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Die Walser:

Ursprünglich siedelten die Alemannen in der norddeutschen Tiefebene als elbgermanische Bevölkerungsgruppe, sie waren ethnisch den Sueben zugehörig, darauf weisen Quellen aus dem 6. Jahrhundert und etwas früher hin. Seit etwa diesem Zeitpunkt verwendete man den Begriff Alemannen und Sueben / Schwaben synonym.
Der Neustamm der Alemannen war seit dem 2./3. Jahrhundert im Vorfeld des Limes ansässig, die erste Erwähnung fanden sie im Jahre 213. Wiederholte Vorstösse führten zum Fall des Limes (259/60) und zur Besiedlung des Dekumatlandes. Archäologische Funde bezeugen einen ständigen Zuzug aus Mitteldeutschland und Böhmen im 4./5. Jahrhundert. Nach 454 dehnten sich die Alemannen bis ins Elsass und die Nordschweiz aus. 496 (erneut 506) wurden sie vom Frankenkönig Chlodwig I. unterworfen und aus dem Maintal verdrängt. Das im 8. Jahrhundert erloschene alemannische Stammesherzogtum erstand im (späteren) Heiligen Römischen Reich des 10. Jahrhunderts von neuem als Herzogtum Schwaben. Es reichte über die heutige Schweiz nach Norditalien hinein. Schwaben bestimmten in der Welfen- und Stauferzeit und später die Geschicke des Heiligen Römischen Reiches und damit weiter Teile Europas. Die geschichtliche Entwicklung führte dann in der Folgezeit zu der heute gängigen Gliederung des Stamms in Schwaben, die die mächtigste Gruppe bildeten, in Deutschschweizer, Elsässer und Vorarlberger, - um die Badener nicht zu vergessen -, wobei diese Unterscheidungen künstlichen Charakter haben, denn sie bilden völkerkundlich eine Einheit. Unsinnigerweise bestehen untereinander heutzutage wenig Kenntnisse über die gemeinsame Kultur, ja es werden geradezu groteske 'Feindbilder' der alemannischen Vettern gegenseitig gepflegt und obendrein kultiviert. 'Sauschwob' ist ein beliebtes Schimpfwort im Elsass. Ob der Absender des Schimpfwortes weiss, dass er sich selbst meint?

Vom 9. Jh. an stiessen die alemannischen Vorfahren der heutigen Oberwalliser, die Walser, vom Berner Oberland herüber ins Rhônetal vor. Im Goms gründeten sie die ersten Siedlungen, rodeten Wälder und machten das karge Land urbar. Die unglaublich schwierigen Lebensbedingungen, das kleinparzellige Erbrecht und das Bevölkerungswachstum machten es notwendig in immer höhere Regionen vorzudringen bzw. das Land, das die Menschen nicht mehr ernähren konnte, zu verlassen. So zogen die Walser ins heutige Tessin, nach Graubünden, St.Gallen, Tirol, ja bis nach dem heutigen Deutschland zurück und besiedelten die dortigen Bergregionen. Um in den Gebirgsregionen überleben zu können, waren Beharrlichkeit und Zähigkeit dieses Menschenschlages vonnöten. Manche Walsersiedlungen bestehen bis heute und bilden z.B. in der oberitalienischen Kulturregion des Tessin deutschsprachige Inseln, haben sich aber mehrheitlich assimiliert und nur die Namen, wie Grosses und Kleines Walsertal erinnern noch an die früheren Besiedler. Der berühmte Walserweg ist zum Kulturweg Europas ernannt worden und ist ein beliebter Wanderweg unter Alpinisten.

Noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein waren die Lebensbedingungen der hochalpinen Gebirgsregionen unglaublich hart. Man führe sich die langen Reihen von Kindern, den sog. 'Schwabenkindern', vor Augen, die vorwiegend aus Graubünden, Tirol und Vorarlberg in herzzerreissenden Elendszügen über verschneite Pässe ins reiche Oberschwaben wanderten, um dort, ihren Familien entrissen und unter teilweise entwürdigenden Bedingungen, für ihr Auskommen und einen kleinen Lohn zu sorgen, den sie nach Hause trugen. Familien, die weniger als 10-14 Kinder hatten, waren Kleinfamilien, man war nicht selten auf zwei oder mehr -im Sommer waren es die oberen, im Winter die unteren- Talabschnitte angewiesen, um zu überleben.
Doch der Mensch, einmal zu Wohlstand gelangt, vergisst leider schnell. Lassen wir eine Zeitzeugin aus dem Val d'Anniviers (Eifischtal) zu Wort kommen, die einen für eine Frau dieser Zeit ungewöhnlichen Lebensgang als Hebamme durchlebt hat und die die Abläufe der täglichen Verrichtungen und Jahreszeiten von den zwanziger Jahren bis in unsere Tage in einem kleinen Büchlein zusammengefasst hat:

'....Mein Leben als Kind war wie das aller Menschen im Val d'Anniviers: Ein Leben unterwegs. Das Jahr unterteilte sich nach dem Verlauf der Feldarbeiten. Weil die Anniviards sowohl Reben in Sierre als auch Kühe in den Alpen oben hatten, wechselten sie ständig von Ort zu Ort. Gewöhnlich wohnten wir in St. Luc. Unser Haus dort war recht geräumig und bequem. Das war sozusagen unser Hauptwohnort. Wenn man in den Reben arbeitete wohnten wir in Muraz bei Sierre. Mehrmals im Jahr fand der grosse Umzug statt, der jeweils nahezu eine Woche dauerte. Das war ein grosses Durcheinander. Es zog nämlich das ganze Dorf gleichzeitig um; alle Familien, der Pfarrer, der Lehrer, das Vieh und die Kinder. Auf den Wagen packte man die Lebensmittel, die Haustiere, einen Teil der der Kleider und bei der Rückkehr nach St. Luc lud man auch noch die Kiste mit dem Schwein, das man am Katharinenmarkt in Sierre erworben hatte, den Kaffee, den Zucker und das Mehl mit auf.......Die Schule begann an Allerheiligen und dauerte bis Mai. Man ging sechs Monate im Jahr zur Schule. Ich besuchte sie bis ich vierzehn war. Weil Mama mich im Haushalt brauchte, liess sie sich vom Arzt ein Zeugnis ausstellen, damit ich die Schule verlassen konnte......Zu Hause war ich überall zu gebrauchen, auf dem Feld, im Stall und beim Führen des Maulesels. Damals backte man zweimal (!) im Jahr Brot, im Dezember und im Frühsommer, kurz vor dem Alpaufzug.....Das Brot hielten wir sehr in Ehren. Man segnete es, bevor man es anschnitt.....Mit dem Grösserwerden übernahm ich mehr und mehr Arbeiten, Männerarbeiten. Von klein auf mussten wir in den Äckern die Erde hinauftragen. Im Val d'Anniviers sind die bebauten Landstücke so steil, dass man regelmässig die Erde vom unteren Ende des Ackers an den oberen Rand hinauftragen musste.....Er (der Vater) wurde im Asyl St. Joseph gepflegt, auf seine eigenen Kosten. Damals gab es kein Spital.....Auf einem Wandgestell bewahrte Mama dort eine Menge verschiedener Kräuter auf, die sie getrocknet hatte und mit denen sie Tee kochte. Es gab ein Kraut für die Kühe und Kräuter für uns, wenn wir krank waren. Wir bekamen keine Medikamente.....'

An den steilen Äckern mussten sie die herabgerutschte Erde von Hand wieder den Berg hinauf tragen, um anpflanzen zu können! So war das bis in die fünfziger Jahre. Erst dann begannen sich die Lebensumstände durch die fortschreitende Industrialisierung, die anfänglich unter unmenschlichen Bedingungen produzieren liess und zu heftigen Auseinandersetzungen mit Streiks Anlass gab, und durch den Tourismus, der sich aber erst mit Beginn der siebziger Jahre so richtig entwickelte, langsam zu ändern. Wer mit wachem Auge durch die Alpen reist, wird an der Physiognomie des einen oder anderen älteren Bewohners dessen arbeitsreiches Leben erkennen, das ihn im Wortsinn krumm geschafft hat.

