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Ein kurzer Überblick über die polnische Geschichte:

Polen unter den Piasten, Katholische Bastion im Osten (960 bis 1386):

Ihren Namen leiten die Polen vom westslawischen Stamm der Polanen (eigentlich 'Feldbewohner') her. Die Siedlungsschwerpunkte der Polanen lagen im 9. und 10. Jahrhundert an der mittleren Warthe um Posen und Gnesen. Das Stammesgebiet der Polanen umfasste die Kernzone des grosspolnischen Territoriums. Unter dem Herrschergeschlecht der Piasten, die aus Böhmen und Schlesien stammten, entwickelte es sich zur territorialen Basis eines Staatsgebildes, das noch im 10. Jahrhundert bis zur Odermündung und nach Pommern reichte, in nordöstlicher Richtung kujawische und masowische Gebiete einbezog und sich im Süden in Konkurrenz zum böhmischen Nachbarn über Schlesien und das Stammesgebiet der Wislanen (Kleinpolen um Krakau) ausdehnte.

Entstehung des polnischen Staates:

Über Herkunft und Vorgeschichte der einzelnen altpolnischen Stämme, die der erste historisch fassbare Piastenfürst Mieszko (um 960-992) unter seiner Herrschaft vereinigte, sind wir nur sehr lückenhaft unterrichtet. Die wenigen Anhaltspunkte reichen nicht aus, um die Fragen nach der Urheimat der Slawen und der zeitlichen Abfolge ihrer Wanderungsbewegungen zu beantworten.
Mieszko zog bei der Ausweitung seines Herrschaftsgebietes Vorteile aus der günstigen geographischen Lage. Im südlichen Einzugsbereich alter Handelsniederlassungen an der Ostseeküste profitierte er vom lukrativen Küstenhandel wikingischer Kaufleute und im Binnenland kontrollierte er die Handelsrouten, die über Magdeburg und den bayerisch-böhmischen Raum das westliche Europa mit dem Kiewer Russland und den vorderasiatischen Handelsplätzen verbanden. Er verstand es, sich durch die rechtzeitige Bekehrung zum Christentum 966 dem drohenden Zugriff des Heiligen Römischen Reiches zu entziehen, dessen Kaiser er vorübergehend als Oberherrn anzuerkennen hatte und dem er seit 972 für das Land bis zur Warthe Tribut entrichtete.
Kurz vor seinem Tode übereignete er in einem klugen Schachzug das neu bekehrte Land dem Heiligen Stuhl. Die Gunst des Papstes ermöglichte seinem Nachfolger Boleslaw I., dem Tapferen (polnisch Chrobry), den Aufbau einer eigenständigen polnischen Kirchenorganisation. 968 war zunächst ein Missionsbistum in Posen eingerichtet worden. Im März 1000 machte Kaiser Otto III. im Einvernehmen mit Papst Silvester II. den Weg frei für eine eigene Kirchenprovinz um das Erzbistum Gnesen. Die Entscheidung fiel während der Pilgerreise des Kaisers nach Gnesen zum Grab des Prager Bischofs Adalbert, der 997 im Prussenland den Märtyrertod erlitten hatte und in der Residenz des Polenherrschers begraben worden war. Im Akt von Gnesen erkannte Otto III. gleichzeitig seinem 'Bruder und Helfer des Reiches' Boleslaw einen Ehrenrang zu.

Polen und das Reich:

Die polnischen Piasten teilten mit dem Kaiser den Kult um Adalbert und die Sorge um die Verbreitung des christlichen Glaubens. Zumal nach dem grossen Slawenaufstand des Jahres 983 hatten sie sich mehrfach gemeinsamen Unternehmungen gegen die heidnischen Ostsee- und Elbslawen angeschlossen. Streitigkeiten um die Abgrenzung der beiderseitigen Machtbereiche blieben nicht aus. Sie führten nach dem frühzeitigen Tode Ottos III. zu mehrjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Heinrich II. um den Besitz Böhmens, der Mark Meissen und der Lausitz (1002-18). Letztere verblieb zusammen mit dem Milzener Land (Oberlausitz) im Frieden von Bautzen vom 30. Januar 1018 bei Boleslaw. Im gleichen Jahr mischte sich der polnische Herrscher in die innerrussischen Thronwirren ein, die nach dem Tode Wladimirs des Heiligen unter den Söhnen ausgebrochen waren. Mit seinem Truppenaufmarsch vor Kiew erzwang Boleslaw die Rückkehr seines Schwiegersohnes Swjatopolk auf den grossfürstlichen Thron. Auf dem Höhepunkt seiner Macht löste sich Boleslaw aus der Lehensabhängigkeit vom Reich und liess sich 1025 die Königskrone aufsetzen. Unter seinem Sohn Mieszko II. war der ausgedehnte territoriale Besitzstand nicht mehr zu halten. Ein Präventivschlag der Polen gegen Meissen und Zeitz 1028 löste eine Gegenaktion unter den begehrlichen Nachbarn aus, die Mieszko 1031 unter anderem die Lausitz kostete und ihn ausser Landes nach Böhmen trieb. Seine Gegner verhalfen dem älteren Bruder Bezprym zur Macht. Nur dessen vorzeitiger Tod ermöglichte Mieszko II. 1032 die Rückkehr. Auf dem Hoftag in Merseburg 1033 musste er allerdings vor Kaiser Konrad II. der Königswürde entsagen und einer Machtteilung mit seinen Anverwandten zustimmen.

Mieszkos II. Tod (1034) stürzte das Land in eine lang andauernde Krise. Eine heidnische Reaktion erschütterte die noch nicht gefestigte Stellung der Kirche, und die Eigeninteressen adliger Gefolgsleute schwächten die Autorität der Königsmacht. Der Mundschenk Maslaw schuf sich in Masowien einen eigenen Herrschaftsbereich. Pommern beanspruchte Knut II. von Dänemark für sich. Herzog Kasimir I. flüchtete 1037 vor dem Zorn des aufgehetzten Volkes nach Ungarn. Nur dank der massiven militärischen Unterstützung Heinrichs III. und seines Schwagers Jaroslaw von Kiew gewann er den Thron zurück. Als Gegenleistung hatte er dem Kaiser den Lehenseid zu leisten und im Streit mit dem Böhmenherzog Bretislaw den Schiedsspruch Heinrichs III. zu akzeptieren. Bretislaw hatte Schlesien an sich gerissen und die Gebeine des heiligen Adalbert aus Gnesen nach Prag entführt.
Kasimir bemühte sich nicht ohne Erfolg um eine Stärkung der Zentralgewalt. 1047 half ihm Jaroslaw von Kiew bei der Niederwerfung Maslaws in Masowien. 1050 holte er sich Schlesien zurück und erhielt 1054 gegen Tributzahlungen an Böhmen die kaiserliche Bestätigung für diesen Gewaltakt. Kasimir trägt den Ehrentitel 'der Erneuerer'. Er gebot dem drohenden Zerfall des Reiches und der Königsherrschaft Einhalt, ohne allerdings an die frühere Machtstellung anknüpfen und die territorialen Einbussen an den westlichen und östlichen Grenzen ausgleichen zu können.
Seinem Sohn Boleslaw II., dem Kühnen, kamen in der Aussenpolitik die Schwäche des deutschen Reiches und die bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen zu den russischen und ungarischen Nachbarn zugute. Deren andauernde Thronwirren boten ihm günstige Einwirkungsmöglichkeiten zugunsten der polnischen Sache. Während des Investiturstreites ermöglichte ihm der Wechsel auf die päpstliche Seite 1076 die Aufkündigung der Lehensabhängigkeit vom Reich und die Erneuerung des Königtums. Nur wenige Jahre später verscherzte er sich aber mit seinem unbeherrschten Vorgehen gegen den Krakauer Bischof Stanislaw, den er auf grausame Weise umbringen liess, alle Sympathien im Lande; er musste vor einem Aufstand nach Ungarn fliehen.
Sein Bruder Wladislaw I. Herman hatte es als Nachfolger im Herrscheramt seit 1079/81 nicht leicht, sich gegenüber den nach einer Machtbeteiligung drängenden Adelsgruppierungen und insbesondere den Machenschaften des selbstherrlichen Palatins Sieciech zu behaupten. Die zentrifugalen Kräfte fanden Rückhalt an den Repräsentanten innerdynastischer Konfliktparteien. Polen löste sich in getrennte Herrschaftsräume auf, die Boleslaw III. Schiefmaul (Krzywousty) nur mit Brachialgewalt wieder unter einem Zepter zusammenführen konnte. Dabei nahm er den Konflikt mit dem Kaiser und den ungarischen und böhmischen Nachbarn in Kauf. 1114 erreichte er die Einstellung der Tributzahlungen, die für Schlesien an Böhmen zu entrichten waren, musste aber 1135 auf dem Reichstag zu Merseburg die Lehenshoheit des Kaisers für Westpommern anerkennen. Der erbitterte Widerstand des pomoranischen Adels war zuvor in einem kräftezehrenden Kleinkrieg 1102 bis 1122 niedergerungen worden. Für das schwierige Missionswerk unter den Heiden gewann er Bischof Otto von Bamberg, der 1124/25 und 1128 auf zwei Missionsreisen als 'Apostel der Pommern' wirkte.

