Um uns schimmern schwarz-rot und purpurn Fels- und Geröllformationen, die mit der ansteigenden Strasse wilder und abenteuerlicher werden. Die Bergregion hat alle einladenden Eigenschaften verloren, schroff und abweisend ragen die Felsen in der zwischenzeitlich baumlosen und kargen Landschaft um uns her auf. Wenige Weiden und das wild in seinem Bett rauschende Flüsschen Valloirette sind die einzigen Zeugen des Lebens in dieser lebensfeindlichen Umgebung. Wir passieren den Abzweig nach Bonnenuit und erreichen das Refuge de Plan Lachat nach einer nur noch knapp zweispurigen Etappe auf 1961m. Hier besteht die Möglichkeit, über ein kleines Militärsträsschen auf den Col des Rochilles abzubiegen, der ein zusätzliches Highlight auf unserer Route ist. Man folgt dem zweispurigen und geschotterten Strässchen. Im oberen Abschnitt des ca. 6 Kilometer langen Ausflugs sollte man allerdings nur mit einer Enduro weiterfahren, da Streckenschäden und Bergrutsche für den Normalbiker schwer überwindbare Hindernisse gebildet haben. Oben, auf 2493m angelangt, erreicht man zu Fuss zwei malerische kleine Seen, hat einen grandiosen Rundblick und kann weitere Pässe wie den Col de la Plagnette oder den Col des Cerces besteigen.
In Plan Lachat scheint die Welt zu Ende zu sein: Drohend schiebt sich der Grand Galibier (3229m) mit seinen, einer Mondlandschaft gleichenden, Flanken in den Weg und zwingt die Strasse des Galibier Serpentine um Serpentine den Hang hinauf. Der unterhalb der heutigen Passhöhe liegende Tunnel wird Dank einer neuen Trassenführung umfahren - am Südportal des Tunnels steht ein Denkmal für H. Desgrange, dem Erfinder der Tour de France - und unvermittelt stehen wir nach den letzten Kurven auf der Passhöhe, auf 2645m. Ebenso unvermittelt weicht die Enge der Trasse auf der Ostschulter des Grand Galibier plötzlich einer erhabenen Weite, von einem Meter zum nächsten wird wie von Geisterhand der Vorhang weggezogen und wir stehen auf der Grenze zwischen Savoyen und der Dauphiné an einem der schönsten und eindrücklichsten Aussichtspunkte der Alpen.
Im Süden schimmern die Gletschergipfel ihrer 'Majestät' der Meije (3983m) und der Barre des Ecrins (4102m), dem südlichsten Viertausender der Alpen, Berge der Dauphiné und dem Massif du Pelvoux zugehörig. Die exponierte Lage der Meije macht diesen Berg so einzigartig, dessen drohende Flanken schon die Römer, die über den Montgenèvre und den Lautaret gezogen waren, auf der gesamten Traversalen beeindruckt hat. Man kann viel Zeit damit verbringen, die vielen Zacken und Grate, die Firn- und Gletscherfelder des Pelvoux zu betrachten, ohne dass es langweilig würde. Zur besseren Orientierung steht abseits der Strasse auf 2704m eine Orientierungstafel, die uns den Rundblick erklärt.
Ein weiteres Phänomen, das mit etwas Glück (oder Pech) beobachtet werden kann, ist der sogenannte Vorhangeffekt, der den Galibier als Wetterscheide anzeigt. Es kann durchaus vorkommen, dass man im trüben Wetter den Pass hinauffährt und oben plötzlich einen Umschlag hin zu bestem Sommerwetter erlebt (oder eben umgekehrt).
Der Blick ins Val de la Guisane verspricht südliche Leichtigkeit, satte Weiden säumen die Strasse. Nur 9 Kehren sind es hinab zum Ende des Galibier, das am Scheitelpunkt des Col du Lautaret auf 2058m liegt. Im Winkel der beiden Passstrassen liegt ein Kleinod der alpinen Biologie: Das weltbekannte Alpinum der Universität Grenoble (Jardin Alpin) beherbergt mehr als 3000 Pflanzenarten und umfasst das gesamte Spektrum der Bergflora. Die beste Zeit für eine Besichtigung ist Juni-Juli.
Nun stellt sich die Frage der Weiterfahrt: Entweder wir wollen weiter auf der Route des Grandes Alpes Richtung Süden bleiben, dann folgen wir der Beschilderung Briançon nach links oder uns steht der Sinn nach der Route Napoléon, dann müssen wir rechts abbiegen auf den

