Die
Walser:
Ursprünglich
siedelten die Alemannen in der norddeutschen Tiefebene als elbgermanische
Bevölkerungsgruppe, sie waren ethnisch den Sueben zugehörig,
darauf weisen Quellen aus dem 6. Jahrhundert und etwas früher hin.
Seit etwa diesem Zeitpunkt verwendete man den Begriff Alemannen und
Sueben / Schwaben synonym. Vom 9. Jh. an stiessen die alemannischen Vorfahren der heutigen Oberwalliser, die Walser, vom Berner Oberland herüber ins Rhônetal vor. Im Goms gründeten sie die ersten Siedlungen, rodeten Wälder und machten das karge Land urbar. Die unglaublich schwierigen Lebensbedingungen, das kleinparzellige Erbrecht und das Bevölkerungswachstum machten es notwendig in immer höhere Regionen vorzudringen bzw. das Land, das die Menschen nicht mehr ernähren konnte, zu verlassen. So zogen die Walser ins heutige Tessin, nach Graubünden, St.Gallen, Tirol, ja bis nach dem heutigen Deutschland zurück und besiedelten die dortigen Bergregionen. Um in den Gebirgsregionen überleben zu können, waren Beharrlichkeit und Zähigkeit dieses Menschenschlages vonnöten. Manche Walsersiedlungen bestehen bis heute und bilden z.B. in der oberitalienischen Kulturregion des Tessin deutschsprachige Inseln, haben sich aber mehrheitlich assimiliert und nur die Namen, wie Grosses und Kleines Walsertal erinnern noch an die früheren Besiedler. Der berühmte Walserweg ist zum Kulturweg Europas ernannt worden und ist ein beliebter Wanderweg unter Alpinisten. Noch bis in die
zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein waren die Lebensbedingungen
der hochalpinen Gebirgsregionen unglaublich hart. Man führe sich
die langen Reihen von Kindern, den sog. 'Schwabenkindern', vor Augen,
die vorwiegend aus Graubünden, Tirol und Vorarlberg in herzzerreissenden
Elendszügen über verschneite Pässe ins reiche Oberschwaben
wanderten, um dort, ihren Familien entrissen und unter teilweise entwürdigenden
Bedingungen, für ihr Auskommen und einen kleinen Lohn zu sorgen,
den sie nach Hause trugen. Familien, die weniger als 10-14 Kinder hatten,
waren Kleinfamilien, man war nicht selten auf zwei oder mehr -im Sommer
waren es die oberen, im Winter die unteren- Talabschnitte angewiesen,
um zu überleben. '....Mein Leben als Kind war wie das aller Menschen im Val d'Anniviers: Ein Leben unterwegs. Das Jahr unterteilte sich nach dem Verlauf der Feldarbeiten. Weil die Anniviards sowohl Reben in Sierre als auch Kühe in den Alpen oben hatten, wechselten sie ständig von Ort zu Ort. Gewöhnlich wohnten wir in St. Luc. Unser Haus dort war recht geräumig und bequem. Das war sozusagen unser Hauptwohnort. Wenn man in den Reben arbeitete wohnten wir in Muraz bei Sierre. Mehrmals im Jahr fand der grosse Umzug statt, der jeweils nahezu eine Woche dauerte. Das war ein grosses Durcheinander. Es zog nämlich das ganze Dorf gleichzeitig um; alle Familien, der Pfarrer, der Lehrer, das Vieh und die Kinder. Auf den Wagen packte man die Lebensmittel, die Haustiere, einen Teil der der Kleider und bei der Rückkehr nach St. Luc lud man auch noch die Kiste mit dem Schwein, das man am Katharinenmarkt in Sierre erworben hatte, den Kaffee, den Zucker und das Mehl mit auf.......Die Schule begann an Allerheiligen und dauerte bis Mai. Man ging sechs Monate im Jahr zur Schule. Ich besuchte sie bis ich vierzehn war. Weil Mama mich im Haushalt brauchte, liess sie sich vom Arzt ein Zeugnis ausstellen, damit ich die Schule verlassen