Vor seinem Tode noch (1138) suchte Boleslaw III. weiteren Erbstreitigkeiten und Bruderkämpfen durch testamentarische Verfügung vorzubeugen. Er entschied sich nach russischem Vorbild für eine Thronfolgeregelung nach dem Senioratsprinzip. Diese wies dem ältesten Sohn, Wladislaw II., als Grossfürsten die politische Führungsrolle im Gesamtstaat zu und überliess ihm auch die Verfügung über die neue Hauptstadt Krakau und wohl auch über die alte Krönungsstadt Gnesen. Allen übrigen Söhnen aber wurde der jüngste, Kasimir, ausgenommen ebenfalls ein grösserer eigener Territorialbesitz zugestanden, der sich weitgehend mit den alten Stammesgebieten Schlesien, Masowien und Kujawien, Grosspolen und dem östlichen und westlichen Kleinpolen deckte.
Diese wohl gemeinte Begünstigung der nachgeborenen Söhne hatte wie im Kiewer Reich fatale politische Folgen. Sie führte sehr rasch zur weitgehenden Absonderung eigenständiger Herrschaftsbereiche unter teilfürstlichen Nebenlinien. Der Gedanke eines einheitlichen Staatswesens blieb nur noch innerhalb der polnischen Kirche erhalten. In dem anhaltenden erbitterten Streit um das Seniorat, der Wladislaw schliesslich 1146 zur Flucht in das Reich trieb, meldeten sich die Adelsvertreter der Teilregionen immer energischer mit eigener Stimme zu Wort. Wiederholte Hilfeersuchen einzelner Prätendenten veranlassten die Anrainer und insbesondere den früheren Lehensherrn, den Kaiser, zu militärischen Interventionen. Sowohl Konrad III. wie Friedrich I. Barbarossa konnten so als Gegenleistung für ihre Waffenhilfe nochmals die Erneuerung des Treueeides einfordern. Um das Chaos der Fürstenfehden zu beenden, suchte Herzog Kasimir II., der Gerechte, nach einer Radikallösung. 1177 entriss er seinem älteren Bruder die Grossfürstenwürde. 1180 liess er auf dem Tag zu Leczyca von den versammelten Bischöfen, deren Wohlwollen er durch Zugeständnisse erkauft hatte, und dem kleinpolnischen Adel die Aufhebung des Seniorats sanktionieren und sich und seiner Familie den Besitz des Senioratsgebietes und Krakaus bestätigen. 1184 erreichte er auch die Zustimmung des Kaisers.
Damit war der Weg frei für machtpolitische Umgruppierungen, aus denen sich drei geschlossene Länderkomplexe piastischer Familienherrschaften herausbildeten: Schlesien, Grosspolen und das zunächst mit Masowien und Kujawien verbundene Kleinpolen. Die Neuregelung förderte das Eigenleben in den teilfürstlichen Herrschaftsbereichen und begünstigte zentrifugale Kräfte, die die Einheit des polnischen Staatswesens in seinem bisherigen territorialen Bestand ernsthaft gefährdeten.
Pommern war unter Herzog Bogislaw I. von Stettin 1181 Reichslehen geworden. Pommerellen (Ostpommern) hatte sich unter den Samboriden aus grosspolnischer Abhängigkeit gelöst.
In Preussen schuf sich der Deutsche Ritterorden, den Herzog Konrad I. von Masowien und Kujawien 1226 gegen die heidnischen Prussen in das Culmer Land gerufen hatte, eine eigenständige Machtbasis und entzog sich der landesherrlichen Verfügung. 1234 nahm Papst Gregor IX. den Ordensstaat in den Schutz des heiligen Petrus. Seit der Besetzung Pommerellens und Danzigs 1308 lebte er in einem Dauerkonflikt mit dem polnischen Nachbarn.

Landesausbau und Kolonisation:

Die Verwendung des Namens 'Polen' blieb im 13. Jahrhundert auf das grosspolnische Territorium beschränkt. Die schlesischen Piasten verzichteten nach dem Mongoleneinfall 1241 auf ihre bisherigen gesamtstaatlichen Ambitionen und wandten sich auch in ihren verwandtschaftlichen Beziehungen dem Reich bzw. Böhmen zu. Herzog Heinrich II., der Fromme, hatte zusammen mit zahlreichen schlesischen und grosspolnischen Rittern in der Schlacht bei Liegnitz am 9.April 1241 sein Leben lassen müssen. Das Aufgebot des kleinpolnischen Adels war zuvor schon bei Chmielnik südlich von Kielce von den Tataren aufgerieben worden.
Die abziehenden Tataren hinterliessen ein verwüstetes Land. Am Wiederaufbau beteiligten sich zahlreiche ausländische Helfer, vornehmlich deutsche Bauern und Bürger, die von den Herzögen, den Klöstern und den Magnaten angeworben und nach deutschem Recht angesiedelt wurden. Mit ihrer freiheitlicheren Ordnung, ihren Selbstverwaltungseinrichtungen und korporativen Zusammenschlüssen, den agrartechnischen Neuerungen und den entwickelteren handwerklichen Fähigkeiten vermittelten sie dem planmässigen hochmittelalterlichen Landesausbau neue Impulse. Schon Herzog Heinrich I., der mit Hedwig von Andechs-Meranien, der Heiligen Schlesiens, verheiratet war, hatte zu Beginn des 13. Jahrhunderts deutsche Siedler ins Land geholt. Deutschrechtliche Stadtgründungen breiteten sich seit dem 13. Jahrhundert über Niederschlesien, Westpolen und Preussen nach Gross- und Kleinpolen aus und erreichten in Ausläufern den westrussischen Raum. Mit ihnen verbreitete sich deutscher Kaufmannsgeist in Ostmitteleuropa. In alten Städten Polens wie Krakau, Breslau, Posen und Danzig gewann eine deutschstämmige Bürgerschaft einen beherrschenden Einfluss auf das Stadtregiment. Sie wurde zum Träger händlerischer und handwerklicher Aktivitäten und verstärkte die kulturellen Verbindungen der polnischen Kronländer nach Westeuropa.