Col du Lautaret

Dieser Pass ist ein uralte Verbindung der norditalienischen Provinzen mit dem Rhônetal, er wurde schon vor Römerzeiten als Handels- und Militärstrasse v.a. zum Warenaustausch der Poregion mit Gallien, dem heutigen Frankreich begangen. Altaretum hiess der Übergang bei den Römern, was auf einen wichtigen, ja heiligen Hintergrund des heutigen Namens schliessen lässt, z.B. auf ein Heiligtum an der Scheitelhöhe. Die Strasse ist bis heute eine bedeutende Verkehrsader geblieben und entsprechend gut ausgebaut (N91). Dank an den Fréjus-Tunnel und die Autobahn in der Maurienne hält sich der Lkw-Verkehr in Grenzen, aber im Gegensatz zu den oben beschrieben Pässen herrscht recht lebhaftes Treiben. Mit max. 10% Steigung und vorwiegend langgezogenen Kurven stellt der Pass keine fahrerischen Ansprüche, an der Ostrampe hat er gerade mal eine Kehre und er verläuft teilweise in schützenden Galerien, einige unbeleuchtete Tunnels fordern besondere Aufmerksamkeit. Seine Lage macht den Lautaret dennoch zu etwas Besonderem. Zudem gibt es einige Highlights in seiner direkten Umgebung, die eine Überfahrt noch attraktiver gestalten. Der Pass führt vom Nordwesten in den Südosten und verbindet die Orte le-Bourg-d'Oisans auf 717m und Briançon (1321m) miteinander. Briançon rühmt sich, die höchste Stadt Europas zu sein, ein Besuch dieses mit südlichem Flair angehauchten Juwels ist ein unbedingtes Muss.
Wir beginnen unsere Passauffahrt im Nordwesten, wo der Lautaret die Verbindung zwischen der Route Napoléon und der ungleich attraktiveren Route des Grandes Alpes im Osten herstellt. Vom Städtchen le-Bourg-d'Oisans im Tal der Romanche folgen wir der breiten Strasse nach Osten. Hinter le-Bourg geht links eine Abzweigung nach der Alpe d'Huez, jenem durch die Tour de France berühmten Touristenort.

Bereits oberhalb le Clapier auf 743m kommen wir in die Schluchten des Oisans, in eine wilde und schroffe Felslandschaft. Nach rechts zweigt ins Tal der Vénéon ein attraktives Strässchen ab, das ins Massif des Ecrins an den Fuss der Barre des Ecrins bis la Bérarde führt. Wer etwas Zeit mitbringt, sollte sich diesen kleinen Ausflug nicht entgehen lassen.
Wir durchfahren auf der N91 nun die Höllenschlucht (Gorge de l'Infernet) und nach einer der wenigen Kehren der Ostrampe passieren wir den Stausee von Chambon, der seinerzeit drei Dörfer in den Fluten der Romanche versinken liess. Die Strasse hat streckenweise Überbreite und nur in den Ortsdurchfahrten ist sie gering verschmälert. Wenige Kilometer, dann erwartet uns die Combe de Malaval, von ihren steilen Felswänden gischten Wasserfälle tosend herab. Auf 1526m erreichen wir den Ort La Grave. Hier sollte man unbedingt einen Abstecher zu den Terrassen - Oratoires du Chazelet - nördlich oberhalb der Ortschaft machen. Satte Wiesen, erhaltenen Bauerndörfer und eine unbeschreibliche Aussicht auf das Pelvoux-Massiv belohnen denjenigen, der die 5 Kilometer auf sich genommen hat. Die schwarzen Schiefergesteine bilden einen einzigartigen Kontrast zu den Gletscherzungen, die das Massiv durchziehen, vor allem beeindruckt der Dreiergipfel der Meije.
Die N91 verläuft nun noch in einem längeren Tunnel, nimmt eine letzte Kurve und schon erreichen wir die Passhöhe des Lautaret. Sie ist unspektakulär, im Süden ist der Blick auf die Pelvoux-Gruppe nicht so beeindruckend wie vom Galibier oder den Terrassen von Chazelet herab, von links mündet hier die Galibier-Passstrasse und links liegt auch der Alpengarten. Wir stehen am Eingang zum Vallée de la Guisane.
Die Abfahrt ist schnell erzählt: Anfangs in einer Galerie, dann als langgezogene Hangtraverse verlaufend, verlieren wir an Höhe. Rechts der Strasse steht das mächtige Massiv der Meije, das von den firnbedeckten Flanken der Pic de Neige Cordier (3613m) und Pic des Agneaux (3663m) abgelöst wird. Die Strasse senkt sich sanft ins weiter werdende Tal hinab, man kann hier schon mal richtig am Gashahn drehen, teilweise stehen drei Spuren zur Verfügung.
Die Region ist touristisch sehr gut erschlossen, man kann Wildwasser-Rafting unternehmen, Mountain-Bike Trails fahren und alle möglichen Formen des alpinen Sports veranstalten. Dafür sind Orte wie Le Monêtier-les-Bains, Villeneuve -la-Salle oder Chantemerle, die wir in dieser Reihenfolge durchfahren, gut ausgerüstet. In Chantemerle kann man auf den 2483m hohen Serre-Chevalier mittels einer Seilbahn gelangen, auch hier wird man mit einem herrlichen Rundblick über das Pelvoux und das Briançonnais belohnt.
Nun erreichen wir den Talkessel von Briançon, gleich fünf Täler treffen hier aufeinander und kennzeichnen die strategische Bedeutung des Ortes in der Vergangenheit. Schon von weitem kann man das hoch über der Stadt gebaute Fort, die Zitadelle, erkennen. Das mächtige Bauwerk wurde vom Festungsbaumeister Ludwig des XIV., Vauban, in seinem heutigen Zustand erbaut, gleichzeitig erneuerte der wackere Baumeister auch die Burgkirche Notre-Dame, was ihr ein entsprechend martialisches Aussehen verlieh. Nun ja, er war halt Festungsbaumeister und kein Kirchenarchitekt.
In der Altstadt von Briançon erwarten uns zahlreiche Cafés in den ebenso zahlreichen Gässchen und Plätzen, die teilweise steil den Berg hinaufziehen und im Sommer mit regem Leben erfüllt sind. Nette kleine Lädchen verkaufen Spezialitäten der Region und der angrenzenden Provençe. Man sollte sich Zeit nehmen und die Stadt geniessen, bevor der Weg entweder zum Col d'Izoard hinauf auf der Grandes Alpes gen Süden führt, oder aber eine der anderen zahlreichen Reisemöglichkeiten aus Briançon hinaus genutzt wird.
Nicht verwunderlich ist die Tatsache, dass sich neben allen alpinen Betätigungsmöglichkeiten gerade für Biker in dieser Region eine grosse Anzahl an lohnenden Strecken findet, v.a. kleine Strässchen abseits der grossen Routen in dieser grossartigen Landschaft Frankreichs seien jedem ans Herz gelegt.