konnte......Zu Hause war ich überall zu gebrauchen, auf dem Feld, im Stall und beim Führen des Maulesels. Damals backte man zweimal (!) im Jahr Brot, im Dezember und im Frühsommer, kurz vor dem Alpaufzug.....Das Brot hielten wir sehr in Ehren. Man segnete es, bevor man es anschnitt.....Mit dem Grösserwerden übernahm ich mehr und mehr Arbeiten, Männerarbeiten. Von klein auf mussten wir in den Äckern die Erde hinauftragen. Im Val d'Anniviers sind die bebauten Landstücke so steil, dass man regelmässig die Erde vom unteren Ende des Ackers an den oberen Rand hinauftragen musste.....Er (der Vater) wurde im Asyl St. Joseph gepflegt, auf seine eigenen Kosten. Damals gab es kein Spital.....Auf einem Wandgestell bewahrte Mama dort eine Menge verschiedener Kräuter auf, die sie getrocknet hatte und mit denen sie Tee kochte. Es gab ein Kraut für die Kühe und Kräuter für uns, wenn wir krank waren. Wir bekamen keine Medikamente.....' An den steilen Äckern mussten sie die herabgerutschte Erde von Hand wieder den Berg hinauf tragen, um anpflanzen zu können! So war das bis in die fünfziger Jahre. Erst dann begannen sich die Lebensumstände durch die fortschreitende Industrialisierung, die anfänglich unter unmenschlichen Bedingungen produzieren liess und zu heftigen Auseinandersetzungen mit Streiks Anlass gab, und durch den Tourismus, der sich aber erst mit Beginn der siebziger Jahre so richtig entwickelte, langsam zu ändern. Wer mit wachem Auge durch die Alpen reist, wird an der Physiognomie des einen oder anderen älteren Bewohners dessen arbeitsreiches Leben erkennen, das ihn im Wortsinn krumm geschafft hat. Ein Walserdorf im Tessin: Bosco - Gurin Schon
die heutige Ortsbezeichnung - Bosco-Gurin - sorgte für Jahrzehnte
lange Streitereien mit den lombardischen Tessinern. Gurin war der ursprünglich
walserdeutsche Name, Bosco hiess es bei den Italienern und Bosco V.
M. (Valle Maggia) sollte es nach dem Willen der tessiner Staatsregierung
1911 heissen. Der Kompromiss gelang 1932, seither heisst die deutsche
Sprachinsel nun also Bosco-Gurin. Allerdings mussten die Walser sich
einer andauernden Pressepolemik erwehren, die nachfolgend einsetzte.
Im Tessin witterte man gar die 'Germanisierung' der oberitaliensichen
Regionen. Absurd, was der deutsche Eigenname eines winzigen Bergdorfes
in fremder kultureller Umgebung auslöste. In einer Zeitung war
zu lesen: " Wie es scheint, halten sich diese vortrefflichen Walliser
die eines Tages in unserem Land erschienen sind, für einen bevorzugten
und überlegenen Stamm. Daher halten sie es heute für vollkommen
richtig als deutsche Gemeinde betrachtet zu werden." Ein Beispiel
für die journalistische Kompetenz jener Tage, obwohl sich da bis
heute nicht viel geändert zu haben scheint, wie wir täglich
erfahren dürfen. Wie zu erwarten trat weder die befürchtete
'Germanisierung' des Tessin ein, noch hat sich die deutsche Kultur tatsächlich
dauerhaft halten können, die Bewohner assimilierten sich nach und
nach. Allerdings hat sich das Dorfbild des ca. 1223 gegründeten
Dorfes weitgehend erhalten. In einem Museum, dem Walserhaus, lassen
sich heute liebevoll gepflegte Utensilien aus grauer Vorzeit bestaunen,
die die karge Lebensweise der walser Bergbauern dokumentieren. Man erreicht das Dorf über das Maggia-Tal, in dem man in Cevio nach Westen abbiegt und das Tal bis zu Ende fährt. Die
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