Die grösste Gefahr für die in zahlreiche Seitenlinien aufgesplitterten Piasten drohte zu Ende des 13. Jahrhunderts vom böhmischen Nachbarn. König Wenzel II. hatte seit 1289 über erbvertraglich abgesicherte Ansprüche in Oberschlesien Fuss gefasst und 1291 Krakau hinzugewonnen. 1300 rückten seine Truppen in Grosspolen und Pommerellen ein. Eine einflussreiche Gruppierung geistlicher und weltlicher Würdenträger betrieb seine Wahl zum polnischen König. Die Krönung vollzog der Erzbischof von Gnesen. Wenzel II., der gleichzeitig seine Hand nach Ungarn ausstreckte und 1302 seinem Sohn die ungarische Krone aufsetzen liess, nahm seinen polnischen Besitz vom deutschen König Albrecht I. zu Lehen.
Die Herrschaft der landfremden Premysliden blieb in Polen Episode. Der jugendliche König Wenzel III. überlebte seinen Vater nur um ein Jahr. 1306 fiel er in Olmütz einem Mordanschlag zum Opfer. Mit ihm starben die Premysliden in männlicher Linie aus. Ihre Hausmachtpolitik weckte in Polen unter den zerstrittenen Teilherzögen patriotische Gefühle und liess den Wunsch nach einer nationalen Lösung wieder lebendig werden. Zu ihrem Wegbereiter wurde Wladislaw I. Lokietek ('Ellenlang'), der Herzog von Sieradz aus der kujawischen Linie der Piasten. Er hatte erheblichen Widerstand in den Teilregionen und seitens der deutschen Bürger Krakaus und Posens niederzukämpfen, bis er schliesslich den Partikularismus überwinden und die grosspolnischen, kleinpolnischen und kujawischen Teilherrschaften wieder unter einem Zepter zusammenführen konnte. Nur auf die Einbeziehung Schlesiens, Masowiens und Pommerellens musste er verzichten. Am 20. Januar 1320 schloss die Königskrönung Wladislaws das Einigungswerk ab.
Zu den erbittertsten Widersachern des neuen polnischen Königs zählten der Deutsche Orden und der böhmische König. Alle Versuche, den Deutschen Orden in einem langwierigen Prozessverfahren vor dem Heiligen Stuhl zur Herausgabe Pommerellens zu zwingen, scheiterten. König Johann der Blinde von Böhmen meldete eigene Thronrechte an. 1327 liess er die schlesischen Herzöge ihren Lehenseid erneuern. Böhmische Truppen besetzten das Dobriner Land und bedrohten im Zusammenspiel mit dem Deutschen Orden Masowien und Kujawien, das 1332 von den Ordensrittern erobert wurde. Der Sohn Wladislaws, König Kasimir III., der Grosse, zog der andauernden militärischen Konfrontation eine diplomatische Verständigung vor. Im Präliminarvertrag von Trentschin und auf dem Fürstentreffen in Visegrád 1335 einigte er sich mit Johann von Böhmen auf eine stillschweigende Anerkennung des territorialen Besitzstandes. Gegen den förmlichen polnischen Verzicht auf Schlesien 1339 gab der Luxemburger seine Thronansprüche in Polen auf. Den Kriegszustand mit dem Deutschen Orden beendete Kasimir im Frieden von Kalisch 1343. Er brachte ihm Kujawien und das Dobriner Land zurück, dafür musste er Pommerellen, das Culmer Land und die Michelau dem Orden überlassen. Zuvor schon hatte er 1340 mit ungarischer Hilfe eine erfolgreiche Südostexpansion eingeleitet. Aus der Erbmasse des südwestrussischen Fürstentums Galitsch-Wolhynien brachte er Gebiete am Oberlauf von San, Westlichem Bug und Dnjestr (Rotreussen, das spätere Ostgalizien) mit Lemberg und Przemysl an sich und verteidigte sie hartnäckig gegen Litauen. 1351 gewann er die von Böhmen beanspruchte Oberhoheit über Masowien zurück.
Kasimir III. stabilisierte in einer krisenhaften Zeit die piastische Königsherrschaft in Polen und betrieb eine erfolgreiche Arrondierungspolitik. Mit seinem Namen sind wichtige Weichenstellungen in der polnischen Geschichte verbunden. 1364 gründete er mit päpstlichem Privileg die Krakauer Universität und öffnete sein Land dem wissenschaftlichen Diskurs. Als Gesetzgeber unternahm er ernsthafte Anstrengungen, die notwendige Rechtsvereinheitlichung in den einzelnen Landesteilen zu fördern. Seine Fürsorge um die unteren Bevölkerungsschichten trug ihm den Ruf eines Bauernkönigs ein. 1353 sah er sich erstmals in der polnischen Geschichte mit einer Konföderation des unzufriedenen grosspolnischen Adels konfrontiert. Das Auftreten der Adelsvertreter zeigte an, dass sich aus der polnischen Adelsgenossenschaft, der Schlachta (polnisch szlachta, 'Geschlecht'), ein abgeschlossener Stand mit einem ausgeprägten Eigenbewusstsein zu entwickeln begann. Dieser verstand sich immer mehr als die eigentliche polnische Nation und sollte in der Folgezeit zum grossen Gegenspieler der Königsmacht werden.

Adel und Königsmacht:

In der Nachfolgefrage hatte Kasimir rechtzeitig durch eine Erbverbrüderung mit den ungarischen Anjou vorgesorgt. Der Ausschluss einer weiblichen Erbfolge musste allerdings im Privileg von Buda 1355 vom Adel durch die Zusage erkauft werden, künftig keine Sondersteuern zu erheben und die grundsätzliche Wahlfreiheit bei der Königskür anzuerkennen. Als Kasimir 1370 starb, rückte der ungarische König Ludwig I. nach, der selbst ohne männliche Erben war. Der Übergang vollzog sich aber nicht problemlos. Ludwig verwaltete Polen nur als Nebenland und konnte Interessenkollisionen mit seiner Stellung in Ungarn nicht ausschliessen. Der Ruf nach einer einheimischen Dynastie wurde in den unzufriedenen Adelskreisen laut. Um die Nachfolge seiner Tochter zu sichern, bestätigte Ludwig im Kaschauer Privileg 1374 die Privilegienzusagen und das Mitspracherecht des Adels bei künftigen Königswahlen. Die Adelsvertreter setzten in langwierigen Verhandlungen mit der Witwe Ludwigs in Buda die dauernde Anwesenheit der Thronfolgerin in Polen durch. Die ungarische Königstochter Hedwig (polnisch Jadwiga) wurde 1384 in Krakau gekrönt. Auf Drängen des Adels gab sie 1386 ihre Zustimmung zu der folgenreichen ehelichen Verbindung mit dem heidnischen Litauerfürsten Jagiello.
Durch die dynastische Verbindung mit Litauen veränderte das piastische Polen völlig sein Gesicht. Die Jagiellonenherrschaft erschloss der katholischen polnischen Kirche im Osten ein riesiges Missionsgebiet und festigte den Anspruch Polens, Bollwerk des Christentums zu sein. Das vereinigte Polen-Litauen wurde zu einem raumbeherrschenden ostmitteleuropäischen Grossreich und zu einem Vielvölkerstaat auf föderativer Grundlage.

Polen-Litauen (1385 bis 1572): Ein Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer:

Die polnisch-litauische Staatenunion, deren Herrschaftsanspruch von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte, war das Ergebnis einer Vernunftehe, bei der das politische Kalkül beider Seiten den Ausschlag gab. Der Litauerfürst Jagiello entschied sich für die polnische Option, weil sie Hilfe gegen den Deutschen Ritterorden, den gemeinsamen Feind in Preussen und Livland, in Aussicht stellte und einen Rückhalt für die Fortführung der erfolgreichen Ostpolitik Litauens bot. Der Unionsvertrag war am 14. August 1385 in Krewo geschlossen worden. Bei den langwierigen Verhandlungen vor der Unterzeichnung hatten die vornehmlich kleinpolnischen Unterhändler einen langen Forderungskatalog präsentiert. Sie bestanden nach den unliebsamen Erfahrungen der Vergangenheit auf der Anwesenheit des Herrschers im Lande und auf seiner Taufe und sie wünschten Zusagen im Hinblick auf eine künftige Eingliederung des Grossfürstentums und ein verstärktes Engagement zur Zurückgewinnung der verlorenen polnischen Territorien. Am 14. Februar 1386 hielt Jagiello seinen triumphalen Einzug in Krakau und empfing am folgenden Tag zusammen mit seinem Gefolge aus der Hand des Gnesener Erzbischofs die Taufe. Am 18. Februar feierte er die Vermählung mit Königin Hedwig und am 4. März wurde er selbst unter seinem Taufnamen als Wladislaw II. zum König von Polen gekrönt. Vor dem Krönungsakt bestätigte er dem polnischen Adel die bisherigen Privilegien und versprach, keine zusätzlichen Steuern zu erheben und Polen nicht mit Landfremden zu regieren.
Für den polnischen Staat zahlte sich die Verbindung mit Litauen unmittelbar aus. Schon 1387 holte Königin Hedwig persönlich den westlichen Teil Rotrusslands, der noch von ungarischen Starosten verwaltet wurde, wieder zurück, und in Lemberg konnte ihr Gemahl die Huldigung des moldauischen Hospodars (Fürsten) entgegennehmen. Grössere Schwierigkeiten hatte dagegen Wladislaw, sein Stammland Litauen über eine nur lose Personalunion hinaus in das neue gemeinsame Staatswesen einzubinden. Die litauischen Adligen waren über grosszügige Privilegienzusagen, die ihnen den gleichen Rechtsstatus wie der polnischen Schlachta gewährten, leichter zu gewinnen als sein ehrgeiziger Vetter Vytautas.