Ein Walserdorf im Tessin:    Bosco - Gurin

Schon die heutige Ortsbezeichnung - Bosco-Gurin - sorgte für Jahrzehnte lange Streitereien mit den lombardischen Tessinern. Gurin war der ursprünglich walserdeutsche Name, Bosco hiess es bei den Italienern und Bosco V. M. (Valle Maggia) sollte es nach dem Willen der tessiner Staatsregierung 1911 heissen. Der Kompromiss gelang 1932, seither heisst die deutsche Sprachinsel nun also Bosco-Gurin. Allerdings mussten die Walser sich einer andauernden Pressepolemik erwehren, die nachfolgend einsetzte. Im Tessin witterte man gar die 'Germanisierung' der oberitaliensichen Regionen. Absurd, was der deutsche Eigenname eines winzigen Bergdorfes in fremder kultureller Umgebung auslöste. In einer Zeitung war zu lesen: " Wie es scheint, halten sich diese vortrefflichen Walliser die eines Tages in unserem Land erschienen sind, für einen bevorzugten und überlegenen Stamm. Daher halten sie es heute für vollkommen richtig als deutsche Gemeinde betrachtet zu werden." Ein Beispiel für die journalistische Kompetenz jener Tage, obwohl sich da bis heute nicht viel geändert zu haben scheint, wie wir täglich erfahren dürfen. Wie zu erwarten trat weder die befürchtete 'Germanisierung' des Tessin ein, noch hat sich die deutsche Kultur tatsächlich dauerhaft halten können, die Bewohner assimilierten sich nach und nach. Allerdings hat sich das Dorfbild des ca. 1223 gegründeten Dorfes weitgehend erhalten. In einem Museum, dem Walserhaus, lassen sich heute liebevoll gepflegte Utensilien aus grauer Vorzeit bestaunen, die die karge Lebensweise der walser Bergbauern dokumentieren.
Alt ist es tatsächlich, das Dorf. Die ersten Urkunden, die man zu seiner Existenz findet, reichen ins 13. Jh. zurück, sorgfältig gepflegte Pergamente, die im Gemeindehaus verwahrt werden. Man spricht daher auch von einem 750 Jahre alten Bestehen der Walsergeschichte (Enrico Rizzi, Publizist und Walserforscher). Unter dieses kulturhistorische Datum fügt es sich, dass jetzt vom italienischen Staat der Vorschlag eingebracht wurde, die Walseralpen als weltweites Patrimonium unter den Schutz der UNESCO zu nehmen.
Schon die ersten Alpenentdecker kamen in das Nebental der Maggia und trafen dort auf diese eigenwilligen Bergbauern, die ein höchst unverständliches Kauderwelsch sprachen, weder Deutsche noch Italiener verstanden den Dialekt, den man heute 'Höchstalemannisch' nennt. Die Hauptmerkmale des Walserdeutsch gelten auch für das Gurinerdeutsch: Hoorä (Horn), gäära (gerne), schnyä (schneien) oder büwwä (bauen) lassen den Ursprung erkennen, dieses kehligen, urtümlichen Dialektes. Das Dorf kämpft heute gegen die anhaltende Abwanderung, die es nachhaltig dezimiert hat: Gerade noch 58 Einwohner leben dauerhaft hier. Früher waren es Lawinenkatastrophen, wie die von 1695 und 1741, die einen Grossteil der Bewohner in den Tod rissen, heute sind es die Landflucht und die Arbeitsmarktsituation, die für Abwanderung sorgen. Trotz enger kultureller Anbindung und Kontakte an das Wallis wird sich diese Kulturinsel nicht halten können, davon wissen auch die Guriner selbst. Ihr aussterbendes Sprach- und Kulturgut hat für den Besucher daher einen besonders exotischen Charakter.

Man erreicht das Dorf über das Maggia-Tal, in dem man in Cevio nach Westen abbiegt und das Tal bis zu Ende fährt.

Die Walser

Die Walser in Graubünden


Geschichtliches zu Schwaben / Alemannen


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