Da die Pässe zu den jährlichen Höhepunkten der Tour de France gehören, finden sich jede Menge Nachahmer auf den Strassen ein, die es ihren Idolen gleichtun und mit zum Teil atemberaubender Geschwindigkeit die Kurven herunterrasen. Mit einer gefährlichen Begegnung sollte man daher immer rechnen.

Ausbauzustand
Kurven
Télégraphe: Breite Strasse, griffiger Belag
Galibier: Teilweise verschmälert (Bonnenuit-Plan Lachat)
Lautaret: Breite Strasse, Ortsdurchfahrten teilweise verschmälert
Télégraphe: 14 Kehren, max. 10% Steigung
Galibier: 18 Kehren, max. 14% Steigung
Lautaret: 6 Kehren, max. 10% Steigung

Lohnenswerte Abstecher und Besichtigungen:

Savoyen
Dauphiné

St. Jean-de-Marienne:

  • Alter Bischofsitz, Kathedrale St. Jean Baptiste mit
    Fresken und reichem Mobiliar bis ins 11. Jh. zurückdatierend.
Valloire: Fahrt mit der Sesselbahn
Fahrt auf den Col des Rochilles
Alpe d'Huez
Fahrt ins Vénéon-Tal nach la Bérarde

Briançon:

  • Zitadelle
  • Kirche Notre Dame
  • Templerhaus
  • Maison Jean Prat
  • Porte Pignerol

La Grave:

  • Dorfkirche aus dem 12. Jh.
  • Terrassen von Chazelet
Chantemerle: Fahrt mit der Sesselbahn auf den Serre Chevalier
Château-Queyras, Parc National de Queyras

Lohnenswerter Rundkurs:

Télégraphe - Galibier - Lautaret - Mizoen - Col de Sarenne - Alpe d'Huez - le-Bourg-d'Oisans - Col du Glandon - Col de la Croix de Fer - St. Jean de Maurienne

Weiterführende Routen:

Südseite - Briançon
Fernziel
via
howto
Torino / Milano / Genova
Montgenèvre
Sestriere - Torino
Route des Grandes Alpes
Col d'Izoardno
Guillestre - Barçelonnette
Südseite - le-Bourg-d'Oisans
Grenoble / Provençe / Marseille / Lyon / Paris
zur Route Napoleon
Lautaret - Grenoble
Nordseite - Maurienne
Fernziel
via
howto
Chamonix / Aosta / Schweiz
Route des Grandes Alpes
Modane - Col de l'Iséran - Seez

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