Fürst Vytautas hatte alte Rechnungen zu begleichen. Er war 1382 mit seinem Vater Keistut im innerlitauischen Machtkampf unterlegen und musste sich zeitweise unter den Schutz des Deutschen Ordens begeben. Er versöhnte sich wohl vorübergehend mit seinem Vetter und begleitete ihn 1386 zur Krönung nach Krakau. Dass allerdings Wladislaw ihm seinen Bruder, Fürst Skirgaila, als Stellvertreter in Litauen vorzog, musste er als persönliche Kränkung empfinden. 1389 kam es erneut zum Bruch. Seither kämpfte Vytautas mit der Waffe in der Hand um sein väterliches Erbe und erhob Anspruch auf ganz Litauen.
Der Streit erhielt eine für Wladislaw gefährliche Eigendynamik, weil sein Rivale sich nicht scheute, mit den erklärten Feinden Polen-Litauens, dem Deutschen Orden und dem Moskauer Grossfürsten, zusammenzugehen. 1390 begab sich der schon 1383 katholisch getaufte Vytautas erneut unter den Schutz des Ordens. Er stellte für die geforderte Waffenhilfe Samogitien, die begehrte Landbrücke zwischen Preussen und Livland, in Aussicht, ein Versprechen, das er 1398 im Vertrag von Sallinwerder einlöste. Zur Festigung der moskowitischen Verbindungen wechselte er zum orthodoxen Glauben über und gab seine Tochter 1391 dem Grossfürsten Wassilij I. Dmitrijewitsch zur Frau.
Eine friedliche Beilegung des ausufernden Zwistes zwischen den verfeindeten Vettern ermöglichte erst der Vertrag von Ostrowo in Masowien vom 4. August 1392. Er wies Vytautas das väterliche Erbe mit weiteren westrussischen Gebieten zu und bekräftigte mit dem Titel eines Grossfürsten von Litauen seine Anwartschaft auf ganz Litauen. Als Skirgaila 1387 verstarb, brachte Vytautas die einzelnen Landesteile in seine unmittelbare Gewalt und ersetzte die lokalen Fürsten durch eigene Statthalter. Sein Blick war vornehmlich nach Osten gerichtet. Vytautas leitete ohne Absprache mit dem polnischen König eine offensive Ostpolitik ein und schob die Grenzen Litauens über weissruthenische Gebiete bis in das westliche Vorfeld Moskaus vor. 1397 und 1398 stiessen seine Truppen bis an die Schwarzmeerküste und auf die Krim vor. Seine hochfliegenden Pläne musste er begraben, als er sich am 12. August 1399 an der Spitze eines polnisch-litauischen Heeres an der Worskla eine vernichtende Niederlage gegen die Tataren und nur sein eigenes Leben retten konnte. Danach erreichte Vytautas wohl in den Unionen von Wilna und Radom 1401 eine vertragliche Bestätigung seines Herrschaftsanspruches, musste aber eine Beschränkung der aussenpolitischen Bewegungsfreiheit hinnehmen.

Der Konflikt mit dem Deutschen Orden:

Zur Bewährungsprobe des polnisch-litauischen Verhältnisses wurde die sich hinziehende Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden. Sie mündete nach dem Aufstand der Samogitier 1409 in einen offenen Schlagabtausch. Der 'Grosse Krieg' endete am 15. Juli 1410 in der Schlacht von Tannenberg mit der Vernichtung des Ordensheeres. Die siegreichen polnisch-litauischen Truppen besetzten weite Teile des Ordenslandes. Die meisten Festungen mussten ihre Tore öffnen, nur die Verteidiger des Ordenssitzes Marienburg trotzten einer mehrmonatigen Belagerung. Im 1. Thorner Frieden vom 1. Februar 1411 gelang es dem Orden, die drohende Existenzgefährdung abzuwenden. Er verzichtete zu Lebzeiten des polnischen Königs und Vytautas' auf Samogitien und verpflichtete sich zu Entschädigungszahlungen. Ruhe kehrte noch nicht ein. Seit Herbst 1412 herrschte wieder Krieg an den Grenzen und 1414 verhinderte ein in Strasburg (Westpreussen) vereinbarter Waffenstillstand nur notdürftig einen erneuten grösseren Waffengang. Beide Parteien versuchten, auf dem Rechtsweg Grenzkorrekturen zu erreichen und das Reich und den Papst als Schiedsinstanzen in den Streit hineinzuziehen. Sie boten hohen juristischen Sachverstand auf, um dem Konstanzer Konzil ihre abweichenden Standpunkte vorzutragen und eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeizuführen.
Aus dem fortdauernden Konflikt zog Vytautas grösseren Nutzen als der polnische König. Nach dem gemeinsamen Einfall in das Culmer Land gewann er 1422 für Litauen ohne Bedingung das umstrittene Samogitien zusammen mit einem schmalen Küstenstreifen an der Ostsee bei Polangen und eine sichere Grenze zum Ordensland. Wladislaw musste sich dagegen mit einem kleinen Territorialgewinn auf dem linken Weichselufer abfinden.

Die ungesicherte Nachfolgefrage machte den alternden König zunehmend erpressbar. Vytautas war nicht abgeneigt, für seine Person Thronansprüche anzumelden und zumindest in Litauen eine eigene Königsherrschaft zu begründen. Der Orden liess sich die Gelegenheit nicht entgehen, Zwietracht zwischen seinen härtesten Konkurrenten zu säen. Wladislaw geriet unter Zeitdruck. Ihm waren erst in vierter Ehe zwei männliche Thronfolger geboren worden. Er wollte rechtzeitig Vorsorge für seine Söhne treffen und bemühte sich bei den Adelsvertretern um eine förmliche Anerkennung ihrer Thronrechte. Bei den anstehenden Verhandlungen stiess er in dem Kanzler Polens und Bischof von Krakau, Zbigniew Olesnicki, auf einen geschickten Gegenspieler. Der König sah sich schliesslich gezwungen, auf die Bedingungen des Adels einzugehen. Im Privileg von Jedlno am 4. März 1430 gestand er dem polnischen Adel und der hohen Geistlichkeit das Recht der freien Königswahl zu. Er dehnte die adligen Sonderrechte auf alle Landesteile aus und gewährte dem Adelsstand erhöhten Schutz und Rechtssicherheit.
Die entsprechenden königlichen Erlasse bildeten die Gründungsurkunde der polnischen Adelsdemokratie, die auf der ungeteilten Freiheit und Gleichheit des Gesamtadels beruhte. Die Schlachta-Republik schloss die Bauern ebenso von politischen Mitspracherechten, vom Landbesitz und vom Zugang zu höheren geistlichen Ämtern aus wie das Bürgertum der Städte. Ungeachtet einer fortschreitenden sozialen Differenzierung zwischen dem verarmten Kleinadel und den einflussreichen Magnaten- und Senatorenfamilien verstanden sich die adligen Reichsbürger als die eigentlichen Repräsentanten der Nation. Sie nutzten die akute Notlage des Königs, der Geld und ein ausreichendes militärisches Aufgebot für seine Kriegführung benötigte, zur politischen Erpressung. Die Adelsversammlungen der einzelnen Landesteile zogen immer mehr Kompetenzen an sich und schufen sich in Generallandtagen zunächst für Gross- und Kleinpolen ein oberstes Beratungs- und Beschlussgremium. 1493 tagte erstmals in Petrikau ein gemeinsamer Reichstag. Er wurde von den Bezirks- und Landtagen und vom königlichen Rat beschickt.
Die letzte Station auf dem Wege zu einer Institutionalisierung der Adelsdemokratie waren die Nessauer Statuten von 1454. Sie machten die Bestellung eines militärischen Aufgebotes von der vorherigen Zustimmung der einzelnen Landtage abhängig. Die Verfassung von Radom 1505 übertrug letztlich das ausschliessliche Gesetzgebungsrecht den beiden Kammern des Reichstages, dem Senat und der Landbotenstube. Dem König verblieben neben der alleinigen Vertretung nach aussen und dem militärischen Oberbefehl nur noch eine durch Adelsrecht eingeschränkte Gerichtsbarkeit und die Exekutivgewalt. Einen gewissen finanziellen Rückhalt boten ihm die regulären Einkünfte aus dem Königsgut und dem Berg- und Münzregal. Bei allen aussergewöhnlichen Ausgaben war er aber von der Zustimmung der Adelsversammlungen und von den Beschlüssen der Landtage bzw. des Reichstages abhängig. Dennoch reduzierte sich die königliche Amtsgewalt keineswegs nur auf reine Handlangerdienste zugunsten des Adels. Mit der Person des Königs verband sich weiterhin die Idee des Gesamtstaates, und die Autorität der Krone bewährte sich auch in schwierigen Zeiten als Klammer zwischen den beiden ungleichen Reichsteilen Polen und Litauen.

Die eher zufällig über eine dynastische Union zusammengeführten Reichsteile wuchsen nur sehr langsam zu einem einheitlichen Staatsgebilde zusammen. Zu unterschiedlich waren die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen, die kulturellen Traditionen und die kirchlich-konfessionellen Zuordnungen. Auch in Polen waren in der Jagiellonenzeit noch erhebliche regionale Unterschiede erhalten geblieben. Litauen aber hatte durch die erfolgreiche Ostexpansion des 14. und 15. Jahrhunderts sein Gesicht völlig gewandelt. Es war zu einem Land mit mehrheitlich ostslawisch-orthodoxer Bevölkerung geworden.
Die beiden Reichshälften wurden zunächst nur durch eine lose Personalunion zusammengehalten. Der Staatenbund war nicht nur durch ehrgeizige litauische Grossfürsten wie Vytautas in seinem weiteren Bestand gefährdet. Das jagiellonische Erbrecht in Litauen vertrug sich nur schwer mit dem Anspruch des polnischen Adels auf freie Königswahl. Ehrgeizige dynastische Hausinteressen der Jagiellonen, die Böhmen und Ungarn in ihre Überlegungen einbezogen, weckten Missmut in Litauen und liessen Ausschau nach internen Thronfolgeregelungen halten. Jede Königswahl wurde zur Zerreissprobe. Wladislaw III. von Polen, der Sohn und Nachfolger Wladislaws II., hielt vorübergehend die Kronen Polens (seit 1434) und Ungarns (seit 1440) in seiner Hand. Er büsste seine raumgreifende dynastische Politik 1444 auf dem Schlachtfeld von Warna gegen die Türken mit dem Leben. Zum Nachfolger in Polen wurde auf Betreiben Olesnickis sein Bruder Kasimir ausersehen, der seit 1440 als Grossfürst in Litauen amtierte. Kasimir verständigte sich mit den polnischen Adelsvertretern 1446 auf eine Erneuerung der Personalunion.

Als polnischer König leitete dann aber Kasimir IV. Andreas energische Schritte zur Angleichung der beiden Reichshälften ein. Er setzte auf das Eigeninteresse des litauischen Adels. Schon 1413 hatten Wladislaw II. und Vytautas der Aufnahme von 47 katholischen litauischen Adelsgeschlechtern in die Wappengemeinschaften polnischer Familienverbände zugestimmt. Die Diskriminierung der orthodoxen Bevölkerung bei der Ämtervergabe wurde aber nur schrittweise aufgegeben. Privilegienzusagen an den litauischen Adel leisteten einer schleichenden Polonisierung der Führungsschichten in Litauen Vorschub. Kasimir IV. setzte in dieser Frage einen Schlussstrich und sicherte noch vor seiner Königskrönung am 2. Mai 1447 dem gesamten litauischen Adel und den Stadtbürgern gleiche Rechte zu. Gleichzeitig unterstellte der König die bisher umstrittenen Provinzen Podolien und Wolhynien litauischer Verwaltung. Die volle Gleichberechtigung von Katholiken und Orthodoxen wurde in der Praxis allerdings erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erreicht.
Kasimir IV. hatte die Interessen des Gesamtstaates im Blick, als er 1449 auf weitere Expansionen im westrussischen Raum verzichtete und sich mit dem Moskauer Grossfürsten Wassilij II. auf eine Anerkennung des beiderseitigen Besitzstandes verständigte. Grössere Chancen sah er in der Auseinandersetzung mit dem Orden, der mit inneren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Als sich 1454 die preussischen Landstände und die Städte Danzig und Thorn gegen ihren Landesherren erhoben, nahm der König das Angebot der Aufständischen an und unterstellte das gesamte Ordensgebiet seiner Oberherrschaft. Mit seinem Entschluss handelte sich Kasimir IV. einen dreizehnjährigen Krieg mit dem Orden ein. Er fand nach mehreren vergeblichen Anläufen erst mit dem 2. Thorner Frieden am 16. Oktober 1466 ein für Polen günstiges Ende. Der Orden musste die Oberhoheit des polnischen Königs anerkennen und auf Pommerellen (mit Danzig), das Culmer Land, die Michelau und auf wichtige befestigte Städte wie Christburg, Elbing und Marienburg verzichten. Mit diesem 'Preussen königlichen Anteils' gewann Polen erstmals einen breiteren Zugang zur Ostsee.
In den böhmischen und ungarischen Angelegenheiten mischte Kasimir IV. über seine Söhne weiterhin mit: Wladislaw wurde 1471 zum böhmischen König gewählt. Nach dem Tode des Matthias Corvinus, der ihm die böhmischen Nebenländer streitig gemacht hatte, gewann er 1490 noch die ungarische Krone hinzu. An der Ostgrenze musste Kasimir IV. aber Moskau die Initiative überlassen und im ersten litauisch-moskowitischen Krieg (1486-94) territoriale Verluste an der oberen Oka hinnehmen.

Unter seinen Söhnen, König Johann I. Albrecht und Grossfürst Alexander, brachen erneut Gegensätze auf. Widerstreitende aussenpolitische Interessen gefährdeten den Weiterbestand des polnisch-litauischen Staatenbundes. Die Wahl Alexanders zum polnischen König stellte zwar nach dem Tod Johann Albrechts 1501 die Personalunion wieder her, doch geriet der König in eine weitgehende Abhängigkeit vom Senat und den Magnaten. Einbrüche an der litauischen Ostgrenze konnte er nicht mehr verhindern. Ein erneuter Waffengang mit Moskau (1501- 03) endete mit weiteren Gebietsverlusten. Die jagiellonische Vormachtstellung geriet ins Wanken. Die Moskowiter nahmen Verbindung zu den Habsburgern auf, und Schweden, der Orden und die Moldau waren nicht abgeneigt, einem antijagiellonischen Angriffsbündnis beizutreten. 1514 mussten die Litauer die strategisch wichtige Festung Smolensk den moskowitischen Truppen überlassen. Unter dem Eindruck einer drohenden Einkreisung suchte der 1506 neu gewählte König Sigismund I., der jüngere Bruder Alexanders, den Ausgleich mit den Habsburgern. 1515 erneuerte er in Pressburg und Wien das Einverständnis zur jagiellonisch-habsburgischen Doppelhochzeit. Die Vereinbarung schloss die gegenseitige Erbfolge ein. Nur elf Jahre später trat völlig überraschend der Erbfall ein. Nach der Schlacht bei Mohács (1526) erbten die Habsburger die jagiellonischen Thronrechte in Ungarn.
Sigismund I. war in zweiter Ehe mit Bona Sforza verheiratet, die in der italienischen Renaissancekultur aufgewachsen war. Unter ihrem Einfluss wurde der Krakauer Königshof zum kulturellen Zentrum. In der ausgehenden Jagiellonenzeit erlebte die polnische Kultur ihr 'goldenes Zeitalter'. Es zeichnete sich durch eine erstaunliche Toleranz in Glaubensfragen aus. Sigismund I. suchte wohl der Verbreitung der lutherischen Lehre noch Hindernisse in den Weg zu legen, unter seinem Sohn Sigismund II. August (1548-72) setzte sich die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse aber durch.
An der Reformation zerbrachen der Ordensstaat und die auf geistlichen Herrschaftsstrukturen begründete Einheit des alten Livland. 1525 hatte bei der Säkularisierung des Ordensstaates Albrecht der Ältere mit seinen drei Brüdern Preussen als weltliches Herzogtum polnischer Lehenshoheit unterstellt. In Livland brachte Iwan der Schreckliche 1558 mit der Entfesselung des Livländischen Kriegs die alte Ordnung zum Einsturz. Die geistlichen Territorien, das heisst das Erzbistum Riga sowie die Bistümer Dorpat, Ösel-Wik, Kurland und das livländische Gebiet des Ordens, lösten sich auf. Die Bischöfe von Ösel-Wik und Kurland wechselten auf die dänische Seite, Reval und die estnische Ritterschaft huldigten dem Schwedenkönig Erich XIV. Der Erzbischof von Riga und der Landesmeister des Ordens suchten 1559 Schutz beim polnischen König und willigten 1561 in eine Teilung des Landes ein. Der letzte Ordensmeister Gotthard Kettler nahm Kurland und Semgallen als erbliches Herzogtum vom polnischen König zum Lehen und bekannte sich zur reformatorischen Lehre. Zentrallivland, das 'überdünische' Land, fiel gegen eine Privilegiengarantie zugunsten der livländischen Stände an den polnischen König.
Angesichts der zunehmenden Bedrohung der Ostgrenzen wuchs in der polnischen und litauischen Reichshälfte die Bereitschaft zu einem engeren Zusammenschluss. Der König drängte auf dem gemeinsamen Reichstag, der seit Januar 1569 in Lublin tagte, auf eine rasche Klärung der Unionsfrage. Mit der einseitig verfügten Unterstellung der Woiwodschaften (Herrschaften) Podlachien, Wolhynien und Kiew unter Polen übte er massiven Druck auf die widerstrebenden litauischen Magnaten aus. Die abschliessenden Gespräche zogen sich bis zur Jahresmitte hin, ehe in der Lubliner Union vom 1. Juli 1569 eine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte. Mit dem Verzicht auf das Erbrecht der Jagiellonen in Litauen hatte der König den Weg freigemacht. Die Unionsakte von Lublin sah unter einem gemeinsamen Herrscher und einem gemeinsamen Reichstag einen Bundesstaat aus gleichberechtigten Reichsteilen vor, die ihre Zuständigkeit für die Aussenpolitik und die Münzprägung abgeben, aber die Eigenständigkeit in Verwaltung und Rechtsprechung, Finanz- und Heerwesen beibehalten sollten.
Ein Jahrzehnt später, am 7. Juli 1572, erlosch mit dem Tode Sigismunds II. August die Jagiellonendynastie. Die Königswahlen bestimmte seither bis zu den Polnischen Teilungen am Ausgang des 18. Jahrhunderts die Adelsnation in freier Entscheidung.

Das Haus Anjou (1370 bis 86) und die Jagiellonen (1386 bis 1572):

LudwigI., der Grosse (1370 - 82), ein Neffe Kasimirs aus dem Haus Anjou, konnte sich die Zustimmung des polnischen Adels zur Nachfolge für sich und seine Tochter Jadwiga (Hedwig I) nur durch Privilegien erkaufen. In den Unionen von Krewo und Krakau 1385/86 wurde festgelegt, dass sich der bisher heidnische Grossfürst Jagiello von Litauen taufen lassen und die Erbin Jadwiga zur Frau nehmen sollte. Als König WladislawII. (1386 - 1434) vereinigte er das multinationale und mehrkonfessionelle Doppelreich Polen-Litauen zunächst in Personalunion. Dieser Übermacht unterlag der Deutsche Orden 1410 bei Tannenberg und dann im 'Dreizehnjährigen Krieg' (1454 - 66). Im 2. Thorner Frieden von 1466 musste er für das ihm verbliebene Ostpreussen die polnische Lehnshoheit anerkennen, während Pommerellen mit dem Culmer Land und Ermland ein besonderer Ständestaat unter der Herrschaft des polnischen Königs wurde. 1561 kam auch Livland an Polen, Kurland wurde polnisches Lehen. Durch die Lubliner Union von 1569 wurden Litauen und der westpreussische Ständestaat ganz mit Polen verschmolzen. Es behaupteten die deutschen Städte Thorn, Elbing und v.a. Danzig sowie das Bistum Ermland ihre Selbstständigkeit. Der Protestantismus wurde durch die katholische Gegenreformation zurückgedrängt. Die Königsgewalt war schon seit dem 15.Jahrhundert durch die wachsende Macht des Adels, der 'Schlachta', geschwächt worden, die ihren politischen Mittelpunkt im polnischen Reichstag fand.

Das Wahlkönigtum (1572 bis 1795):

Seitdem die Jagiellonen 1572 mit SigismundII. August ausgestorben waren, wählte der polnische Adel ausländische Fürsten zu Königen, so Stephan Báthory von Siebenbürgen (1575/76 - 86 als StephanIV. Báthory) und die aus dem schwedischen Haus Wasa stammenden Monarchen SigismundIII. (1587 - 1632), WladislawIV. (1632 - 48) und JohannII. Kasimir (1648 - 68). Polen verlor 1629 Livland an Schweden und musste 1657/60 zugunsten Brandenburgs auf die Lehnshoheit über Ostpreussen verzichten. Nachdem gegenüber Russland bis 1619 einige Gebietsgewinne erzielt werden konnten, und 1610 - 12 sogar die Übernahme des Zarenthrons möglich schien, brach in der Ukraine ein grosser Aufstand der Kosaken aus, die sich 1654 unter die Herrschaft der russischen Zaren stellten. Weitere Ostgebiete (Kiew) gingen im Frieden von Andrussowo (1667) verloren. Im Kampf gegen die Türken errang Polen unter JohannIII. Sobieski (1674 - 96) im Bündnis mit Österreich militärische Erfolge (1683 Sieg in der Schlacht am Kahlenberg), es gewann Podolien zurück. Warschau (seit 1596 Hauptstadt) wurde im 18.Jahrhundert ausgebaut. Die Wahl des sächsischen Kurfürsten August des Starken zum König von Polen (1697 - 1706, 1709 - 33) verstrickte das Land in den Nordischen Krieg, in dem Russland bereits als die ausschlaggebende Macht in Polen auftrat. Sein Sohn AugustIII. (1733 - 63) konnte sich im Polnischen Thronfolgekrieg nur dank der russischen Hilfe gegen Stanislaus Leszczynski durchsetzen, und der letzte polnische König StanislausII. August Poniatowski (1764 - 95) musste sich der russischen Kaiserin KatharinaII. beugen. Schliesslich kam es zu den drei Teilungen Polens (1772, 1793 und 1795), wobei sich Russland (zu etwa 2/3), Preussen und Österreich (zu je etwa 1/6) des Landes bemächtigten. Noch am 3.5. 1791 war eine demokratische Verfassung (die erste geschriebene in Europa) verabschiedet worden. Ein nationaler Aufstand 1794 unter der Führung T.Kosciuszkos scheiterte an der russisch-preussischen Übermacht.

Unter der Herrschaft der Teilungsmächte (1795 bis 1918):

Das 1807 durch NapoleonI. aus preussischen Teilungsgebieten errichtete Herzogtum Warschau wurde im Ergebnis des Wiener Kongresses (1814/15) um Posen und Krakau verkleinert und als Königreich Polen (Kongress-Polen) in Personalunion mit Russland vereinigt. Krakau erhielt den Status einer Freien Stadt (bis 1846), die Österreich zugesprochenen Gebiete wurden 1849 als Kronland Galizien reorganisiert. Alle Versuche zur Wiederherstellung des Nationalstaates (Novemberaufstand 1830/31, Aufstände in Galizien 1846 und Posen 1848, Januaraufstand 1863) wurden blutig niedergeschlagen. Kongress-Polen sah sich einer heftigen Russifizierungspolitik ausgesetzt. Seitdem bewahrten die Polen hier und im österreichischen Galizien für lange Zeit ihre nationale Identität durch Pflege ihrer Sprache und Kultur. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs belebte die Hoffnung auf Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit (zunächst Proklamation eines polnischen Königreichs ohne Territorialabgrenzung durch die Mittelmächte am 5.11. 1916). Am 8.1. 1918 forderte der amerikanische Präsident W.Wilson die Bildung eines unabhängigen polnischen Staates mit einem Zugang zur See. Am 7.10. 1918 rief der Regentschaftsrat die Unabhängigkeit Polens aus. Staatschef der Republik Polen war 1918 - 22 J.Pilsudski.

Polen zwischen den Weltkriegen (1918 bis 39):

Durch den Versailler Vertrag erhielt Polen den grössten Teil der Provinz Westpreussen ('Polnischer Korridor') und fast die ganze Provinz Posen. Danzig wurde Freie Stadt. Oberschlesien, wo trotz mehrerer polnischer Aufstände die Abstimmung vom 20.3. 1921 eine deutsche Mehrheit ergab, wurde geteilt. Von Österreich erhielt Polen Galizien. Das Teschener Gebiet musste 1920 entlang der Olsa mit der Tschechoslowakei geteilt werden. Ein polnischer Vorstoss auf Kiew (April/Mai 1920) löste den Polnisch-Sowjetischen Krieg (1920/21) aus, die Gegenoffensive Sowjetrusslands scheiterte schliesslich am polnischen Sieg in der Schlacht bei Warschau (16.8. 1920, 'Wunder an der Weichsel'). Im Frieden von Riga (18.3. 1921) wurde eine Grenze gezogen, die mehr als 200 km östlich der Curzon-Linie verlief. 1920 hatte Polen zudem das Wilnagebiet annektiert. Die innere Konsolidierung (formal beendet mit Annahme der Verfassung vom 17.3. 1921) wurde erschwert durch die politische Zersplitterung der Parteien, die wirtschaftliche Rückständigkeit, die in der Teilungszeit entstandenen unterschiedlichen Wirtschafts-, Bildungs-, Justiz- und Verwaltungssysteme sowie durch die Existenz starker nationaler Minderheiten (31% der Gesamtbevölkerung). Aussenpolitisch war Polen in das französische Allianzsystem einbezogen (Bündnis vom 19.2. 1921). Die restriktive Politik gegenüber der deutschen Minderheit, die deutsche Weigerung, die neue deutsche Ostgrenze anzuerkennen, ein 'Zollkrieg' um die oberschlesische Kohle, andererseits der politisch-ideologische Gegensatz zum Sowjetsystem schlossen eine Kooperation Polens mit seinen beiden grössten Nachbarn aus. Am 12.5. 1926 übernahm Marschall Pilsudski in einem Staatsstreich die Macht (1926 - 28 und 1930 Ministerpräsident, 1926-35 Kriegsminister), errichtete unter formaler Beibehaltung von Verfassung und Parlament ein autoritäres System und setzte 1935 eine autoritäre Präsidialverfassung durch. Zur aussenpolitischen Absicherung wurden Nichtangriffsverträge mit der Sowjetunion (1932) und Deutschland (1934) abgeschlossen. Aussenminister J.Beck strebte den Aufstieg Polens zur ostmitteleuropäischen Führungsmacht im Rahmen eines 'Dritten Europa' von der Ostsee bis zur Adria an.
Nach dem Tod Pilsudskis 1935 wurde das Militär unter Marschall E.Rydz-Smigly staatsbestimmend. Die Verschärfung der Minderheitenpolitik, auch gegenüber der deutschen Volksgruppe, engte die aussenpolitische Manövrierfähigkeit ein. Im Oktober 1938 wurde die Tschechoslowakei zur Abtretung des Olsagebietes gezwungen. Der verstärkte aussenpolitische Druck des Deutschen Reiches 1938/39 (Forderung nach Angliederung Danzigs an Deutschland und nach Errichtung exterritorialer Verkehrswege durch den Polnischen Korridor) veranlasste Polen wieder zu engerer Anlehnung an die Westmächte. Die Kündigung des Deutsch-Polnischen Nichtangriffspakts durch Hitler (28.4. 1939) hoffte Polen durch die britische Garantieerklärung (31.3. 1939) und das polnisch-britische Beistandsabkommen (25.8. 1939) ausbalancieren zu können. Doch im Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt ('Hitler-Stalin-Pakt') vom 23.8. 1939 war in einer Geheimklausel u.a. die Aufteilung Polens vereinbart worden. Der deutsche Angriff auf Polen am 1.9. 1939 löste den Zweiten Weltkrieg aus.

Polen im Zweiten Weltkrieg:

Das polnische Heer konnte sich nicht gegen die deutsche Wehrmacht und die seit dem 17.9. 1939 einrückende Rote Armee behaupten. Ein deutsch-sowjetischer Grenz- und Freundschaftsvertrag (28.9. 1939) teilte Polen entlang der Flüsse Narew, Bug und San in ein deutsches und ein sowjetisches Gebiet auf. Die v.a. von Ukrainern und Weissrussen bewohnten östlichen Gebiete (200280 qkm mit 13,5 Mio. Einwohnern, darunter 3,5 Mio. Polen) wurden der Ukrainischen SSR und der Weissrussischen SSR eingegliedert (1940/41 Zwangsdeportation von weit über 1Mio. Polen nach Zentralasien und Sibirien). Westpolen (90000 qkm mit 10 Mio. Einwohnern) wurde am 8.10. 1939 dem Deutschen Reich angeschlossen, der Rest am 26.10. 1939 als Deutsches Generalgouvernement Polen (98000 qkm mit über 10 Mio. Einwohnern) organisiert, dem 1941 Galizien angegliedert wurde. Der nationalsozialistische Terror nahm mit Zwangsverpflichtungen nach Deutschland, Deportationen und der Ausrottung anfangs der jüdischen, später auch anderer polnischer Bevölkerungsteile in den Konzentrations- und Vernichtungslagern immer grössere Ausmasse an. 1939 - 45 kamen 6,03 Mio. Polen, unter ihnen rund 3Mio. Juden, ums Leben.
In Paris wurde 1939 unter General W.Sikorski eine Exilregierung gebildet, die eine Exilarmee aufstellte. Die von den Alliierten als Krieg führender Bundesgenosse anerkannte, nach der französischen Niederlage von London aus operierende Exilregierung schloss am 30.7. 1941 ein Bündnis mit der Sowjetunion, das die Aufstellung einer polnischen Armee aus 80000 Kriegsgefangenen unter General W.Anders ermöglichte. Die Entdeckung der Massengräber polnischer Offiziere bei Katyn im April 1943 führte jedoch zum Bruch mit der sowjetischen Führung. Die Exilregierung wurde von Grossbritannien zu einem Ausgleich mit der Sowjetunion gedrängt, lehnte aber die Anerkennung der Curzon-Linie (bei Inaussichtstellung einer Entschädigung mit deutschen Gebieten östlich der Oder) ebenso ab wie eine kommunistische Regierungsbeteiligung im befreiten Polen. Mit den ab 1943 rekrutierten Einheiten unter General Z.Berling beteiligten sich die polnischen Kommunisten an der Seite der Roten Armee an der militärischen Befreiung Polens. 1939 waren erste Widerstandsorganisationen entstanden, die sich im Februar 1942 mit einer der Londoner Exilregierung unterstellten 'Armia Krajowa' (Abkürzung AK, deutsch 'Armee im Lande') eine militärische Organisation schufen. Kommunistische Widerstandsgruppen wurden in der 'Armia Ludowa' (Abkürzung AL, deutsch 'Volksarmee') zusammengefasst. Ein Aufstand im Warschauer Getto 1943, der den Abtransport der Juden in die Vernichtungslager aufhalten sollte, wurde durch die deutsche Besatzungsmacht blutig unterdrückt. Als im Juli 1944 die Rote Armee den Bug überschritt und das von prosowjetischen Kräften gebildete 'Lubliner Komitee' (eigentlich 'Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung') eine kommunistische Verwaltung aufzubauen begann, löste die AK den Warschauer Aufstand (1.8. - 2.10. 1944) aus, den die deutsche Wehrmacht jedoch niederschlagen konnte. Das Lubliner Komitee (am 1.1. 1945 in 'Provisorische Regierung' umbenannt) übernahm in den von der Roten Armee freigekämpften polnischen Gebieten die Regierungsgewalt und mit sowjetischer Unterstützung auch die Verwaltung in den deutschen Ostgebieten. Mit dem Potsdamer Abkommen (2.8. 1945) unterstellten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die ehemaligen ostdeutschen Gebiete bis zur Oder und Neisse sowie das südliche Ostpreussen und Danzig polnischer Verwaltung (vorbehaltlich einer endgültigen Regelung der Westgrenze in einem Friedensvertrag). Dafür musste Polen auf das Gebiet östlich der Curzon-Linie (rund 180000 qkm) zugunsten der UdSSR verzichten (fixiert im polnisch-sowjetischen Abkommen vom 16.8. 1945). Das polnische Staatsgebiet umfasste nunmehr rund 313000 qkm. Mit der schon vor der Potsdamer Konferenz einsetzenden Vertreibung der Deutschen (Höhepunkt 1945/46) und der Zwangsumsiedlung der Polen aus den an die Sowjetunion gefallenen Ostgebieten kam es zu einer gewaltigen Bevölkerungsverschiebung.

Nachkriegszeit (1945 bis 52):

Aus Vertretern der 'Provisorischen Regierung' und Exilpolitikern wurde am 28.6. 1945 eine 'Regierung der Nationalen Einheit' gebildet, in der Kommunisten Schlüsselpositionen innehatten. Die Sowjetunion sicherte sich einen starken Einfluss auf Polen u.a. durch den Abschluss eines Freundschafts- und Beistandsvertrags (21.4. 1945). Mit Ausnahme der oppositionellen Polnischen Bauernpartei (PSL) wurden alle Parteien in einem 'Demokratischen Block' zusammengefasst, der von der kommunistischen Polnischen Arbeiterpartei (PPR) unter Generalsekretär W.Gomulka beherrscht war und die Wahl zum Parlament (19.1. 1947) für sich entschied. Mit der Annahme der 'Kleinen Verfassung' (19.2. 1947) begann die offene Kursnahme auf die Errichtung einer Volksdemokratie. B.Bierut (Kommunist) wurde Staatspräsident (1947 - 52) und J.Cyrankiewicz (Sozialist) Ministerpräsident (1947 - 52, 1954 - 70). Nach dem Ausschluss Jugoslawiens aus dem 'sozialistischen Lager' (1948) wurden die polnischen Nationalkommunisten als 'Rechtsabweichler' aus führenden Positionen entfernt und verhaftet (u.a. Gomulka). 1948 fusionierten nach Säuberungen PPR und Sozialistische Partei (PPS) zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), deren Führung Bierut übernahm. Nach einer Bodenreform und der Verstaatlichung der Industrie, der Banken und des Verkehrswesens in den ersten Nachkriegsjahren vollzog sich 1947 der Übergang zur zentralen Planwirtschaft. 1949 wurden in Landwirtschaft und Kleingewerbe Zwangskollektivierungen und Enteignungsmassnahmen eingeleitet. Damit ging eine verschärfte Reglementierung, bald eine offene Verfolgung der katholischen Kirche einher. Die nach 1949 forcierte Industrialisierung brachte unter grossem Konsumverzicht der Bevölkerung eine völlige Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur. Im Görlitzer Vertrag (6.7. 1950) erkannte die DDR die Oder-Neisse-Linie an.

Die Volksrepublik Polen (1952 bis 89):

Mit der volksdemokratischen Verfassung vom 22.7. 1952 nahm das Land offiziell die Staatsbezeichnung 'Volksrepublik Polen' an. Als Mitglied des RGW (seit 1949) und des Warschauer Pakts (seit 1955) fügte sich Polen in den Ostblock ein. Unter dem Eindruck der Entstalinisierung in der Sowjetunion kam es im Juni 1956 zum Posener Aufstand; im Oktober 1956 wurde Gomulka an die Spitze der PZPR zurückberufen. Bei fester Einbettung in das 'sozialistische Lager' änderte er den politischen Kurs: Wiedereinführung der bäuerlichen Privatwirtschaften, Fortsetzung der Industrialisierung unter Verstärkung des Konsumgütersektors, Begrenzung der sowjetischen Stationierungstruppen und Entlassung der Berater (u.a. des als Verteidigungsminister amtierenden sowjetische Marschalls K.K. Rokossowski), Normalisierung der Beziehungen zur katholischen Kirche. Die polnische Beteiligung an der militärischen Intervention in der CSSR im August 1968 sicherte Gomulka die Unterstützung der sowjetischen Regierung bei der Zurückdrängung seiner Gegner im Innern (v.a. die nationalkommunistische Opposition um Innenminister M.Moczar) und beim Abschluss des Deutsch-Polnischen Vertrages (7.12. 1970).
Streiks und Arbeiterunruhen in den Küstenstädten führten im Dezember 1970 zur Entlassung Gomulkas und zur Machtübernahme durch E.Gierek, dem zusammen mit Ministerpräsident P.Jaroszewicz in kurzer Zeit die politische und wirtschaftliche Konsolidierung gelang ('polnisches Wirtschaftswunder' bis 1973). 1972 übernahm H.Jablonski das Amt des Staatsratsvorsitzenden (bis 1985). Nach erneuten Streiks und Arbeiterunruhen 1976 bildete sich das 'Komitee zur Verteidigung der Arbeiter' (KOR). Die mit der Wahl des Krakauer Kardinals K.Wojtyla zum Papst (16.10. 1978) Johannes PaulII. einsetzende religiöse Erneuerungsbewegung unterstützte die Forderung nach tief greifenden Reformen. Ausgelöst durch wirtschaftliche Schwierigkeiten (v.a. Missverhältnis zwischen Kaufkraft und Warenangebot) kam es 1980 zu einer landesweiten Streikbewegung (Zentrum u.a. in Danzig); sie konnte nur durch Zulassung einer unabhängigen Gewerkschaft (am 17.9. 1980 Gründung und am 10.11. 1980 gerichtliche Bestätigung der Solidarnosc unter Führung L.Walesas) und durch weitere Zugeständnisse (Danziger Abkommen vom 31.8. 1980) beendet werden. Gierek wurde als 1.Sekretär der PZPR Anfang September 1980 durch S.Kania ersetzt. Im Februar 1981 übernahm General W.Jaruzelski das Amt des Ministerpräsidenten, im Oktober 1981 auch das des Parteichefs. Die sich rapide zuspitzende innenpolitische und wirtschaftliche Situation sowie die sich abzeichnende Möglichkeit einer sowjetischen Intervention veranlassten ihn zur Verhängung des Kriegsrechts (13.12. 1981); ein 'Militärrat der Nationalen Rettung' unter seinem Vorsitz übernahm die Macht. Streiks wurden untersagt, Gewerkschaftsaktivisten und Intellektuelle interniert. Anfänglicher Widerstand in den Betrieben wurde gewaltsam unterdrückt, die Gewerkschaft im Oktober 1982 endgültig verboten. Nach Aufhebung des Kriegsrechts (22.7. 1983) wurden zwar fast alle Internierten freigelassen, doch blieben zahlreiche Beschränkungen (einschliesslich des Verbots der 'Solidarnosc') aufrechterhalten. Die Ermordung des Priesters J.Popieluszko (1984) löste neue Spannungen aus. Zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten legte die Regierung ein Reformprogramm vor, das in einem Referendum im November 1987 abgelehnt wurde. Da es den Regierungen Z.Messner (198588) und M.Rakowski (1988/89) nicht gelang, die innenpolitische Krise zu überwinden (ab August 1988 erneut landesweite Streiks), wurden Anfang Februar 1989 Gespräche mit der Opposition am 'Runden Tisch' aufgenommen. Ergebnisse waren u.a. die Wiederzulassung von 'Solidarnosc' und die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer. Die Parlamentswahlen im Juni 1989 brachten einen überwältigenden Sieg der Opposition; das Bürgerkomitee 'Solidarnosc' erhielt im Sejm alle 161 der Opposition zugestandenen Sitze, in der 2. Kammer 99 von 100 Sitzen. Der seit 1985 als Vorsitzender des Staatsrats amtierende Jaruzelski wurde am 19.7. 1989 zum Staatspräsidenten gewählt (im Amt bis Dezember 1990). Am 24.8. 1989 wurde der Oppositionspolitiker T.Mazowiecki Regierungschef.

Republik Polen (seit 1989):

Im Rahmen der im Dezember 1989 verabschiedeten Verfassungsänderungen wurde die Staatsbezeichnung 'Republik Polen' wieder eingeführt. 1990 löste sich die PZPR auf, ein Teil ihrer Mitglieder gründete die 'Sozialdemokratie der Republik Polen' (SdRP). Im Dezember 1990 wurde Walesa zum Staatspräsidenten gewählt (Rücktritt als Vorsitzender der Gewerkschaft 'Solidarnosc'). Ministerpräsident J.K. Bielecki (Januar - Dezember 1991) setzte den marktwirtschaftlich orientierten Reformkurs fort. Mit den wachsenden wirtschaftlich-sozialen Problemen bei der Umsetzung der Regierungspolitik büsste auch die 'Solidarnosc'-Bewegung, die seit ihrer Einbindung in die Regierungsverantwortung politisch zersplitterte, an Einfluss ein. Die Parlamentswahlen im Oktober 1991 erbrachten keine klare Mehrheit; Ministerpräsident einer Mehrparteienkoalition wurde J.Olszewski, der das Tempo der marktwirtschaftlichen Reformen zu drosseln suchte.
Nach der Abberufung Olszewskis (Juni 1992) führte Hanna Suchocka (Demokratische Union) von Juli 1992 bis Mai 1993 als Ministerpräsidentin eine Koalitionsregierung von sieben aus der Gewerkschaft 'Solidarnosc' hervorgegangenen Parteien. Ein Regierungsprogramm zur 'Allgemeinen Privatisierung' (Privatisierung von rund 600 Staatsbetrieben, Ausgabe von Volksaktien) wurde Ende April 1993 vom Sejm gebilligt. Das liberale Abtreibungsgesetz von 1996 polarisierte die Gesellschaft und setzte die Regierungskoalition einer Zerreissprobe aus. Nach vorgezogenen Neuwahlen im September 1993, bei denen v.a. das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) und die Polnische Bauernpartei (PSL) Stimmengewinne zu verzeichnen hatten, wurden Korrekturen am marktwirtschaftlichen Kurs gefordert. Bei den Präsidentenwahlen setzte sich im November 1995 A.Kwasniewski, der Kandidat der Linksallianz SLD, gegen den amtierenden Präsidenten L.Walesa durch, sah sich jedoch im Ergebnis der Wahlen von September 1997 (Sieg der Wahlaktion der Solidarnosc [AWS]) im Sejm einer liberal-konservativen Mehrheit gegenübergestellt (ab Oktober 1997 Koalitionsregierung von AWS und Freiheitsunion unter Ministerpräsident J.Buzek).
Im Juli 1997 traten die Flüsse Oder, Neisse und Weichsel über die Ufer und verursachten schwerste Landschafts-, Umwelt- und Gebäudeschäden (geschätzter Schadensumfang 1,8 Mrd. DM). Am 1.1. 1999 trat eine Verwaltungsneugliederung in Kraft (Reduzierung der vorher 49 auf 16 Woiwodschaften). Im April 1999 wandelte sich das Linksbündnis SLD in eine Partei gleichen Namens um; im Juni 1999 löste sich die SdRP auf. Nach einer Regierungskrise verliess die Freiheitsunion im Juni 2000 das Koalitionskabinett. Ministerpräsident Buzek führte danach ein Minderheitskabinett der AWS. Die Präsidentschaftswahlen im Oktober 2000 gewann Amtsinhaber Kwasniewski.
In seiner Aussenpolitik schloss Polen im November 1990 mit Deutschland einen Grenzvertrag (Festlegung der Oder-Neisse-Linie als endgültige deutsch-polnische Grenze), im Juni 1991 einen Nachbarschaftsvertrag. 1991 wurde Polen Vollmitglied des Europarates und unterzeichnete im selben Jahr mit der EU ein Assoziierungsabkommen (seit 1.2. 1994 in Kraft). Zugleich bemühte sich die polnische Diplomatie um eine aktive Nachbarschaftspolitik (Visegrád-Allianz, Visegrád). In der aussen- und sicherheitspolitischen Konzeption gewann die Gestaltung einer französisch-deutsch-polnischen 'Achse' eine Schlüsselstellung. Neben dem vorrangigen Ziel seiner vollständigen Westintegration sucht Polen gutnachbarliche Beziehungen zu seinen östlichen Nachbarn (v.a. zu Russland). Am 8.4. 1994 stellte die polnische Regierung den Antrag auf Aufnahme in die EU (1998 Beginn von Beitrittsverhandlungen); am 12.3. 1999 wurde Polen Mitglied der NATO. Am 1. Mai 2004 fand der Beitritt Polens zur EU statt.

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